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Zunächst war es dieses Mal nicht anders, höchstens vielleicht sanfter als üblich. Er lag fast schwerelos gemütlich in einem warmen Bett. Er hatte den Eindruck von Raum, einer hohen Zimmerdecke. An der Wand bei dem Bett war ein Gemälde… so exakt wiedergegeben, es hätte ein Foto sein können. Trixia hat diese Bilder verabscheut. Der Gedanke sprang ins Bewusstsein, lieferte einen Kontext für sein Erwachen. Trixia. Triland. Die Mission zum Ein-Aus-Stern. Und das war nicht das erste Erwachen dort. Es hatte sehr schlechte Zeiten gegeben, den Überfall der Aufsteiger. Wie hatten sie das überwunden? In einem kaputten Lander durch die Dunkelheit treiben. Parks Flaggschiff zerstört. Trixia

»Ich denke, das hat ihn herausgeholt, Hülsenmeister.« Eine Frauenstimme.

Äußerst widerwillig wandte er den Kopf der Stimme zu. Anne Reynolt saß an seinem Bett, und neben ihr Tomas Nau.

»Ah, Anwärter Vinh. Es freut mich, Sie wieder unter den Lebenden zu sehen.« Naus Lächeln war besorgt und ernst.

Ezr brauchte mehrere Versuche, um etwas Verständliches hervorzuwürgen. »Wag… Was geht vor? Wo bin ich?«

»Sie sind an Bord meiner Hauptresidenz. Es ist etwa acht Tage her, dass Ihre Flotte versucht hat, meine zu vernichten.«

»Huh?« Wir haben euch angegriffen?

Nau reckte angesichts von Vinhs Verständnislosigkeit zweifelnd den Kopf vor. »Ich wollte hier sein, wenn Sie aufwachten. Direktorin Reynolt wird Sie in die Einzelheiten einführen, aber ich wollte Sie nur meiner Unterstützung versichern. Ich ernenne Sie zum Flottenverwalter dessen, was von der Dschöng-Ho-Expedition übrig ist.« Er stand auf, klopfte Vinh sacht auf die Schulter. Vinhs Blick folgte dem Aufsteiger, wie er aus dem Zimmer ging. Flottenverwalter?

Reynolt brachte Vinh ein Fensterbuch mit mehr harten Tatsachen, als er ohne weiteres aufzunehmen vermochte. Es konnten nicht durchweg Lügen sein… Vierzehnhundert von der Dschöng Ho waren gestorben, fast die Hälfte der Flottenbesatzung. Vier von den sieben Dschöng-Ho-Schiffen waren zerstört worden. Die Staustrahltriebwerke der übrigen waren nicht mehr betriebsfähig. Die meisten kleineren Raumfahrzeuge waren vernichtet oder ernstlich beschädigt worden. Naus Leute waren damit beschäftigt, das Treibgut der Feuergefechte aus den Umlaufbahnen wegzuräumen. Sie hatten durchaus vor, die ›gemeinsame Operation‹ fortzuführen. Die flüchtigen Stoffe und Erze, die von der Arachna gehoben worden waren, würden für Habitate verwendet werden, die die Aufsteiger im L1-Punkt des Systems Sonne-Planet bauten.

Und sie zeigte ihm die Mannschaftslisten. Die Pham Nuwen war mit allen Mann an Bord verloren gegangen. Kapitän Park und mehrere Mitglieder des Handelskomitees waren tot. Die meisten Leute auf den verbliebenen Schiffen lebten noch, doch die Führungskräfte wurden im Kälteschlaf gehalten.

Der tödliche Kopfschmerz der letzten paar Minuten im Lander war fort. Ezr war von der ›unglücklichen Ansteckung‹ geheilt worden, sagte Reynolt. Doch nur eine maßgeschneiderte Krankheit konnte derart passend und gleichzeitig ausbrechen. Die Lügen der Aufsteiger waren kaum mehr als eine höfliche Ausflucht. Sie hatten den Überfall von Anfang an geplant, und das bis zur letzten Sekunde.

Wenigstens lächelte Anne Reynolt nicht, als sie die Lügen aussprach. Eigentlich lächelte sie überhaupt kaum. Direktorin für menschliche Ressourcen Reynolt. Komisch, dass nicht einmal Trixia darauf gekommen war, was dieser Titel bedeuten konnte. Zuerst glaubte Ezr, Reynolt kämpfe gegen ein durchaus angebrachtes Schamgefühl an: Sie schaute ihm kaum jemals direkt in die Augen. Doch allmählich wurde ihm klar, dass sein Gesicht anzuschauen für sie nicht interessanter war, als ein Schott zu betrachten. Sie sah ihn nicht als Person; die Toten kümmerten sie keinen Deut.

Ezr las die Berichte schweigend, ohne höhnisch zu lachen, ohne aufzuschreien, als er sah, dass Sum Dotran nicht mehr war. Trixias Name stand nirgends auf der Liste der Toten. Schließlich kam er zur Liste der wachenden Überlebenden und ihrer gegenwärtigen Aufenthaltsorte. Fast dreihundert befanden sich an Bord des Dschöng-Ho-Temps, das ebenfalls zum L1-Punkt gebracht worden war. Ezr sah die Namen durch und verglich mit der Erinnerung: Leute in untergeordneten Positionen und anscheinend keine Triländer und keine Wissenschaftler. Keine Trixia Bonsol. Er blätterte weiter… noch eine Liste. Trixia! Ihr Name stand da, und sie war sogar unter ›Linguistikabteilung‹ verzeichnet.

