Wens Stimme änderte sich wieder. Er sprach schneller, in einem Ton, der nach Frustration klang, fast nach Schmerz: »All diese Daten, und wir haben immer noch dieselben Rätsel wie zuvor. Ich habe jetzt fünf Jahre damit zugebracht, Reaktionswege zu untersuchen, und habe ebenso wenig einen Anhaltspunkt wie die Astronomen im Zeitalter der Morgenröte. Es muss etwas im erweiterten Kern vor sich gehen, sonst gäbe es einen Kollaps.«
Der andere Blitzkopf klang pikiert. »Offensichtlich strahlt der Stern selbst im Aus-Zustand noch, aber er strahlt etwas ab, das sich in geringe Wechselwirkung umwandelt.«
»Aber was? Was? Und wenn es so etwas geben könnte, warum kollabieren die höheren Schichten nicht?«
»Weil die Konversion an der Basis der Photosphäre stattfindet, und die ist kollabiert! Ryop. Ich benutze deine eigene Modellierungs-Software, um das zu zeigen!«
»Nein. Post hoc erfundener Nonsens, nicht besser als in früheren Zeitaltern.«
»Aber ich habe Daten!«
»So? Deine Adiabaten sind…«
Reynolt schaltete den Ton aus. »So haben sie viele Tage weitergemacht. Das meiste davon ist ein privater Jargon, die Sorte Zeug, wie sie ein eng verkoppeltes fokussiertes Paar oft erfindet.«
Nau straffte sich auf seinem Sitz. »Wenn sie nur miteinander sprechen können, haben wir keinen Zugang. Haben Sie sie verloren?«
»Nein. Zumindest nicht auf die übliche Art. Dr. Wen wurde so frustriert, dass er anfing, zufällige Außeneinflüsse zu erwägen. Bei einem normalen Menschen kann das zu Kreativität führen, aber…«
Brughel lachte, aufrichtig amüsiert. »Ihre Astronomen blicken nicht mehr durch, was, Reynolt?«
Reynolt würdigte Brughel keines Blickes. »Schweigen Sie«, sagte sie. Nau bemerkte das Erstaunen der Krämer angesichts dieses Satzes. Ritser war der Zweite in der Befehlskette, der offensichtliche Sadist unter den Herrschenden — und jetzt hatte sie ihn abrupt abgebürstet. Ich frage mich, wann die Krämer es herausfinden werden. Ein finsterer Ausdruck huschte über Brughels Gesicht. Dann wurde sein Grinsen breiter. Er lehnte sich im Stuhl zurück und warf Nau einen amüsierten Blick zu. Anne fuhr ohne zu stocken fort: »Wen zog sich von dem Problem zurück, setzte es in immer breitere Zusammenhänge. Anfangs hatte das noch einigen Bezug zur Fragestellung.«
Wens Stimme erklang wieder, so eilig und monoton wie zuvor. »Die galaktische Umlaufbahn von EinAus. Ein Anhaltspunkt.« Die vermutliche galaktische Bahnkurve des Sterns — unter der Annahme, dass es keine nahen Passagen an anderen Sternen gegeben hatte — flammte in einem Fenster auf. Anne stützte sich auf die Notizbücher des Mannes. Die Zeichnung reichte eine halbe Milliarde Jahre zurück. Es war die typische Blütenblatt-Kurve eines Sterns der Halo-Population: Alle zweihundert Millionen Jahre drang der EinAus-Stern in das verborgene Herz der Galaxis ein. Von dort zog er immer weiter hinaus, bis die Sterne rar wurden und die intergalaktische Dunkelheit begann. Tomas Nau war kein Astronom, doch er wusste, dass Sterne der Halo-Population keine brauchbaren Planetensysteme haben und daher selten besucht werden. Doch das war gewiss die kleinste von den Absonderlichkeiten des EinAus-Sterns.
Irgendwie hatte sich der Blitzkopf von der Dschöng Ho total auf die galaktische Umlaufbahn des Sterns fixiert. »Dieses Ding — es kann kein Stern sein — hat das Herz Von Allem gesehen. Wieder und wieder und wieder…« Reynolt überging etwas, das eine lange, ausweglose Schleife im Denken des armen Wen sein musste. Die Stimme des Blitzkopfes war vorübergehend ruhiger: »Anhaltspunkte. Es gibt jede Menge Anhaltspunkte, wirklich. Physik hin, Physik her, es genügt, die Lichtkurve zu betrachten. Zweihundertundfünfzehn von zweihundertfünfzig Jahren strahlt er weniger wahrnehmbare Energie ab als ein brauner Zwerg.« Die Fenster, die Wens Gedanken begleiteten, huschten von Idee zu Idee, Bilder von braunen Zwergen, die viel schnelleren Schwingungen, die die Physiker für die ferne Vergangenheit des Stern extrapoliert hatten. »Es geschehen Dinge, die wir nicht sehen. Aufflammen, eine Lichtkurve mit leichter Ähnlichkeit zu der einer periodischen Q-Nova, die in ein paar Megasek zu einem Spektrum absinkt, das fast einem erklärlichen Stern gehören könnte, der einen Fusionskern umgibt. Und dann verblasst das Licht langsam wieder auf Null… oder wird zu etwas, das wir nicht sehen können. Das ist überhaupt kein Stern! Es ist Zauberei. Eine Zaubermaschine, die jetzt kaputt ist. Ich wette, es war einmal ein Generator für schnelle Rechteckwellen. Das ist es! Zauberei aus dem Herzen der Galaxis, jetzt kaputt, sodass niemand sie versteht.«
Die Tonaufzeichnung endete abrupt, und Wens Kaleidoskop von Fenstern erstarrte mitten im hektischen Wechsel. »Dr. Wen ist in diesem Ideenzyklus zehn Megasekunden lang völlig gefangen gewesen«, sagte Reynolt.
