Выбрать главу

Schließlich fand er seine Stimme wieder. »Ähm. Ja, Frau General. Ich weiß. Ich wollte nicht unehrerbietig sein. Ich bin erzogen worden, bestimmte Dinge zu glauben«, wie anständige Leute leben sollten. Anständige Leute empfingen ihre Kinder in den Jahren des Schwindens und brachten sie zur Zeit der Neuen Sonne zur Welt.

Die Generalin erwiderte nichts, doch Unterberg klopfte sacht mit der Hand nach hinten. »Ist schon in Ordnung, Feldwebel. Du hättest die Reaktion meines Cousins sehen sollen. Aber wart’s ab, die Dinge ändern sich. Wenn wir Zeit haben, werde ich erklären, warum die alten Regeln im Grunde keinen Sinn mehr haben.« Und das war das Beunruhigendste an Scherkaner Unterberg: Er konnte ihr Verhalten wahrscheinlich wegerklären — und sich in seliger Entfernung von der Wut halten, die es bei anderen auslöste.

Doch der peinliche Augenblick war vorüber. Wenn die beiden mit Hrunkners geradliniger Natur zurechtkamen, würde er sich nach Kräften bemühen, ihre… Marotten zu ignorieren. Weiß der Himmel, er war im Krieg mit Schlimmerem zurechtgekommen. Außerdem war Viktoria Schmid jemand, der seine eigenen guten Sitten festlegte — und waren sie erst einmal festgelegt, dann gingen sie so tief wie jede andere Moral, die Unnerbei kennen gelernt hatte.

Was Unterberg betraf… Seine Aufmerksamkeit war schon anderswo. Sein nervöses Zittern ließ ihn alt erscheinen, doch sein Geist war so scharf — oder so unstet — wie eh und je. Er huschte von Idee zu Idee, ohne jemals ganz zur Ruhe zu kommen, wie es bei normalen Leuten der Fall wäre. Der Regen hatte aufgehört, und der Wind wurde heiß und trocken. Als sie ins bergige Gelände einfuhren, warf Unnerbei einen Blick auf seine Uhr und begann zu zählen, mit wie viel Verrücktheiten der andere in den nächsten paar Minuten aufwarten würde. 1. Unterberg zeigte auf den schwer gepanzerten ersten Pflanzenwuchs im Wald und spekulierte darüber, wie die Spinnheit wohl sein könnte, wenn sie nach jedem Dunkel aus Sporen heranwüchse, statt ausgewachsen und mit Kindern aus den Tiefen zu kommen. 2. In der Wolkendecke vor ihnen tat sich ein Spalt auf, zum Glück etliche Meilen seitlich von ihrem Weg. Ein paar Minuten lang ergoss sich das gleißende Weiß des einmal reflektierten Sonnenlichts über sie, von derart hellen Wolken, dass der Wagen einen Schatten warf. Ein Stück oberhalb von ihnen röstete Sonnenlicht den Berghang. Und Scherkaner Unterberg fragte sich, ob man nicht vielleicht ›Wärmefarmen‹ auf den Berggipfeln bauen könnte, um die Temperaturdifferenz zur Stromerzeugung für die Städte weiter unten zu nutzen. 3. Etwas Grünes huschte über die Straße, knapp an ihren Rädern vorbei. Scherkaner musste auch darauf anspringen und sagte etwas über die Evolution und das Automobil. (Und Viktoria bemerkte, solche Evolution könnte in beide Richtungen wirken.) 4. Aber Unterberg hatte einen Einfall, wie man viel schneller und sicherer reisen könnte, als mit Autos oder sogar mit Flugzeugen. »Zehn Minuten von Weißenberg zum Landeskommando, zwanzig Minuten quer durch den Kontinent. Schau mal, man gräbt solche Tunnel entlang der Bögen der kürzesten Reisezeit, pumpt die Luft heraus und lässt die Schwerkraft die Arbeit machen.« Nach Unnerbeis Uhr gab es eine Pause von fünf Sekunden. Dann: »Oh, da gibt’s ein kleines Problem. Die Lösung für die minimale Zeit zwischen Weißenberg und dem Landeskommando würde ziemlich tief gehen… so sechshundert Meilen. Ich könnte wahrscheinlich nicht einmal die Generalin überzeugen, das zu finanzieren.«

»Da hast du Recht!« Und schon waren die beiden in einer ausgiebigen Diskussion über Tunnelbögen auf anderen, nicht optimalen Routen und die Vor- und Nachteile gegenüber Luftverkehr. Die Idee mit den tiefen Tunneln war wirklich blöd, wie sich herausstellte.

