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Sura sah fast genauso wie vor ihrem Kälteschlaf aus, außer dass sie jetzt auf sonderbare Weise jünger wirkte. Eines Tages wurde er gewahr, wie sie ihn anstarrte.

»Was ist?«, fragte Pham.

Sura grinste. »Ich habe nie ein Kind auf einem langen Flug gesehen. Wie alt bist du jetzt, fünfzehn Canberra-Jahre? Bret sagt, du hast eine Menge gelernt.«

»Ja. Ich werde einer von der Dschöng Ho.«

»Hmm.« Sie lächelte, doch es war nicht das herablassende, Sympathie ausstrahlende Lächeln, an das sich Pham erinnerte. Sie freute sich wirklich, und sie zweifelte nicht an seiner Behauptung. »Da musst du unheimlich viel lernen.«

»Ich habe unheimlich viel Zeit dazu.«

Diesmal blieb Sura Vinh ganze vier Jahre lang auf Wache. Bret Trinli verlängerte seine Wache und blieb das erste Jahr davon auch wach. Die drei streiften durch jeden zugänglichen Kubikmeter der Reprise: das Krankenrevier und die Särge, das Steuerdeck, die Treibstofftanks. Die Reprise hatte fast zwei Millionen Tonnen Wasserstoff verbrannt, um Staustrahlgeschwindigkeit zu erreichen. Im Grunde war sie jetzt eine große, fast leere Hülle. »Und ohne eine Menge Wartungsarbeiten am Ziel wird dieses Schiff nie mehr fliegen.«

»Ihr könntet auftanken, selbst wenn es am Ziel nur Gasriesen gäbe. Sogar ich könnte mit den Programmen dafür umgehen.«

»Ja doch, und genau das haben wir bei Canberra gemacht. Doch ohne eine Überholung kommen wir nicht weit und sind aufgeschmissen, wenn wir dort sind.« Sura hielt inne, fluchte halblaut. »Diese verdammten Idioten. Warum sind sie zurückgeblieben?« Sura schien festzustecken zwischen ihrem Zorn auf die Schiffsmeister, die zur Eroberung Canberras zurückgeblieben waren, und ihrem Schuldgefühl, dass sie sie im Stich gelassen hatte.

Bret Trinli brach das Schweigen. »Nimm dir das nicht so zu Herzen. Sie riskieren viel, aber wenn sie gewinnen, kriegen sie die Kunden, auf die wir alle dort gehofft haben.«

»Ich weiß — und wir kommen in Namqem garantiert mit leeren Händen an. Ich wette, wir verlieren die Reprise.« Sie schüttelte sich, schob sichtlich die Sorgen fort, die immer an ihr zu nagen schienen. »Schön, bis dahin werden wir ein neues ausgebildetes Besatzungsmitglied erwerben.« Sie bedachte Pham mit einem spöttischen Lächeln. »Welches Spezialgebiet benötigen wir am dringendsten, Bret?«

Trinli rollte mit den Augen. »Du meinst, welches uns am meisten Gewinn bringt? Natürlich Archäologieprogrammierer.«

Die Frage war, ob ein hinterwäldlerisches Kind wie Pham Nuwen das jemals werden konnte. Inzwischen konnte der Junge fast alle Standard-Schnittstellen verwenden. Er hielt sich sogar für einen Programmierer und potentiellen Schiffsmeister. Mit den Standard-Schnittstellen konnte man die Reprise steuern, auf eine Planetenbahn einschwenken, die Kälteschlafsärge überwachen…

»Und wenn etwas schiefgeht, bist du tot, tot, tot«, beendete Sura die Rezitation von Phams Fähigkeiten. »Junge, du musst etwas lernen. Diesen Denkfehler machen Kinder in der Zivilisation auch häufig. Computer und Programme haben wir seit dem Beginn der Zivilisation, sogar noch vor der Raumfahrt. Sie können manches, aber manches können sie nicht. Sie finden keinen Ausweg aus einer unvorhergesehenen Bredouille und bringen nichts wirklich Kreatives zu Stande.«

»Aber… ich weiß, dass das nicht stimmt. Ich spiele gegen die Rechner. Wenn ich eine hohe Schwierigkeit einstelle, gewinne ich nie.«

»Das liegt bloß daran, dass Computer einfache Dinge sehr schnell tun. Es gibt nur eine wesentliche Hinsicht, in der man Computer klug nennen könnte. Sie enthalten Jahrtausende an Programmen und können die meisten davon laufen lassen. In gewissem Sinne erinnern sie sich an jeden schlauen Trick, den die Menschheit jemals erfunden hat.«

Bret Trinli schniefte abschätzig. »Zusammen mit all dem Unsinn.«

Sura zuckte die Achseln. »Natürlich. Schau mal. Wie stark ist unsere Besatzung — wenn wir in einem System und alle wach sind?«

»Eintausendunddreiundzwanzig«, sagte Pham. Er hatte längst jede physische Kennziffer der Reprise und dieser Reise gelernt.

