Выбрать главу

Es gab also keine Verräter hier. Dennoch boten sie einen entmutigenden Anblick: fünf Anwärter, drei untere Dienstränge, eine Vierzehnjährige und ein tapernder Nichtskönner. Gut, um ehrlich zu sein, Pham Trinli taperte nicht, jedenfalls nicht körperlich; für einen alten Mann war er ziemlich gut in Form. Höchstwahrscheinlich war er immer ein Trottel gewesen. Es war ein viel sagendes Indiz für seine Vorgeschichte, dass er nicht im Kälteschlaf gehalten wurde. Trinli war der einzige Militär der Dschöng Ho, den man wach gelassen hatte.

Und das alles macht mich so ziemlich zum Oberclown. Flottenverwalter Ezr Vinh eröffnete die Versammlung. Man sollte meinen, mit lauter betrügerischen Schleimern sollten diese Besprechungen wenigstens schnell gehen. Aber nein, sie zogen sich oft über viele Kilosekunden hin, verplemperten sich in nervtötende Aufgabenzuweisungen für einzelne Mitglieder. Ich hoffe, es gefällt dir, das abzuhören, Nau, du Dreckskerl.

Der erste Tagesordnungspunkt war die Reinigung der Baktrei. Das war unter Kontrolle. Der weit verbreitete Gestank müsste bis zu ihrem nächsten Treffen beseitigt sein. Es blieben einige außer Kontrolle geratene Genlinien in der Baktrei selbst (gut!), doch sie stellten keine Gefahr für das Temp dar. Vinh vermied es, Jimmy Diem anzuschauen, als er den Bericht hörte. Er hatte Diem jetzt dreimal in der Baktrei getroffen. Die Unterredungen waren kurz und einseitig gewesen. Was Vinh am liebsten gewusst hätte, war genau das, was er absolut nicht wissen durfte. Wie viele von der Dschöng Ho waren an Diems Operation beteiligt? Wer? Gab es einen konkreten Plan, die Aufsteiger zu zerschmettern, die Geiseln zu retten?

Der zweite Punkt war strittiger. Die Aufsteiger wollten, dass ihre eigenen Zeiteinheiten überall in der Flotte verwendet würden. »Ich versteh es nicht«, sagte Vinh zu den unfroh dreinblickenden Gesichtern. »Die Aufsteiger haben dieselbe Sekunde wie wir — und für lokale Operationen ist der Rest bloß Kalenderkram. Unsere Software arbeitet andauernd mit Kundenkalendern.« Bei zwanglosen Gesprächen gab es gewiss kaum Probleme. Der Tag der Balacrea wich kaum vom 100-Kilosekunden-›Tag‹ ab, den die Dschöng Ho für ihre Schichteinteilung benutzte. Und ihr Jahr kam mit 30 Megasekunden nahe genug, dass die meisten Wörter mit dem Stamm ›Jahr‹ keine Verwirrung auslösten.

»Klar, wir können mit ausgefallenen Kalendern umgehen, aber das betrifft Anwendungen auf den oberen Ebenen.« Arlo Dinh war Programmier-Anwärter gewesen, jetzt war er für die Modifikationen der Software zuständig. »Unsere neuen… hm… Arbeitgeber benutzen interne Routinen der Dschöng Ho. ›Es wird Nebenwirkungen geben.‹« Arlo intonierte das Mantra in bedrohlichem Ton.

»Gut, gut. Ich werde…« Ezr hielt in Erwartung eines Ausbruchs administrativer Erkenntnisse inne. »Arlo, warum gehst du damit nicht zu Reynolt? Erklär ihr die Probleme.«

Ezr schaute auf seine Tagesordnung hinunter und vermied Arlos verärgerten Blick. »Nächster Punkt. Wir bekommen wieder neue Mitbewohner. Der Hülsenmeister sagt, wir sollen mindestens dreihundert weitere Aufsteiger erwarten und noch fünfzig weitere von der Dschöng Ho. Es sieht so aus, dass die Lebenserhaltungssysteme damit klarkommen. Was ist mit unseren anderen Systemen? Gonle?«

Als ihre Ränge noch einer Wirklichkeit entsprachen, war Gonle Fong Assistenz-Quartiermeisterin auf der Unsichtbaren Hand gewesen. Ihr Geist hatte die Veränderungen noch nicht verarbeitet. Sie war von unbestimmtem Alter, und ohne den Überfall hätte sie vielleicht ihr ganzes Leben als Assistenz-Quartiermeisterin verbracht. Vielleicht gehörte sie zu den Leuten, deren Karriere genau am richtigen Punkt stehengeblieben war, wo ihre Fähigkeiten exakt den Anforderungen entsprachen. Jetzt aber…