Ezr schaute von dem Fensterbuch auf, versuchte, beiläufig zu klingen. »Was… äh… was bedeutet dieses Zeichen neben manchen von den Namen?« Neben Trixias Namen.

»Fokussiert.«

»Und was bedeutet das?« Unwillkürlich war da ein scharfer Ton in seiner Stimme.

»Sie befinden sich noch in medizinischer Behandlung. Nicht alle haben sich so leicht wie Sie erholt.« Ihr Blick war hart und leidenschaftslos.

Am nächsten Tag stellte sich Nau wieder ein.

»Zeit, Sie Ihren neuen Untergebenen vorzustellen«, sagte er. Sie glitten durch einen langen, geraden Korridor zu einer Taxi-Luftschleuse. Dieses Habitat war nicht der Ort des Banketts. Es gab einen ganz schwachen Schwerezug, als befände es sich auf einem kleinen Planetoiden. Das Taxi hinter der Luftschleuse war größer als alle, die die Dschöng Ho mitgebracht hatte. Es war auf barocke, primitive Art luxuriös. Es gab niedrige Tische und eine Bar, die nach allen Seiten servierte. Große, natürlich wirkende Fenster umgaben sie. Nau gab ihm einen Augenblick Gelegenheit, hinauszuschauen:

Das Taxi stieg durch das Strebwerk eines am Grunde verankerten Habitats auf. Es war noch nicht fertig, sah aber so groß wie das Temp einer Dschöng-Ho-Vertretung aus. Jetzt waren sie über dem Strebwerk. Der Boden wölbte sich weg und wurde zu einem Haufen grauer Leviathane. Das waren die Diamantfelsen, alle zusammengeholt. Die Blöcke waren merkwürdig frei von Kratern, aber so trist und öde wie gewöhnliche Planetoiden. Hier und da fand das schwächliche Sonnenlicht eine Stelle, wo der Graphit der Oberfläche abgeschlagen worden war, und dort glitzerte es in allen Regenbogenfarben. Zwischen zweien von den Bergen sah er fahle Schneefelder, einen taumelnden Block von frisch geschnittenem Gestein und Eis; das mussten Teile des Ozeans und des darunter liegenden Gebirges sein, die sie von der Arachna gehoben hatten. Das Taxi stieg weiter auf. Hinter den Ecken der Berge kamen die Formen von Sternenschiffen in Sicht. Die Schiffe waren über sechshundert Meter lang, aber winzig neben der Ansammlung von Felsen. Sie waren eng aneinander vertäut wie Bergungsgut auf einem Schrottplatz; Ezr zählte rasch, schätze ab, was man nicht direkt sehen konnte. »Sie haben also alles hierher gebracht — nach L1? Sie haben wirklich vor, eine Lauerstrategie zu verfolgen?«

Nau nickte. »Ich fürchte, ja. Es ist am besten, in dieser Hinsicht offen zu sein. Unser Kampf hat uns alle an den Rand der Existenz gebracht. Wir haben ausreichende Ressourcen, um nach Hause zurückzukehren, aber mit leeren Händen. Wenn wir stattdessen nur zusammenarbeiten können… nun ja, von hier bei L1 können wir die Spinnen beobachten. Wenn sie wirklich ins Informationszeitalter eintreten, können wir zu gegebener Zeit ihre Ressourcen nutzen, um unsere Ausrüstung zu ergänzen. So oder so bekommen wir vielleicht viel von dem, was wir uns erhofft haben.«

Hm. Eine ausgedehnte Lauer, während der man abwartete, dass die Kunden heranreiften. Es war eine Strategie, die die Dschöng Ho bei einigen wenigen Gelegenheiten verfolgt hatte. Manchmal funktionierte es sogar. »Es wird schwierig werden.«

Hinter Ezr sagte eine Stimme: »Für euch vielleicht. Aber Aufsteiger leben gut, kleiner Mann. Das erfährst du am besten gleich.« Es war eine Stimme, die Vinh erkannte, die Stimme, die der Dschöng Ho noch einen Hinterhalt vorgeworfen hatte, als das Morden schon begonnen hatte. Ritser Brughel. Ezr drehte sich um. Der große blonde Kerl grinste ihn an. Da war nichts mit feinen Nuancen. »Und wir spielen auf Gewinn. Die Spinnen werden das auch erfahren.« Es war nicht lange her, dass Ezr Vinh einen Abend lang neben diesem Kerl gesessen und zugehört hatte, wie er Pham Trinli belehrte. Der Blonde war ein Flegel und Rabauke, doch damals hatte es keine Rolle gespielt. Vinhs Blick huschte über die teppichbespannten Wände zu Anne Reynolt. Sie beobachtete das Gespräch konzentriert. Physisch hätten sie und Brughel Schwester und Bruder sein können. Es war sogar ein Schimmer von Rot im Blondhaar des Burschen. Doch damit hörte die Ähnlichkeit auf. So widerwärtig er war, lagen Brughels Gefühle doch offen zutage. Die einzige Regung, die Vinh in Anne Reynolts Augen sah, war Ungeduld. Sie beobachtete das gegenwärtige Gespräch, wie man Insekten in Gartenerde beobachten mochte.