Выбрать главу

Doch seit sie dieses Exil begonnen hatten, war er ein verdammt eitermäßiger Querschläger: sorglos, schlampig, fast unverschämt. Ein Teil davon war die ihm zugewiesene Rolle als der Grobe, doch Ritser schauspielerte nicht. Er war verschlossen und unkooperativ geworden. Der Schluss drängte sich auf: Die Feinde der Nau-Familie waren schlaue, auf lange Zeit planende Leute. Vielleicht hatten sie irgendwie einen Agenten an Onkel Alans Sicherheitsleuten vorbeigeschmuggelt.

Heute waren das Rätsel und der Verdacht aufeinandergeprallt. Und ich finde keine Sabotage, nicht einmal Unfähigkeit. Sein Vize-Hülsenmeister hatte einfach gewisse frustrierte Bedürfnisse und war zu stolz gewesen, davon zu reden. Seinerzeit in der Zivilisation wäre es ein Leichtes gewesen, diese Bedürfnisse zu befriedigen; das gehörte zu den normalen, wenn auch nicht allgemein bekannten Geburtsrechten eines jeden Hülsenmeisters. Hier in der Wildnis, nahezu schiffbrüchig… hier sah sich Ritser vor echten Schwierigkeiten.

Das Taxi glitt über die höchsten Spitzen von Hammerfest und sank in die Schatten darunter.

Brughel zufriedenzustellen, würde schwierig sein; der Jüngere würde einige echte Zurückhaltung üben müssen. Tomas ging bereits die Listen der Besatzung und der Blitzköpfe durch. Ja, ich kriege das hin. Und es würde sich lohnen. Ritser Brughel war der einzige andere Hülsenmeister im Umkreis von zwanzig Lichtjahren. Die Hülsenmeister-Klasse war oft in sich tödlich, doch es bestand ein Band zwischen ihnen. Jeder von ihnen kannte die verborgenen, harten Strategien. Jeder von ihnen verstand die wahren Tugenden des Aufstiegs. Ritser war jung, noch dabei, zu sich selbst zu finden. Wenn die richtige Beziehung hergestellt werden konnte, würden sich andere Probleme besser behandeln lassen.

Und am Ende konnte ihr Erfolg sogar noch größer sein, als er Ritser gesagt hatte. Er konnte größer sein, als es sich Onkel Alan träumen ließ. Es war eine Vision, die Tomas selbst vielleicht entgangen wäre, wäre da nicht dieses erste Treffen mit den Krämern gewesen.

Onkel Alan respektierte ferne Drohungen; er hatte die balacreanischen Traditionen der Sendesicherheit fortgeführt. Doch selbst Onkel Alan schien nie begriffen zu haben, dass sie die Tyrannen über einen lächerlich winzigen Teich spielten: Balacrea, Frenk, Gaspr. Nau hatte Ritser Brughel gerade von der Gründung von Canberra erzählt. Es gab bessere Beispiele, die er hätte verwenden können, doch Canberra gehörte zu Tomas Naus Favoriten. Während seinesgleichen die Geschichte des Aufstiegs bis zum Abwinken studierte und triviale Nuancen zu den Strategien hinzufügte, hatte Tomas Nau die Geschichte des Menschenraums studiert. Im Großen gesehen, war sogar eine Katastrophe wie die Seuche etwas ganz Gewöhnliches. Die Eroberer in der Geschichte der verschiedenen Welten ließen die Bühne der Balacrea winzig erscheinen. Also war Tomas Nau mit tausend weit entfernten Strategen vertraut, von Alexander von Makedonien bis zu Tarf Lu… bis zu Pham Nuwen. Von ihnen allen war Pham Nuwen Naus zentrales Vorbild, der Größte von der Dschöng Ho.

In gewissem Sinne hatte Nuwen die moderne Dschöng Ho erschaffen. Die Sendungen der Krämer schilderten Nuwens Leben einigermaßen ausführlich, doch sie waren geschönt. Es gab andere Versionen, widersprüchliche Gerüchte zwischen den Sternen. Jeder Aspekt seines Lebens lohnte das Studium. Pham Nuwen war kurz vor der Landung der Dschöng Ho auf Canberra geboren worden. Das Kind Nuwen war von außen in die Dschöng Ho gekommen… und hatte sie verwandelt. Für ein paar Jahrhunderte führte er die Krämer zum Imperium, dem größten Imperium, das man je gekannt hatte. Und wie bei Alexander war sein Imperium nicht von Dauer gewesen.

