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Eine Sekunde lang rührte sich Brughel nicht. Sein Blick huschte auf ihr von Seite zu Seite. Und dann, ohne ein weiteres Wort, stieß er sich ab, zappelte einen Moment lang, fand einen Ast und tauchte zur Bodenluke weg.

Qiwi schwebte lautlos, die seltsamsten Gefühle jagten ihren Körper hoch, die Arme hinab. Einen Augenblick lang konnte sie sie nicht bestimmen. Aber der Park… wie wunderbar er ohne Ritser Brughel war! Sie hörte die kleinen Summgeräusche und die Schmetterlinge, wo sie einen Moment vorher ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Wut des Hülsenmeisters verengt hatte. Und jetzt erkannte sie das Vibrieren in ihren Armen und das Rasen ihres Herzens: Zorn und Furcht.

Qiwi Lin Lisolet hatte in ihrem Leben schon genug Leute geneckt und wütend gemacht. Vor dem Flug war es fast ihr Hobby gewesen. Mama sagte, es sei unbewusster Zorn auf den Gedanken, zwischen den Sternen allein zu sein. Doch es hatte auch Spaß gemacht. Dies hier war etwas anderes.

Sie wandte sich wieder dem Nest ihres Vaters in den Bäumen zu. Und im Laufe der letzten Jahre war eine Menge Leute auf sie wütend gewesen. Zu jenen unschuldigen Zeiten hatte Ezr Vinh nahezu der Schlag getroffen. Der arme Ezr, ich wünschte… Doch heute war es anders gewesen. Sie hatte den Unterschied in Ritser Brughels Augen gesehen. Der Mann hatte sie wirklich umbringen wollen, war drauf und dran gewesen, es zu versuchen. Und der einzige Gedanke, der ihn davon abgebracht hatte, war wahrscheinlich gewesen, dass Tomas es erfahren würde. Doch wenn Brughel sie jemals allein erwischen würde, unbeobachtet von den Sicherheitskameras…

Als Qiwi Ali Lin erreichte, zitterten ihre Hände. Papa. Sie wünschte sich so sehr, er möge sie umarmen, das Zittern besänftigen. Ali Lin schaute sie nicht einmal an. Papa war jetzt seit mehreren Jahren fokussiert, doch Qiwi konnte sich an die Zeiten früher so gut erinnern. Früher… wäre Papa bei den ersten Klängen eines Streites unter ihm aus den Bäumen gestürzt gekommen. Er hätte sich zwischen Qiwi und Brughel geworfen, ungeachtet des Stahlknüppels. Jetzt… Qiwi erinnerte sich nicht an viel von den letzten Augenblicken, ausgenommen Ritser Brughel. Doch es gab Bruchstücke. Ali hatte ungerührt zwischen seinen Bildschirmen und Analysegeräten gesessen. Er hatte den Streit gehört, sogar zu ihnen hergeschaut, als das Geschrei laut und heftig wurde. Sein Blick war ungeduldig gewesen, ein vorwurfsvolles ›Lenkt mich nicht ab‹.

Qiwi streckte eine noch immer zitternde Hand aus, um ihn an der Schulter zu berühren. Er zuckte, wie man einen aufdringlichen Käfer verscheuchte. In mancher Hinsicht lebte Papa noch, doch in anderer wirkte er toter als Mama. Tomas sagte, Fokus könnte rückgängig gemacht werden. Aber Tomas brauchte Papa und die anderen Fokussierten so, wie sie jetzt waren. Außerdem war Tomas als Aufsteiger erzogen worden. Sie benutzten Fokus, um aus Menschen Eigentum zu machen. Sie waren stolz, das zu tun. Qiwi wusste, dass es bei der Dschöng Ho viele Überlebende gab, die das ganze Gerede vom ›Rückgängigmachen von Fokus‹ für eine Lüge hielten. Bisher war kein einziger Fokussierter wiederhergestellt worden. Über so etwas Wichtiges würde Tomas nicht lügen.

Und wenn sie und Papa ihre Sache gut genug machten, konnte sie ihn vielleicht umso eher zurückbekommen. Denn das war kein Tod, der ewig dauerte. Sie glitt auf den Sitz neben ihm und begann wieder, die neuen Diffs durchzusehen. Die Prozessoren hatten die ersten Resultate angezeigt, während sie noch mit Ritser Brughel Beleidigungen wechselte.

Papa würde erfreut sein.

Nau traf sich noch immer ungefähr alle Megasekunden mit dem Flottenkomitee. Die Teilnehmer wechselten natürlich von Wache zu Wache erheblich. Ezr Vinh war heute zugegen; es würde sehr interessant sein, die Reaktion des Jungen auf die Überraschung zu sehen, die er geplant hatte. Und Ritser Brughel nahm heute teil, also hatte er Qiwi gebeten, fernzubleiben. Nau lächelte vor sich hin. Verdammt, ich hätte nie geahnt, wie gründlich sie den Mann demütigen kann.

