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Er führte den Vize-Hülsenmeister um das fernere Ende der Sargreihen herum, und sie gingen den zweiten Gang zurück. Die Datenbrille meldete überall Grün, obwohl wie üblich die Aufsteiger-Särge hohen Verschleiß zeigten. Nun ja. In ein paar Jahren hatten sie vielleicht nicht mehr genug brauchbare Särge, um einen bequemen Wachplan beizubehalten. Auf sich allein gestellt, konnte eine Sternenflotte keine andere Sternenflotte bauen, nicht einmal sich selbst auf unbegrenzte Zeit mit hoch stehender Technik versorgen. Es war ein altes, altes Problem: Um die fortgeschrittensten technischen Erzeugnisse herzustellen, braucht man eine ganze Zivilisation — eine Zivilisation mit all ihren Geflechten von Fachwissen und Schichten von Großindustrie. Es gab keine Abkürzungen; die Menschheit hatte sich ein Universal-Montagesystem oft vorgestellt, aber nie eins geschaffen.

Ritser wirkte jetzt ruhiger, seine verzweifelte Wut war dem Nachdenken gewichen. »… Gut. Wir opfern eine Menge, doch am Ende kehren wir als Sieger heim. Trotzdem… warum muss es so eitrig lange dauern? Wir sollten glatt in so einem Spinnen-Königreich landen, dann übernehmen wir…«

»Sie haben eben erst die Elektronik wiedererfunden, Ritser. Wir brauchen mehr…«

Der Vize-Hülsenmeister schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ja, ja. Natürlich. Wir brauchen eine solide industrielle Basis. Ich weiß das wahrscheinlich besser als Sie; ich war Hülsenmeister in den Lorbita-Werften. Nur ein umfassender Wiederaufbau kann unsere Ärsche retten, weniger nicht. Aber das ist noch kein Grund, uns hier bei L1 zu verstecken. Wenn wir ein Spinnenland in unsere Gewalt bringen — vielleicht, indem wir einfach so tun, als ob wir uns mit ihnen verbünden —, könnten wir die Sache beschleunigen.«

»Stimmt, aber das eigentliche Problem ist, die Kontrolle zu behalten. Da ist die richtige Zeitplanung das A und O. Sie wissen, dass ich bei der Eroberung des Gaspr dabei war. Genauer gesagt, in der Frühphase nach der Eroberung; wäre ich bei der ersten Flotte gewesen, besäße ich jetzt Millionen.« Nau verbarg nicht den Neid in seiner Stimme; es war eine Vision, die Brughel verstehen würde. Gaspr war ein Hauptgewinn gewesen. »Gott, was diese erste Flotte geschafft hat! Es waren nur zwei Schiffe, Ritser! Stell dir das vor. Sie hatten nur fünfhundert Blitzköpfe — weniger, als wir haben. Doch sie saßen da und lauerten, und als Gaspr wieder ins Informationszeitalter eintrat, hatten sie jedes einzelne Datensystem auf dem Planeten unter Kontrolle. Die Beute fiel ihnen einfach in den Schoß!« Nau schüttelte den Kopf und verscheuchte die Vision. »Ja. Wir könnten versuchen, die Spinnen jetzt zu erobern. Aber von unserer Seite wäre es größtenteils ein Vabanquespiel — gegen Fremdwesen, die wir nicht verstehen. Wenn wir uns verrechneten, wenn wir in eine Guerilla gerieten, könnten wir alles sehr schnell an den Baum setzen… Wir würden wahrscheinlich ›gewinnen‹, aber aus einer Wartezeit von dreißig Jahren könnten leicht fünfhundert werden. Für diese Art Versagen gibt es einen Präzedenzfall, Ritser, er stammt allerdings nicht aus unserer Seuchenzeit. Kennen Sie die Geschichte von Canberra?«

Brughel hob die Schultern. Canberra war vielleicht die mächtigste Zivilisation im Menschenraum, aber viel zu weit entfernt, um ihn zu interessieren. Wie bei vielen Aufsteigern war Brughels Interesse für das fernere Universum minimal.

»Vor dreitausend Jahren war Canberra mittelalterlich. Wie, beim Gaspr, hatte sich diese ursprüngliche Kolonie in die totale Barbarei gebombt, nur dass die Canberrer noch nicht einmal wieder auf halbem Wege zurück zur Zivilisation waren. Eine kleine Dschöng-Ho-Flotte flog dorthin; infolge eines verrückten Irrtums glaubten sie, die Canberrer hätten noch eine Gewinn bringende Zivilisation. Das war der erste große Fehler der Krämer. Der zweite bestand darin, dort herumzulungern; sie versuchten, mit den Canberrern so, wie sie waren, Handel zu treiben. Die Dschöng Ho hatte die gesamte Macht, sie konnte die primitiven Gesellschaften von Canberra zu allem veranlassen, was sie wollte.«

Brughel grunzte. »Ich sehe, worauf das hinausläuft. Aber die Einheimischen dort scheinen viel primitiver gewesen zu sein als das, was wir hier haben.«

