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In den Jahrtausenden seit der Morgenröte hatten sich Menschenzivilisationen stetig vom Sonnensystem der Erde immer weiter ausgebreitet. Die Beobachtungen des EinAus-Sterns wurden immer genauer und erfolgten aus immer geringeren Entfernungen.

Und schließlich waren Menschen im EinAus-System und sahen zu, wie die Sekunden bis zu einem neuen Aufflammen verstrichen.

Tomas Nau hielt eine kleine Rede, die mit den Worten endete: »Es wird ein interessantes Schauspiel sein.« Sie benutzten den größten Versammlungsraum des Temps, um das Aufflammen zu beobachten. Jetzt war er ziemlich voll und hing ein wenig in der Mikroschwerkraft an der Oberfläche des Felshaufens durch. Drüben in Hammerfest kontrollierten Spezialisten der Aufsteiger die Operation. Es gab auch Rumpfmannschaften an Bord der Sternenschiffe. Doch Ezr wusste, dass die meisten von der Dschöng Ho und alle dienstfreien Aufsteiger hier waren. Die beiden Seiten waren fast gesellig, fast freundlich. Seit dem Überfall waren vierzig Tage vergangen. Es gingen Gerüchte um, dass nach dem Aufflammen die Sicherheitsvorkehrungen der Aufsteiger wesentlich gelockert würden.

Ezr hatte sich an einer Stelle nahe der Decke festgehakt. Ohne Datenbrillen war nur über die Bildtapeten des Raumes etwas zu sehen. Wo er hing, konnte er die drei interessantesten Fenster sehen. Eins zeigte eine Ansicht der gesamten Scheibe des EinAus-Sterns. Ein anderes Fenster war die Sicht von einem der Mikrosatelliten, die den Stern eng umkreisten. Selbst aus fünfhundert Kilometern Entfernung sah die Oberfläche des Sterns nicht bedrohlich aus. Es hätte ein Blick von einem Flugzeug sein können, das über einer leuchtenden Wolkenschicht flog. Wäre nicht die Schwerkraft gewesen, hätten Menschen fast auf dem Stern landen können. Die ›Wolken‹ glitten langsam durchs Gesichtsfeld des Mikrosatelliten, hier und da zeigte sich zwischen ihnen ein Schimmer von glühendem Rot. Es war das stumpfe Rot eines braunen Zwergs, die Röte eines schwarzen Körpers. Es gab kein Anzeichen für den Kataklysmus, der in… sechshundert Sekunden ausbrechen sollte.

Nau und sein leitender Flugtechniker kamen herauf, um sich Ezr zuzugesellen. Brughel war nirgends zu sehen. Man konnte immer sagen, wo Nau auf sanfte Empfindungen aus war — man brauchte sich nur zu vergewissern, ob Ritser Brughel fehlte. Der Hülsenmeister griff sich einen Platz neben Vinh. Er lächelte wie ein Politiker einer Kundenzivilisation. »Na, Flottenverwalter, sind Sie wegen dieser Operation noch nervös?«

Vinh nickte. »Sie kennen die Empfehlung meines Komitees. Für dieses Aufflammen hätten wir die flüchtigen Stoffe hinter einen einzelnen Felsen manövrieren und ihn etwas auf Abstand bringen sollen. Wir sollten zu diesem Zweck weiter draußen im System sein.« Die Schiffe beider Flotten und alle Habitate waren an einer Seite des größten Diamantfelsens festgemacht. Gegen das Aufflammen würden sie abgeschirmt sein, doch wenn die Dinge in Bewegung kamen…

Naus Techniker schüttelte den Kopf. »Wir haben hier zu viel am Boden. Außerdem haben wir kaum Treibstoff; wir müssten eine Menge unserer flüchtigen Stoffe verwenden, um im System herumzufliegen.« Der Techniker, Jau Xin, sah fast so jung wie Ezr aus. Xin war ganz angenehm, machte aber nicht ganz den Eindruck geballter Kompetenz, den Ezr von hohen Offizieren der Dschöng Ho gewohnt war. »Ich bin von Ihren Ingenieuren sehr beeindruckt.« Xin deutete mit einer Kopfbewegung zu den anderen Fenstern hin. »Sie kommen mit dem Felshaufen viel besser zurecht, als wir es könnten. Es ist schwer zu verstehen, wie sie derart gut sein können, wenn sie doch keine Blitz…« Er brach ab. Es gab immer noch Geheimnisse; das konnte sich rascher ändern, als die Aufsteiger erwarteten.

Nau füllte die Pause in Xins Rede glatt auf. »Ihre Leute sind gut, Ezr. Wirklich, ich glaube, deswegen haben sie sich so sehr über diesen Plan beschwert; sie streben Perfektion an.« Er schaute zu dem Fenster mit dem EinAus-Stern. »Denken Sie an all die Geschichte, die hier zusammenläuft.«

Rings um sie und unter ihnen hatte sich die Menge zu Gruppen von Dschöng Ho und Aufsteigern geballt, doch die Diskussionen gingen in allen Richtungen weiter. Das Fenster an der Wand gegenüber zeigte die frei liegende Oberfläche des Felshaufens. Jimmy Diems Arbeitsgruppe war dabei, eine silbrige Abdeckung über die Spitzen von großen Eisbrocken zu ziehen. Nau runzelte die Stirn.