Nach einer Weile vergaß Unnerbei, auf die Uhr zu schauen. Zum einen war Scherkaner sehr neugierig, was Unnerbeis Unternehmen für Gerätebau anging. Er war ein guter Zuhörer, und seine Fragen brachten Unnerbei auf Gedanken, die ihm sonst vielleicht nie in den Sinn gekommen wären. Manche davon konnten wirklich Geld einbringen. Eine Menge Geld. Hmm.

Schmid bemerkte: »He, ich will, dass dieser Feldwebel arm ist und eine großzügige Prämie für den Dienstantritt braucht. Führ ihn nicht auf Abwege!«

»Tut mir Leid, Liebe.« Doch es klang nicht sehr nach einer Entschuldigung. »Es ist eine Menge Zeit vergangen, Hrunkner. Ich hätte dich in den letzten Jahren gern öfter gesehen. Erinnerst du dich, seinerzeit, an meine große… äh…«

»Augenblickliche Schnapsidee?«

»Ja, genau!«

»Ich erinnere mich, wie du, als wir uns gerade in dieser Tiertiefe der Basser fertig machten, etwas in der Art murmeltest, das sei das letzte Dunkel, das die Zivilisation jemals im Schlaf verbringen würde. Im Krankenhaus später hast du immer noch davon geredet. Du solltest Science Fiction schreiben, Scherkaner.«

Unterberg winkte leichthin ab, als würdige er ein Kompliment. »Darüber ist tatsächlich geschrieben worden. Aber wirklich, Hrunkner, unser Zeitalter ist das Erste, wo man es wahr machen kann.«

Hrunkner zuckte die Achseln. Er war durch das Große Dunkel gegangen; ihm war noch immer unwohl bei dem Gedanken. »Ich bin sicher, dass es noch eine Menge Expeditionen ins Tiefdunkel geben wird, größer und besser ausgerüstet als unsere. Es ist ein aufregender Gedanke, und ich bin sicher, dass Gen… Major Schmid auch alle möglichen Pläne hat. Ich könnte mir sogar wichtige Schlachten mitten im Dunkel vorstellen.«

»Es ist ein neues Zeitalter, Hrunk. Schau doch, was die Wissenschaft ringsum alles vollbringt.«

Sie fuhren durch die letzte Kurve von trockener Straße und in eine dichte Wand von heißem Regen hinein, das Unwetter, das sie vom Norden her gesehen hatten. Schmid war nicht überrascht. Sie hatten die Fenster fast bis ganz nach oben gekurbelt, und das Auto fuhr nur zwanzig Meilen pro Stunde, als sie hineingerieten. Dennoch fuhr es sich plötzlich unheimlich schlecht, die Fenster wurden schneller undurchsichtig, als die Scheibenwischer das Wasser wegschleudern konnten, der Regen fiel so dicht, dass sie sogar mit den fernroten Regenleuchten kaum den Straßenrand sehen konnten. Der Regen, der durch die Fensterritzen hereinsprühte, war heiß wie Babyspucke. Hinter ihnen glommen zwei Paar fernrote Lichter im Dämmerschein — Schmids Sicherheitsleute schlossen dichter auf.

Es brauchte eine heftige Anstrengung, seine Aufmerksamkeit wieder vom Unwetter draußen abzubringen und sich zu erinnern, was Unterberg gesagt hatte. »Ich weiß vom ›Zeitalter der Wissenschaft‹, Scherk. Das ist ja mein Gebiet im Gerätebau. Beim letzten Schwinden hatten wir Radio, Flugzeuge, Telefone, Tonaufzeichnungen. Sogar während des Wiederaufbaus seit der Neuen Sonne ist dieser Fortschritt weitergegangen. Dein Auto ist eine ungeheure Verbesserung gegenüber dem Relmeitch, den du vor dem Dunkel hattest — und das war damals ein teurer, moderner Wagen.« Und eines Tages hätte Unnerbei gern erfahren, wie Scherkaner ihn sich vom Stipendium eines Studenten hatte leisten können. »Zweifellos ist dies das aufregendste Zeitalter, das zu erleben ich jemals hoffen konnte. Die Flugzeuge werden bald die Schallmauer durchbrechen. Die Krone baut ein landesweites Autobahnnetz. Da stecken doch nicht Sie dahinter, oder, Frau Major?«

Viktoria lächelte. »Nicht nötig. Es gibt mehr als genug Leute in der Quartiermeisterei, die sich darum kümmern. Und das Straßennetz würde auch ganz ohne Unterstützung der Regierung entstehen. Auf diese Weise behalten wir die Kontrolle.«