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Und ebenso plötzlich erkannte er, wie sehr es Jimmy verabscheut haben musste, dieses Spiel mit riskanten Drohungen gegen Tomas Nau zu spielen. Er hatte kein Talent, derlei auszubrüten, und am Ende hatte er sich einfach verrechnet. Eigentlich wollte er weiter nichts, als Tsufe Do heiraten und in die mittlere Verwaltung kommen. Es ergibt keinen Sinn. Vinh kam auf einmal die Dunkelheit um ihn zu Bewusstsein, die leise raschelnden Geräusche von Schmetterlingen, die in den Bäumen schliefen. Die Feuchtigkeit des Mooses drang kalt durch Hemd und Hose. Er versuchte sich genau zu erinnern, was er über die Lautsprecher im Versammlungsraum gehört hatte. Es war Jimmys Stimme gewesen, kein Zweifel. Der Akzent war exakt das Nese der Diem-Familie. Aber der Ton, die Wortwahl — die waren so selbstsicher gewesen, so arrogant, so… nahezu freudig. Jimmy Diem hätte diese Begeisterung niemals vortäuschen können. Und Jimmy hätte solche Begeisterung auch niemals empfunden.

Und das ließ nur eine Schlussfolgerung zu. Jimmys Stimme und Akzent zu fälschen, dürfte schwierig gewesen sein, aber irgendwie hatten sie es geschafft. Was also war noch gelogen gewesen? Jimmy hat niemanden getötet. Die führenden Dschöng-Ho-Leute waren ermordet worden, bevor Jimmy und Tsufe und Pham Patil überhaupt an Bord der Ferner Schatz gekommen waren. Tomas Nau hatte Morde über Morde begangen, um Anspruch auf seine hochmoralische Position zu erheben. Erklären Sie Ihren Leuten Fokus, und zwar so, dass sie ihn akzeptieren, damit, was von unseren Missionen noch übrig ist, überleben kann.

Vinh starrte hoch zum letzten Licht am Himmel. Hier und da glitzerten Sterne zwischen den Zweigen, das falsche Abbild eines Himmels, der Lichtjahre entfernt war. Er hörte, wie sich Pham Trinli bewegte. Er klopfte Ezr ungeschickt auf die Schulter, und seine hagere Gestalt schwebte vom Boden hoch. »Gut, Sie heulen nicht mehr. Ich hab mir gedacht, Sie könnten ein bisschen Rückenstärkung gebrauchen. Denken Sie immer dran, man muss mitgehen, um weiterzukommen. Nau ist im Grunde ein weicher Typ; wir werden mit ihm fertig.«

Ezr zitterte, ein zorniges Brüllen stieg zu seiner Kehle hoch. Er unterdrückte es, machte ein Schluchzen daraus, machte aus seinem wütenden Beben ein kraftloses Zittern. »J-ja. Wir müssen mitgehen.«

»Gut so.« Trinli klopfte ihm wieder auf die Schulter, dann machte er kehrt, um sich durch die Baumwipfel zu entfernen. Ezr erinnerte sich an Ritser Brughels Beschreibung von Trinli nach dem Aufflammen. Der alte Mann war immun gegen Tomas Naus moralische Manipulationen. Doch das spielte keine Rolle, weil Trinli auch ein Feigling war, der sich selbst etwas vormachte. Man muss mitgehen, um weiterzukommen.

Ein Jimmy Diem war beliebig viele Pham Trinlis wert.

Tomas Nau hatte sie alle so schlau ausmanövriert. Er hatte den Geist von Trixia und hunderten anderen gestohlen. Er hatte alle ermordet, die etwas hätten ändern können. Und er hatte jene Morde benutzt, um aus den übrigen willige Werkzeuge zu machen.

Ezr starrte die falschen Sterne an, die Baumäste, die sich wie Klauen über den Himmel krümmten. Vielleicht ist es möglich, jemanden zu weit zu treiben, ihn zu zerbrechen, sodass er kein Werkzeug mehr sein kann. Wie er so die dunklen Klauen ringsum anstarrte, fühlte Ezr, wie sein Geist in verschiedene Richtungen davonwirbelte. Ein Teil sah passiv zu, erstaunt, dass eine solche Desintegration Ezr Vinh widerfahren konnte. Ein anderer Teil zog sich in sich zurück, versank in einem See von Trauer; Sum Dotran würde nie wiederkommen, auch nicht S.#nbsp#. Park, und jedes Versprechen, Trixias Fokus rückgängig zu machen, musste eine Lüge sein. Doch es gab ein drittes Fragment, kalt und analytisch und mörderisch.

