Und letzten Endes würde es keine Rolle spielen, dass Tomas es nicht verstand. Qiwi lächelte die leere Kunststoffkugel an und stellte sich vor, wie es wäre, wenn die Schöpfung ihres Vaters sie ausfüllte. In zivilisierten Gegenden konnte ein Spitzen-Bonsai den Preis eines ganzen Sternenschiffs bringen. Hier? Nun ja, Qiwi konnte das nebenher machen. Immerhin war es leichtfertig, etwas, das Tomas wahrscheinlich nicht vor sich rechtfertigen konnte. Tomas hatte das Anlegen von Vorräten und den Austausch von Gefälligkeiten verboten. Oh-oh. Vielleicht muss ich eine Weile an ihm vorbei arbeiten. Es war viel einfacher, hinterher die Erlaubnis zu bekommen. Letzten Endes, meinte sie, würde die Dschöng Ho Tomas’ Leute viel stärker verändern als umgekehrt.
Sie begann gerade mit einer neuen Diff-Sequenz, als ein reißendes Geräusch von unten her ertönte, dessen Quelle vom Laub verdeckt wurde. Eine Sekunde lang erkannte Qiwi das Geräusch nicht. Die Bodenluke. Die diente nur zu Bauzwecken. Sie zu öffnen, würde die Moosschicht zerreißen. Verdammt.
Qiwi schwang sich von ihrem kleinen Nest herab und bewegte sich leise nach unten, sorgfältig darauf achtend, dass sie keine Zweige knacken ließ und keinen Schatten auf das Moos am Boden warf. Einzubrechen, während der Park offiziell geschlossen war, war nur ein Ärgernis — ja doch, es war so etwas, das sie auch selber tun würde, wenn ihr danach war. Doch diese Bodenluke sollte nicht geöffnet werden. Es verdarb die Illusion des Parks und beschädigte den Erdboden. Welcher Blödian tat denn so was — insbesondere, wenn man bedachte, wie ernst Aufsteiger offizielle Regeln nahmen?
Qiwi schwebte direkt über dem untersten Laubdach. In einer Sekunde würde der Eindringling zu sehen sein, doch sie hörte ihn bereits. Es war Ritser Brughel. Der Vize-Hülsenmeister kam über das Moos, fluchte und schlug nach etwas in den Büschen. Der Kerl war eine wahre Dreckschleuder. Qiwi war eine eifrige Schülerin solcher Sprache und hatte ihm schon früher zugehört. Brughel war vielleicht der Chef Nummer zwei der Aufsteiger-Expedition — doch er war auch der wandelnde Beweis, dass Aufsteiger-Führer Arschlöcher sein konnten. Tomas schien sich bewusst zu sein, dass der Bursche ein schlechter Schauspieler war; er hatte das Quartier des Vize-Hülsenmeisters vom Felshaufen weg in die Unsichtbare Hand verlegt. Und Brughels Wachrhythmus war derselbe wie eines Großteils der regulären Mannschaft. Während der arme Tomas Jahr für Jahr älter wurde, um die Mission in Sicherheit zu halten, kam Brughel nur für zehn von jeweils vierzig Megasekunden aus dem Kälteschlaf. Qiwi kannte ihn nicht besonders gut — doch was sie von ihm kannte, verabscheute sie. Wenn man diesem Blödmann zutrauen könnte, selber klarzukommen, würde Tomas nicht seine Lebenszeit für uns aufbrauchen. Sie hörte noch einen Moment schweigend zu. Ganz nett. Doch bei ihm war da ein Unterton, den sie in den Obszönitäten der meisten Leute nicht hörte, als ob der Kerl das, was er sagte, buchstäblich meinte.