Fong nickte. »Ja, ich habe euch ein paar Zahlen zu zeigen.« Sie tippte auf der Aufsteiger-Tastatur, die sie vor sich hatte, machte Fehler, versuchte sie zu korrigieren. Im Fenster an der anderen Seite des Raums berichteten diverse Fehlermeldungen von ihrem Herumfuchteln. »Wie schaltet man die ab?«, murmelte Fong und fluchte vor sich hin. Sie machte noch einen Tippfehler, und ihre Wut wurde sehr öffentlich. »Gottverdammich, ich kann diese beschissnen Dinger nicht ausstehen!« Sie griff nach der Tastatur und hieb sie auf den Tisch aus poliertem Holz. Das Holzfurnier bekam einen Sprung, doch die Tastatur war unbeschädigt. Sie schlug sie abermals auf; die Fehleranzeige auf der anderen Seite des Raumes flimmerte in schillerndem Protest und verschwand. Fong erhob sich halb von ihrem Sitz und fuchtelte mit der sonderbar verbogenen Tastatur vor Ezrs Gesicht. »Diese beschissnen Aufsteiger haben uns alle Endgeräte weggenommen, die funktionieren. Ich kann keine Stimme verwenden, ich kann keine Datenbrillen verwenden. Wir haben nichts als Fenster und diese bescheuerten Dinger!« Sie warf die Tastatur auf den Tisch. Sie prallte ab und wirbelte zur Decke.

Es erklang ein Chor von Zustimmung, wenn auch nicht so überdreht. »Man kann nicht alles über eine Tastatur machen. Wir brauchen Datenbrillen… Wir sind gelähmt, sogar wenn die tiefer liegenden Systeme in Ordnung sind.«

Ezr hob die Hände und wartete, bis sich der Aufruhr gelegt hatte. »Sie alle kennen den Grund dafür. Die Aufsteiger trauen einfach unseren Systemen nicht; sie glauben, die Peripherie unter Kontrolle halten zu müssen.«

»Klar! Sie wollen jeder einzelnen Aktion nachspionieren. Ich würde eroberter Automatik auch nicht trauen. Aber so geht es nicht! Ich werde ihre Eingabe-Ausgabe-Geräte benutzen, aber sorg dafür, dass sie uns Datenbrillen und Augenzeiger und…«

»Ich sag euch, es gibt Leute, die einfach ihre alte Ausrüstung weiter verwenden«, sagte Gonle Fong.

»Halt!« Das war die Stelle, wo es am wehesten tat, ein Schleimer zu sein. Ezr tat sein Möglichstes, Fong mit Blicken zu durchbohren. »Überlegen Sie sich, was Sie sagen, Fräulein Fong. Ja. Das ist eine erhebliche Einschränkung, aber Hülsenmeister Nau wertet Ungehorsam in dieser Frage als Verrat. Die Aufsteiger betrachten derlei als direkte Bedrohung.« Also behalte deine alte E/A-Aasrüstung, aber sei dir des Risikos bewusst. Das sagte er nicht laut.

Fong hing über den Tisch gekrümmt da. Sie schaute zu ihm auf und nickte finster.

»Sehen Sie«, fuhr Ezr fort, »ich habe Nau und Reynolt um andere Geräte gebeten. Vielleicht bekommen wir ein paar. Aber bedenken Sie, wir stecken Lichtjahre weit von der nächsten industriellen Zivilisation fest. Alle neuen Apparate müssen mit dem hergestellt werden, was die Aufsteiger hier bei L1 haben.« Ezr zweifelte, dass viel zu erwarten wäre. »Es ist für Sie existenziell wichtig, Ihren Leuten das E/A-Verbot klar zu machen. Um ihrer eigenen Sicherheit willen.«

Er blickte von Gesicht zu Gesicht. Fast alle starrten ihn an. Aber Vinh sah ihre heimliche Erleichterung. Wenn sie wieder zu ihren Freunden kamen, würden die Komiteemitglieder auf Ezr Vinh als den Kerl ohne Rückgrat zeigen können, der die Forderungen der Aufsteiger durchdrückte — und ihre eigene unpopuläre Position würde etwas leichter sein.

Ezr saß noch einen Moment lang schweigend da und fühlte sich ohnmächtig. Bitte lass dies genau das sein, was Truppführer Diem von mir will. Doch Jimmys Augen waren so leer und hart wie die der anderen. Außerhalb der Baktrei spielte er seine Rolle gut. Schließlich beugte sich Ezr vor und sagte ruhigen Tones zu Fong: »Sie wollten mir von den Neuankömmlingen erzählen. Welche Probleme gibt es?«

Fong grunzte und erinnerte sich daran, worüber sie gesprochen hatten, ehe sie explodiert war. Aber zu seiner Überraschung sagte sie: »Ach, vergessen Sie die Zahlen. Kurz gesagt, wir kommen mit mehr Leuten zurecht. Zum Teufel, wenn wir unsere Automatik richtig unter Kontrolle hätten, könnten wir in diesem Ballon dreitausend unterbringen. Was die Leute selber angeht?« Sie zuckte die Achseln, doch ohne besonders wütend zu sein. »Es sind typische Bodenlatscher. Die Sorte, die ich in einer Menge Tyranneien gesehen habe. Sie nennen sich ›Verwalter‹, aber sie sind kleine Lichter. Tatsache ist, hinter ein bisschen Angabe haben sie irgendwie Angst vor uns.« Ein raffiniertes Lächeln breitete sich über ihre groben Züge aus. »Wir haben Leute, die wissen, wie man mit derlei Kunden umgeht. Manche von uns freunden sich mit ihnen an. Es gibt eine Menge, worüber sie nicht reden sollen — etwa, wie schlimm diese beschissne ›Geistfäule‹ wirklich ist. Aber ich sag euch, wenn deren große Chefs nicht bald mit der Sprache herausrücken, finden wir es selber heraus.«