»Das dient dazu, Wassereis und Luftschnee zu bedecken, Herr Hülsenmeister«, sagte Vinh. »Die Spitzen liegen in Sicht des Ein-Aus-Sterns. Die Abdeckungen sollen die Verdampfungsverluste einschränken.«

»Ah.« Nau nickte.

Dort draußen an der Oberfläche war über ein Dutzend Gestalten. Manche waren angeleint, andere manövrierten frei. Es gab praktisch keine Schwerkraft. Sie ließen die Halterungen über die Spitzen der Eisberge mit einer Leichtigkeit gleiten, die von einem Leben voller Außenoperationen zeugte — und darüber hinaus von Jahrtausenden Dschöng-Ho-Erfahrung. Er beobachtete die Gestalten und versuchte auszumachen, wer wer war. Doch sie trugen Thermojacken über ihren Anzügen, und Vinh sah nichts als gleichartige Gestalten, die über der dunklen Landschaft tanzten. Ezr kannte nicht in den Einzelheiten, was die Verschwörung plante, doch Jimmy hatte ihm gewisse Aufträge erteilt, und Ezr konnte sich dies und das denken. Vielleicht würden sie nie wieder eine so gute Gelegenheit haben: Sie hatten Zugang zu den E-Triebwerken an Bord der Brisgo-Lücke. Sie hatten fast unbeschränkten Zugang zum Außenbereich, zu Orten, wo es keine Beobachter der Aufsteiger gab. In den Sekunden nach dem Aufflammen war einiges Chaos zu erwarten — und da die Dschöng Ho für die ortsfeste Stationierung zuständig war, konnten sie dieses Chaos so abstimmen, dass es der Verschwörung dienlich war. Aber ich kann nichts weiter tun, als hier bei Tomas Nau zu stehen… und ein guter Schauspieler zu sein.

Ezr lächelte dem Hülsenmeister zu.

Qiwi Lisolet kam wütend aus der Luftschleuse. »Verdammt! Verdammt und noch mal verdammt und…« Sie fluchte, was das Zeug hielt, während sie sich Thermojacke und -hose herunterriss. Irgendwo im Hinterkopf merkte sie sich vor, mehr Zeit mit Gonle Fong zu verbringen. Es musste doch schlimmere Dinge geben, die sie sagen konnte, wenn alles derart schief lief. Sie warf die Thermokleidung in ein Schließfach und glitt den Achsentunnel entlang, ohne Anzug und Helm abzulegen.

Herr Des Handels, wie konnten sie ihr das antun? Sie hatten sie nach drinnen abgeschoben und ließen sie Däumchen drehen, während die Arbeit, die sie hätte erledigen sollen, von Jimmy Diem übernommen wurde!

Pham Trinli schwebte dreißig Meter über der Isolationsplane, die sie über dem Eisberg festmachten. Trinli war der offizielle Leiter der Operationen zur Stationierung, obwohl er dafür sorgte, dass alle Anweisungen, die er erteilte, lautstarke Gemeinplätze waren. Es war Jimmy Diem, der die meisten Dinge in Szene setzte. Und überraschenderweise war es die kleine Qiwi, die die besten Einfälle hatte, wo die E-Triebwerke anzubringen waren und wie man das Stationierungsprogramm durchführen sollte. Wenn sie allen ihren Empfehlungen gefolgt wären, wäre das Aufflammen vielleicht völlig glatt gegangen.

Und das wäre ganz und gar nicht gut gewesen.

Pham Trinli war Mitglied der ›großen Verschwörung‹. Ein sehr unbedeutendes Mitglied, dem man keinen kritischen Teil des Plans anvertrauen konnte. Das kam Pham Trinli gerade recht. Er drehte sich, sodass jetzt sein Rücken dem mondähnlichen Glimmen des EinAus-Sterns zugewandt war und der Felshaufen fast über seinem Kopf hing. Im tiefen Schatten des Felshaufens gab es eine weitere wirre Ansammlung: die vertäuten Schiffe und Temps und die Raffinerien für die flüchtigen Stoffe, die sich vor dem Licht verbargen, das bald aus dem Himmel auf sie zu stürmen würde. Eins von den Habitats, Hammerfest, war schon vom Entwurf her im Felsen verankert; es hätte eine gewisse bizarre Anmut gehabt, wäre nicht all die Apparatur ringsum gewesen. Das Kauffahrer-Temp sah einfach wie ein großer Ballon aus, der an der Oberfläche festgemacht war. Innen befanden sich alle wachen Dschöng-Ho-Leute und ein Gutteil der Aufsteiger-Population.