»Gut. Nehmen wir nun an, du bist Lichtjahre von allem entfernt…«

Trinli: »Das brauchen wir nicht anzunehmen, es ist die reine Wahrheit.«

»… und etwas geht schief. Man braucht vielleicht zehntausend menschliche Fachgebiete, um ein Raumschiff zu bauen, und das auf der Grundlage einer riesigen Industrie. Eine Schiffsbesatzung kann unmöglich alles Notwendige wissen, um das Spektrum eines Sterns zu analysieren, einen Impfstoff gegen eine ausgefallene Veränderung in der Baktrei herzustellen und jede Mangelkrankheit zu verstehen, mit der wir es zu tun bekommen können…«

»Ja«, sagte Pham. »Deswegen haben wir die Programme und die Computer.«

»Deswegen können wir ohne sie nicht überleben. Jahrtausende hindurch sind die Rechnerspeicher mit Programmen gefüllt worden, die weiterhelfen können. Doch wie Bret sagt — viele von diesen Programmen sind Lügen, alle haben sie Bugs, und nur die auf dem obersten Niveau entsprechen genau unseren Bedürfnissen.« Sie hielt inne, schaute Pham vielsagend an. »Es braucht einen schlauen und bestens ausgebildeten Menschen, um sich anzuschauen, was zur Verfügung steht, die richtigen Programme auszuwählen und abzuwandeln und dann die Ergebnisse zutreffend zu deuten.«

Pham schwieg einen Moment lang und dachte an all die Gelegenheiten zurück, wo der Rechner nicht das getan hatte, was er eigentlich wollte. Es war nicht immer Phams Schuld. Die Programme, die die Sprache von Canberra in Nese zu übersetzen versuchten, waren Müll. »Also… ich soll also lernen, wie man etwas Besseres programmiert.«

Sura grinste, und von Bret kam ein kaum unterdrücktes Kichern. »Wir werden zufrieden sein, wenn du ein guter Programmierer wirst und dann lernst, das schon vorhandene Material zu gebrauchen.«

Jahrelang lernte Pham Nuwen programmieren/nutzen. Das Programmieren war so alt wie die Zeit. Es ähnelte ein wenig dem Abfallhaufen hinterm Schloss seines Vaters. Wo der Bach ihn weggeschwemmt hatte, zehn Meter tiefer, lagen die zerbeulten Wracks von Maschinen — von Flugmaschinen, wie die Bauern sagten — aus der großen Zeit von Canberras ursprünglicher Kolonisation. Doch der Abfallhaufen war sauber und frisch im Vergleich zu dem, was im lokalen Netz der Reprise lag. Es waren Programme darunter, die vor fünftausend Jahren geschrieben worden waren, noch ehe die Menschheit auch nur die Erde verlassen hatte. Das Wunderbare daran — das Entsetzliche, wie Sura sagte — war, dass diese Programme im Unterschied zu den nutzlosen Wracks auf Canberra immer noch funktionierten! Und über eine Billion Vererbungslinien in den Schaltkreisen liefen viele von den ältesten Programmen noch immer in den Eingeweiden des Dschöng-Ho-Systems. Beispielsweise die Zeitmessung der Kauffahrer. Die Rahmenkorrekturen waren unglaublich komplex — und ganz tief am Grunde lag ein kleines Programm, das einen Zähler laufen ließ. Sekunde für Sekunde zählte die Dschöng Ho von dem Augenblick an, als zum ersten Mal ein Mensch den Fuß auf den Mond der Alten Erde gesetzt hatte. Wenn man es jedoch noch genauer betrachtete, dann lag der Startzeitpunkt eigentlich rund fünfzehn Millionen Sekunden später, die Sekunde Null für eines der ersten Computer-Betriebssysteme der Menschheit.

Unter den Schnittstellen des obersten Niveaus lagen also Schichten über Schichten von Dienstprogrammen. Ein Teil dieser Software war für krass unterschiedliche Situationen entworfen worden. Immer wieder einmal führten die Inkonsistenzen zu verhängnisvollen Unfällen. Im Gegensatz zu den romantischen Raumfahrtgeschichten wurden die häufigsten Unfälle einfach von uralten, missbrauchten Programmen verursacht, die sich schließlich rächten.