Nau hatte das Komitee mit seinen eigenen Stabsbesprechungen der Aufsteiger kombiniert und nannte das Besprechungen der ›Wach-Verwalter‹. Es lief immer darauf hinaus, dass sie bei all ihren alten Differenzen jetzt zusammen in dieser Sache steckten und nur Zusammenarbeit zum Überleben führen konnte. Die Besprechungen waren nicht so bedeutsam wie Naus private Konsultationen mit Anne Reynolt oder seine Arbeit mit Ritser Brughel und den Sicherheitsleuten. Die kamen oft zwischen den regulären Wachen vor. Dennoch war es nicht gelogen, dass bei diesen Treffen alle Megasekunden wichtige Arbeit getan wurde. Nau zeigte auf die Tagesordnung. »So. Letzter Punkt: Anne Reynolts Expedition zur Sonne. Anne?«

Anne lächelte nicht, als sie ihn korrigierte. »Der Bericht der Astrophysiker, Hülsenmeister. Doch zunächst habe ich eine Beschwerde. Wir brauchen mindestens einen nichtfokussierten Spezialisten auf diesem Gebiet. Sie wissen, wie schwer es ist, technische Ergebnisse einzuschätzen…«

Nau seufzte. Damit war sie ihm auch privat gekommen. »Anne, uns fehlen die Ressourcen. Wir haben nur drei überlebende Spezialisten auf diesem Gebiet.« Und das waren alles Blitzköpfe.

»Ich brauche trotzdem jemanden mit gesundem Menschenverstand für die Einschätzung.« Sie zuckte die Achseln. »Also gut. Ihrer Anweisung gemäß haben wir zwei von den Astrophysikern seit der Zeit vor dem Aufflammen ständig auf Wache gehabt. Vergessen Sie nicht, sie hatten fünf Jahre Zeit, um über diesen Bericht nachzudenken.« Reynolt machte eine Handbewegung in die Luft, und sie schauten auf ein modifiziertes Dschöng-Ho-Taxi. Zusätzliche Treibstofftanks waren an jeder Seite angebracht, und die Vorderseite war ein Wald von Sensorgeräten. Auf einer Seite war über einem Rahmen ein silbernes Schirmsegel aufgespannt. »Unmittelbar vor dem Aufflammen flogen Doktor Li und Doktor Wen mit diesem Flugkörper in eine niedrige Umlaufbahn um den EinAus-Stern.« Ein zweites Fenster zeigte den Abstieg und die schließlich erreichte Umlaufbahn kaum fünfhundert Kilometer über der Oberfläche des Sterns. »Indem sie das Segel richtig ausgerichtet hielten, sind sie in dieser Höhe über einen Tag lang sicher geflogen.«

Eigentlich waren es Jau Xins Piloten-Blitzköpfe gewesen, die geflogen waren. Nau nickte Xin zu. »Das war gute Arbeit, Pilotenverwalter.«

Xin grinste. »Danke, Herr Hülsenmeister. Etwas, das ich meinen Kindern erzählen kann.«

Reynolt ignorierte die Bemerkung. Sie ließ Mehrfach-Fenster aufleuchten, die Ansichten aus geringer Höhe in verschiedenen Spektralauszügen zeigten. »Wir haben es von Anfang an schwer mit der Analyse gehabt.«

Sie hörten jetzt die aufgezeichneten Stimmen der beiden Blitzköpfe. Li stammte von Aufsteigern ab, doch der andere sprach einen Dschöng-Ho-Dialekt. Das musste Wen sein: »Wir wussten immer, dass der EinAus Masse und Dichte eines normalen G-Sterns hat. Jetzt können wir hochauflösende Karten der inneren Temperaturen und Dich…« Dr. Li fiel ihm mit der typischen Dringlichkeit eines Blitzkopfes ins Wort: »Aber wir brauchen mehr Mikrosatelliten… Pfeif auf die Ressourcen. Wir brauchen mindestens zweihundert, die ganze Zeit des Aufflammens über.«

Reynolt hielt den Ton an. »Wir haben ihnen einhundert verschafft.« Weitere Fenster flammten auf, Li und Wen wieder in Hammerfest nach dem Aufflammen, in ständiger Diskussion. Reynolts Berichte waren oft so, ein Hagel von Bildern und Tabellen und Tonfetzen.

Wen redete wieder. Er klang erschöpft. »Sogar im Aus-Zustand waren die zentralen Dichten typisch für einen G-Stern, trotzdem gab es keinen Kollaps. Die Oberflächenturbulenz ist kaum zehntausend Kilometer tief. Wie? Wie? Wie?«

Li: »Und nach dem Aufflammen sieht die tiefe innere Struktur immer noch so aus.«

»Wir können es nicht sicher wissen, wir kommen nicht nahe genug ran.«

»Nein, jetzt sieht es vollkommen typisch aus. Wir haben Modelle…«