Qiwi schob sich laut durch die Zweige und hielt sich so, dass sie einen halben Meter ins Freie ragte — ungefähr Auge in Auge mit dem Aufsteiger. »Der Park ist für Wartungsarbeiten geschlossen, Hülsenmeister.«
Brughel zuckte vor Überraschung ein winziges Stück zurück. Eine Sekunde lang schwieg er, während seine blasse rosa Haut auf ausgesprochen komische Art dunkel anlief. »Du unverschämtes kleines… was also machst du hier?«
»Ich mache die Wartungsarbeiten.« Nun ja, zumindest kam das der Wahrheit nahe genug. Jetzt Gegenangriff: »Und was tun Sie hier?«
Brughels Gesicht wurde noch dunkler. Er zog sich hoch, den Kopf zehn Zentimeter über dem von Qiwi. Jetzt schwebten seine Füße auch. »Abschaum hat mir gar keine Fragen zu stellen.« Er trug diesen albernen Stahlstock. Es war ein glattes Metall, in das hier und da etwas mit dunklen Flecken eingeritzt war. Er hielt sich mit einer Hand fest und ließ den Stock in einem glitzernden Bogen herumwirbeln, der den jungen Baum neben Qiwis Kopf zersplittern ließ.
Jetzt wurde auch Qiwi wütend. Sie packte einen von den tieferen Ästen, platzierte sich so, dass sie wieder mit Brughel Auge in Auge war. »Das ist Vandalismus, keine Erklärung.« Sie wusste, dass Tomas den Park überwachen ließ — und Vandalismus war bei den Aufsteigern mindestens ebenso ein Verbrechen wie bei der Dschöng Ho.
Der Hülsenmeister war so wütend, dass ihm das Sprechen Mühe bereitete. »Ihr seid die Vandalen. Dieser Park war schön, schöner, als ich es Abschaum jemals zugetraut hätte. Aber jetzt sabotiert ihr ihn. Ich war gestern hier — ihr habt ihn mit Ungeziefer verseucht.« Er schwang wieder den Metallstock, und der Schlag riss ein Müllnetz fort, das in den Zweigen versteckt war. Die Netzwesen schwebten in alle Richtungen fort und zogen silbrige Fäden hinter sich her. Brughel stocherte in dem Netz herum, rührte Käfergehäuse und tote Blätter und allerlei Abfall zu einer Wolke auf. »Da! Was vergiftet ihr noch so?« Er beugte sich nahe zu ihr hin und schaute von oben her auf sie herab.
Einen Moment lang starrte Qiwi ihn einfach verständnislos an. Er konnte doch wohl nicht meinen, was er sagte. Wie konnte jemand derart dumm sein? Aber vergiss nicht, er ist ein Bodenlatscher. Sie zog sich hoch genug, um ihrerseits auf Brughel herabzublicken, und brüllte ihm ins Gesicht. »Das ist ein Null-g-Park, um Gottes willen! Was, meinen Sie, hält die Luft sauber von herumfliegendem Dreck? Die Müllkäfer sind immer hier gewesen… obwohl sie momentan vielleicht ein bisschen überfordert sind.« Sie hatte es nicht ganz so gemeint, wie es herauskam, doch jetzt schaute sie an dem Hülsenmeister entlang, als denke sie an ein besonders großes Stück Müll.
Sie waren jetzt über den unteren Laubdächern. Aus den Augenwinkeln konnte Qiwi Papa sehen. Der Himmel war grenzenlos blau, hier und da von einem Zweig bewacht. Sie spürte das falsche Sonnenlicht heiß auf dem Hinterkopf. Wenn sie noch ein paar Runden Ich-rauf-du-rauf spielten, würden sie mit den Köpfen an Kunststoff stoßen. Qiwi musste plötzlich lachen.
Und jetzt war Brughel still und starrte sie nur an. Er hieb sich mit dem Stahlstock wieder und wieder in die Handfläche. Es gab Gerüchte über diese dunklen Flecken auf dem Metall; es war offensichtlich, was Ritser Brughel gern wollte, das die Leute über die Herkunft dieser Flecken glaubten. Aber der Kerl betrug sich einfach nicht wie ein Kämpfer. Und wie er so diesen Stock schwang, sah es aus, als hätte er niemals an die Möglichkeit gedacht, es könnte Opfer geben, die sich wehrten. Jetzt eben war sein einziger Halt die Zehe eines Schuhs, die zwischen Zweige gehakt war. Qiwi verschaffte sich unauffällig festen Halt und lächelte ihr unverschämtestes Lächeln.