»Ja, aber es waren Menschen. Und die Dschöng Ho hatte viel bessere Ressourcen. Jedenfalls schlossen sie ihre Bündnisse. Sie trieben die einheimische Technik so rasch voran, wie sie nur konnten. Sie schickten sich an, die Welt zu erobern. Und es gelang ihnen tatsächlich. Doch jeder Schritt zermürbte sie. Die ursprüngliche Besatzung verbrachte ihr Alter in steinernen Burgen. Sie hatten nicht einmal mehr Kälteschlaf. Die Hybridzivilisation von Krämern und Einheimischen wurde schließlich sehr fortschrittlich und mächtig — doch für die ursprünglichen Kolonisten war es zu spät.«

Der Hülsenmeister und sein Vize waren fast wieder am Haupteingang. Brughel schwebte voraus und drehte sich langsam, sodass er die Wand wie ein Deck berührte, mit den Füßen zuerst. Er schaute mit einem durchdringenden Ausdruck hinauf zu dem herabkommenden Nau.

Nau landete, ließ den Greiffilz seiner Schuhe den Rückstoß auffangen. »Denk nach über das, was ich gesagt habe, Ritser. Unser Exil hier ist wirklich notwendig, und der Gewinn ist so großartig, wie Sie es sich nur je vorgestellt haben. In der Zwischenzeit wollen wir an dem arbeiten, was dir zu schaffen macht. Ein Hülsenmeister sollte nichts zu leiden haben.«

Das Gesicht des Jüngeren sah überrascht und dankbar aus. »D-danke, Herr Hülsenmeister. Ein bisschen Hilfe hin und wieder — mehr brauche ich nicht.« Sie redeten noch ein paar Augenblicke und regelten die notwendigen Kompromisse.

Auf dem Rückweg von der Suivire hatte Tomas etwas Zeit zum Nachdenken. Vom Taxi aus gesehen war der Felshaufen ein glitzerndes Gewirr vor ihm, der Himmel ringsum gesprenkelt mit den unregelmäßigen Formen von Temps und Lagerhallen und Sternenschiffen, die den Haufen umkreisten. Zur Zwischenwache sah er hier keine Anzeichen von menschlicher Bewegung. Sogar Qiwis Arbeitsgruppen waren außer Sicht, wahrscheinlich auf der Schattenseite des Haufens. Weit jenseits der Diamantberge schwebte die Arachna in glorreicher Isolation. Ihr großer Ozean zeigte heute wolkenlose Flecken. Die tropische Konvergenzzone hob sich klar vom Blau ab. Immer mehr sah die Spinnenwelt wie die archetypische Mutter Erde aus, eine Welt unter tausend, wo Menschen landen und gedeihen konnten. Sie würde noch rund dreißig Jahre lang wie ein Paradies aussehen — bis ihre Sonne wieder einmal allmählich ausging. Und bis dahin wird sie uns gehören.

Gerade hatte er diesen Enderfolg ein wenig wahrscheinlicher gemacht. Er hatte ein Rätsel gelöst und ein unnötiges Risiko vermieden. Tomas’ Mund verzog sich zu einem unfrohen Lächeln. Ritser hatte ziemlich Unrecht, wenn er glaubte, es sei leicht, Alan Naus erster Neffe zu sein. Gewiss, Alan Nau hatte Tomas bevorzugt. Es war von Anfang an klar, dass Tomas die Vorherrschaft der Naus über den Aufstieg fortführen würde. Das war ein Teil des Problems, denn dadurch wurde Tomas zu einer großen Bedrohung für den älteren Nau. Die Nachfolge wurde — selbst in Hülsenmeister-Familien — meistens durch Mord angetreten. Doch Alan Nau war schlau gewesen. Er wollte durchaus, dass sein Neffe die Linie fortführte — doch erst, nachdem Alan so lange gelebt und geherrscht hatte, wie die Natur es erlaubte. Tomas Nau das Kommando über die Expedition zum EinAus-Stern zu geben, war ein Stück staatsmännischer Kunst, das sowohl den Herrscher als auch den designierten Nachfolger rettete. Tomas Nau würde über zwei Jahrhunderte lang von der Weltbühne verschwunden sein. Wenn er zurückkehrte, dann konnte er durchaus die Ressourcen mitbringen, um die Familienherrschaft der Naus fortzusetzen.

Tomas hatte sich oft gefragt, ob Ritser Brughel nicht vielleicht eine subtile Art Sabotage war. Daheim war der Bursche als gute Wahl für den Posten des Vize-Hülsenmeisters erschienen. Er war jung, und er hatte bei der Säuberung der Lorbita-Werften gute Arbeit geleistet. Er war von Frenkischer Abstammung; seine Eltern hatten zu den ersten Unterstützern von Alan Naus Invasion gehört. Soweit irgend möglich, versuchte der Aufstieg jede neue Eroberung mit denselben Belastungen zu transformieren, die die Seuchenzeit für die Balacrea gebracht hatte: die Megatoten, die Geistfäule, die Etablierung einer Klasse von Hülsenmeistern. Der junge Ritser hatte sich an jede Anforderung der neuen Ordnung angepasst.