Nau wusste schon, worauf das hinauslief, machte aber trotzdem ein besorgtes Gesicht. »Und was bleibt uns?«
»Dr. Li macht sich gut. Er war im Begriff, in seinen eigenen Zyklus von Gegenargumenten zu rutschen, bis wir ihn von Wen trennten. Jetzt aber… nun ja, er ist auf Dschöng-Ho-Software zur Systemidentifikation fixiert. Er hat ein ungeheuer komplexes Modell, das zu allen Beobachtungen passt.« Weitere Bilder, Lis Theorie von einer neuen Familie subatomarer Teilchen. »Dr. Li dringt in das kognitive Territorium vor, das Hunte Wen monopolisiert hat, doch er kommt zu ganz anderen Ergebnissen.«
Lis Stimme: »Ja. Ja! Mein Modell sagt voraus, dass Sterne wie dieser in der Nähe des galaktischen Lochs sehr häufig vorkommen müssen. Sehr, sehr selten treten sie in Wechselwirkung, eine stark gekoppelte Explosion. Das Ergebnis wird aus dem Galaxiskern ausgestoßen.« Natürlich war Lis Bahn nach der angenommenen Explosion mit der von Wen identisch. »Ich kann allen Parametern gerecht werden. Im Staub des Kerns können wir keine blinkenden Sterne sehen, sie sind nicht hell und sehr hochfrequent. Aber einmal in einer Milliarde Jahre bekommen wir diese asymmetrische Zerstörung und einen Ausstoß.« Bilder der hypothetischen Explosion des hypothetischen Zerstörers von EinAus. Bilder, wie das ursprüngliche Planetensystem von EinAus weggesprengt wurde — ausgenommen einen winzigen geschützten Schatten auf der vom Zerstörer abgewandten Seite von EinAus.
Ezr Vinh beugte sich vor. »Gott, er hat so ziemlich alles erklärt.«
»Ja«, sagte Nau. »Sogar die Spezifik als Ein-Planeten-System.« Er wandte sich von dem Gewirr von Fenstern ab und schaute Anne an. »Also, was meinen Sie?«
Reynolt zuckte die Achseln. »Wer weiß? Darum brauchen wir einen unfokussierten Spezialisten, Hülsenmeister. Dr. Li breitet sein Netz immer weiter aus. Das kann ein Symptom einer klassischen Patenterklärungs-Falle sein. Und seine Teilchentheorie ist umfangreich; es kann eine Shannonsche Tautologie sein.« Sie hielt inne. Anne Reynolt war völlig außerstande, Publikumswirkung zu erzielen. Nau hatte seine Frage so arrangiert, dass die Bombe bei ihr als Letztes kam: »Diese Teilchentheorie liegt allerdings in seinem zentralen Fachgebiet. Und sie hat Konsequenzen, vielleicht einen schnelleren Staustrahlantrieb.«
Etliche Sekunden lang sagte niemand ein Wort. Die Dschöng Ho bastelte seit Jahrtausenden an ihren Triebwerken, selbst seit der Zeit vor Pham Nuwen. Sie hatte Erkenntnisse von Hunderten von Zivilisationen gestohlen. In den letzten tausend Jahren hatte sie eine Verbesserung von weniger als einem Prozent erreicht. »Gut, gut, gut.« Tomas Nau wusste, welch gutes Gefühl es war, hoch zu spielen — und zu gewinnen. Selbst die Krämer grinsten wie Idioten. Er ließ die guten Gefühle hin und her durch den Raum strömen. Es war eine sehr gute Nachricht, selbst wenn sie sich erst am Ende der Verbannung bezahlt machte. »Das macht unsere Astrophysiker zu einem wertvollen Gut. Können Sie etwas mit Wen unternehmen?«
»Hunte Wen ist nicht wiederherstellbar, fürchte ich.« Sie öffnete ein Fenster mit medizinischen Darstellungen. Für einen Dschöng-Ho-Arzt hätte es vielleicht wie eine einfache Gehirndiagnostik ausgesehen. Für Anne Reynolt war es eine strategische Karte. »Sehen Sie, die Verbindung hier und hier ist der Arbeit am EinAus zugeordnet; ich habe das nachgewiesen, indem ich einen Teil davon fehlabgestimmt habe. Wenn wir versuchen, ihn aus seiner Fixierung zu lösen, löschen wir die Arbeit seiner letzten fünf Jahre — wie auch einen Großteil der Verbindungen zu seinem allgemeinen Fachwissen. Vergessen Sie nicht, Fokus-Chirurgie ist größtenteils Arbeit nach Gefühl — mit einer Trennschärfe von höchstens einem Millimeter.«