Für die Dschöng Ho wie für die Aufsteiger würde das Exil Jahrzehnte dauern. Ein Großteil dieser Zeit würde auf Freiwache verbracht werden, im Kälteschlaf… dennoch erstreckten sich vor ihnen Jahre. Und Tomas Nau brauchte alle Überlebenden. Vorerst war die Dschöng Ho geschlagen, vergewaltigt und — wie man Tomas Nau glauben machen musste — getäuscht. Der Kalte in ihm, derjenige, der zu töten imstande war, blickte mit finsterer Entschlossenheit in diese Zukunft. Das war nicht das Leben, das sich Ezr Vinh jemals hatte träumen lassen. Es würde keine Freunde geben, denen er sich gefahrlos anvertrauen konnte. Ringsum würden lauter Feinde und Narren sein. Er sah zu, wie Trinlis Licht am Eingang des Parks verschwand. Narren wie Pham Trinli konnten benutzt werden. Solange es keine fähigen Leute von der Dschöng Ho betraf, war Trinli ein Stein, der im Spiel geopfert werden konnte.

Tomas Nau hatte Ezr eine Rolle fürs Leben verschafft, und seine größte Belohnung mochte nicht mehr als Rache sein. (Aber vielleicht eine Chance, versuchte der ursprüngliche Beobachter in ihm zu sagen, vielleicht eine Chance, dass Reynolt über Trixia und die Umkehrbarkeit von Fokus die Wahrheit sagte.)

Der Kalte warf einen letzten langen Blick auf die Jahre geduldiger Arbeit, die vor ihm lagen… und dann zog er sich für einen Augenblick zurück. Sicherlich gab es Beobachtungskameras. Besser nicht zu ruhig wirken nach allem, was geschehen war. Vinh rollte sich zusammen und überließ sich demjenigen, der weinen konnte.

TEIL ZWEI

Vierzehn

Nur Krümelkacker haben etwas gegen die Redensart ›Neue Sonne, neue Welt‹ einzuwenden. Freilich, der Planetenkern wird von der Neuen Sonne nicht verändert, und die Küstenlinien der Kontinente bleiben im Großen und Ganzen dieselben. Doch die Stromstürme im ersten Jahr der Sonne fegen die trockenen Überreste alles früheren Lebens an der Oberfläche hinweg. Wälder und Dschungel, Steppen und Sümpfe, alles muss von vorn beginnen. Von den Werken der Spinnheit an der Oberfläche können höchstens Steingebäude in geschützten Tälern überdauern.

Aus Sporen erstandenes Leben breitet sich rasch aus, wird von den Stürmen verweht und spießt immer wieder von neuem. In den ersten Jahren stecken vielleicht höhere Tiere ihre Schnauzen aus Tiefen und versuchen Vorteile zu erlangen, indem sie frühzeitig Territorium besetzen, doch es ist ein tödliches Unterfangen. Die ›Geburt einer neuen Welt‹ verläuft derart gewaltsam, dass die Metapher überbeansprucht wird.

… Dennoch, nach dem dritten oder vierten Jahr kommen gelegentlich Pausen zwischen den Stürmen vor. Erdrutsche und Dampfausbrüche werden seltener, und Pflanzen können von Jahr zu Jahr überdauern. Zur Winterszeit, wenn die Winde schwächer geworden sind und die Stürme Pause machen, gibt es Zeiten, da man einen Blick hinaus auf das Land werfen kann und sich vorstellen, dass diese Phase der Sonne vor Leben überquillt.

Der ›Stolz des Einklangs‹ war wieder einmal fertiggestellt, eine großartigere Landstraße als je zuvor. Viktoria Schmid hatte den Sportwagen auf den Geraden auf über sechzig Meilen pro Stunde gebracht und nur auf knapp dreißig abgebremst, wenn sie in eine Serpentinenkurve fuhren. Von seinem Sitzgitter hinten im Wagen bekam Hrunkner Unnerbei Ansichten von jedem neuen Steilabfall zu sehen, die einem das Herz stocken lassen konnten. Er klammerte sich mit allen Händen und Füßen an sein Gitter. Er war sich sicher, dass er ohne diesen panischen Griff bei der letzten Kurve aus dem Auto geschleudert worden wäre.