Der Mann war ein Genie der Eroberung und der Organisation gewesen. Er verfügte einfach nicht über alle notwendigen Werkzeuge.

Nau warf einen letzten Blick auf die himmelblaue Schönheit der Arachna, während sie hinter die Türme von Hammerfest glitt. Er hatte jetzt einen Traum. Bisher war es ein Traum, den er nur sich selbst eingestand. In ein paar Jahren würde er eine nichtmenschliche Rasse unterwerfen, eine Rase, die einst zwischen den Sternen geflogen war. In ein paar Jahren würde er die tiefsten Geheimnisse der Flottenautomatik der Dschöng Ho ergründen. Mit alledem könnte er Pham Nuwen gleichkommen. Mit alledem könnte er ein Imperium schaffen. Doch Tomas Naus Traum reichte weiter, denn er besaß bereits ein Werkzeug imperialer Herrschaft, das Pham Nuwen und Tarf Lu und all den anderen gefehlt hatte: Fokus.

Die Erfüllung seines Traums lag ein halbes Leben von ihm entfernt, jenseits des Exils und tödlicher Bedrohungen, von denen er vielleicht noch keine Vorstellung hatte. Manchmal fragte er sich, ob es verrückt sei, zu glauben, er könnte an dieses Ziel gelangen. Ach, aber der Traum brannte so hell in seinem Geist:

Mit Fokus würde Tomas Nau vielleicht festhalten können, was er in die Hände bekam. Tomas Naus Aufstieg würde ein einziges Imperium sein, das sich über den gesamten Menschenraum erstreckte. Und dasjenige, welches blieb.

Siebzehn

Offiziell existierte Benny Wens Biersalon natürlich nicht. Benny hatte sich etwas leeren Versorgungsraum zwischen den inneren Ballons geschnappt. In ihrer Freizeit hatten er und sein Vater ihn nach und nach mit Möbeln bestückt, einem Null-g-Billard, Bildtapete. Man sah immer noch die Versorgungsleitungen aus den Wänden ragen, doch sogar die waren mit bunter Folie bedeckt.

Wenn seine Wache an der Reihe war, verbrachte Pham Trinli seine Zeit damit, hier herumzuhängen. Und es hatte mehr Freizeit gegeben, seit er die L1-Stabilisierung vermurkst und Qiwi Lisolet das übernommen hatte.

Das Aroma von Hopfen und Gerste traf Pham sogleich hinter der Tür. Ein Schwarm Biertröpfchen trieb nahe an seinem Ohr vorbei, huschte dann in den Reinigungsventilator neben der Tür.

»He, Pham, wo, zum Teufel, warst du? Schnapp dir ’nen Sitz.« Seine üblichen Kumpel saßen größtenteils an der Deckenseite des Spielraumes. Pham winkte ihnen zu und glitt durch den Raum, um an der anderen Seite Platz zu nehmen. Das bedeutete, dass er seitlich zu den anderen blickte, doch so üppig war es hier nicht mit dem Platz.

Trud Silipan winkte durch den Raum zu der Stelle, wo Benny an der Bar schwebte. »Wo bleiben das Bier und die Frillen, Benny? He, und tu ein großes für das militärische Genie hier dazu!«

Alle lachten, obwohl Phams Reaktion eher ein entrüstetes Schnaufen war. Er hatte hart daran gearbeitet, der Aufschneider zu sein. Man wollte eine Geschichte von kühnen Taten hören? Da brauchte man Pham Trinli nur länger als hundert Sekunden zuzuhören. Freilich, wenn man selber eine Spur echte Weltenerfahrung hatte, sah man, dass die Geschichten größtenteils Schwindel waren — und wenn nicht, dann gehörte die Heldenrolle jemand anders. Er blickte sich im Raum um. Wie üblich waren über die Hälfte der Kunden Aufsteiger aus der Gefolgsleute-Klasse, doch die meisten Gruppen enthielten ein paar von der Dschöng Ho. Es waren über sechs Jahre seit dem Aufflammen vergangen, seit der ›Diemschen Gräueltat‹. Für viele von ihnen waren das fast zwei Jahre Lebenszeit. Die Überlebenden von der Dschöng Ho hatten daraus gelernt und sich angepasst. Sie waren nicht direkt assimiliert, doch wie Pham Trinli waren sie ein integraler Bestandteil des Exils geworden.