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Schließlich sprach Scherkaner. »Die Generalin hat dich sehr gern, Hrunk. Du warst ihr liebster Waffenkupp — mehr noch, du warst anständig ihr gegenüber, als sie ein neuer Leutnant war und es aussah, als würde ihre Karriere auf dem Misthaufen enden.«

»Sie ist die Beste. Sie kann nichts dafür, wann sie geboren wurde.«

»Stimmt. Doch das ist auch der Grund, warum sie dir in letzter Zeit das Leben so schwer macht. Sie dachte, du würdest am ehesten akzeptieren, was sie und ich tun.«

»Ich weiß, Scherk, aber ich kann es nicht. Du hast mich heute erlebt. Ich habe getan, was ich konnte, aber deine Kupplis haben mich durchschaut. Jedenfalls Junior.«

»He, he. Hat sie wirklich. Es ist nicht nur der Name. Die kleine Viktoria ist klug wie ihre Mutter. Aber — wie du sagst — sie wird sich mit viel Schlimmerem konfrontiert sehen… Schau, Hrunk. Ich werde ein wenig mit der Generalin plaudern. Sie sollte akzeptieren, was sie kriegen kann, ein wenig Toleranz lernen — und wenn es Toleranz gegenüber deiner Intoleranz ist.«

»Ich… Das wäre hilfreich, Scherk. Danke.«

»In der Zwischenzeit werden wir dich öfters hier oben brauchen. Doch du kannst kommen, wie es dir passt. Die Kinder würden dich gern sehen, aber in jedem Abstand, den du wünschst.«

»In Ordnung. Ich mag sie. Ich fürchte nur, ich kann nicht sein, was sie von mir erwarten.«

»Ha. Dann wird es ihr kleines Experiment sein, den richtigen Abstand zu finden.« Er lächelte. »Sie können ganz schön flexibel sein, wenn sie dich so betrachten.«

Zwanzig

In der Vorbereitungszeit des Fluges war Pham Trinli für Ezr Vinh eine ferne Kuriosität gewesen. Das wenige, was er von dem Mann gesehen hatte, wirkte mürrisch, faul und wahrscheinlich unfähig. Er war jemandes Verwandten; das war die einzige Erklärung, wieso er es in die Besatzung geschafft hatte. Erst seit dem Überfall hatte Trinlis flegelhaftes, großmäuliges Benehmen Eindruck auf Ezr gemacht. Gelegentlich war er amüsant; viel öfter war er widerwärtig. Trinlis Wachzeit überschnitt sich um sechzig Prozent mit der von Ezr. Wenn er nach Hammerfest hinüberging, fand er dort Pham Trinli, der mit Reynolts Technikern schmutzige Geschichten austauschte. Wenn er Bennys Biersalon besuchte, traf er Trinli mit einer Bande Aufsteiger, laut und aufgeblasen wie immer. Es war Jahre her — eigentlich seit dem Tod von Jimmy Diem —, dass jemand dieses Verhalten als Verrat aufgefasst hätte. Dschöng Ho und Aufsteiger mussten miteinander auskommen, und in Trinlis Kreis gab es eine Menge Kauffahrer.

Heute war Ezrs Widerwille gegen den Mann etwas Finstererem gewichen. Es war die alle Megasekunden stattfindende Besprechung der ›Wach-Verwalter‹, wie immer unter dem Vorsitz von Tomas Nau. Das war nicht die leere Propaganda von Ezrs vorgetäuschtem ›Flottenverwaltungs-Komitee‹. Wissen und Können beider Seiten waren vonnöten, wenn sie hier überleben wollten. Und obwohl nie in Frage stand, wer der Chef war, befolgte Nau tatsächlich die meisten Ratschläge, die auf diesen Besprechungen erteilt wurden. Ritser Brughel war gegenwärtig nicht auf Wache, also lief dieses Treffen ohne pathologische Obertöne ab. Mit Ausnahme von Pham Trinli waren die Verwalter Leute, die wirklich ihre Sache verstanden.

Die erste Kilosekunde über war alles glatt gegangen. Kal Omos Programmierer hatten ein paar Datenbrillen für die Verwendung durch die Dschöng Ho keimfrei gemacht. Die neuen Schnittstellen waren eingeschränkt, aber besser als gar nichts. Anne Reynolt hatte einen neuen Dienstplan für die Fokussierten. Die genaue Einteilung war noch geheim, doch es sah so aus, als könnte Trixia mehr freie Zeit bekommen. Gonle Fong schlug einige Änderungen der Wacheinteilung vor. Ezr wusste, dass sie damit insgeheim mehrere Geschäfte honorierte, die sie nebenbei am Laufen hatte, doch Nau akzeptierte sie entgegenkommend. Die Untergrund-Wirtschaft, die sie und Benny entworfen hatten, war Tomas Nau gewiss bekannt… doch Jahre waren vergangen, und er hatte sie konsequent ignoriert. Und er hat konsequent davon profitiert. Ezr Vinh hätte nie geglaubt, dass freier Handel in einer derart kleinen und geschlossenen Gesellschaft wie dem Häuflein bei L1 die Effizienz nennenswert steigern könnte, doch das Leben hatte sich dadurch sichtlich verbessert. Die meisten Leute hatten ihre bevorzugten Wachgefährten. Viele hatten Qiwi Lisolets kleine Bonsai-Kugeln in ihren Zimmern. Die Verteilung von Ausrüstung war annähernd so elegant, wie überhaupt möglich. Vielleicht bewies das nur, wie verfahren das ursprüngliche Zuteilungssystem der Aufsteiger gewesen war. Ezr hing insgeheim immer noch der Überzeugung an, dass Tomas Nau der übelste Schurke war, der ihm je begegnet war, ein Massenmörder, der seine Morde begangen hatte, einfach nur um eine Lüge zu stützen. Doch er war so schlau, nach außen hin so konziliant. Tomas Nau war allemal klug genug, um diesen Untergrund-Handel zu erlauben, der ihm weiterhalf.

»Also gut, letzter Punkt.« Er lächelte den Tisch entlang. »Wie üblich das interessanteste und schwierigste Problem. Qiwi?«

Qiwi Lisolet erhob sich sanft, bremste ihre Bewegung mit der Hand an der Decke ab. In Hammerfest gab es Schwerkraft, doch sie reichte kaum aus, um die Trinkballons auf dem Tisch zu halten. »Interessant? Ich denke schon.« Sie zog eine Grimasse. »Aber es ist auch ein sehr irritierendes Problem.« Qiwi öffnete eine tiefe Tasche und holte ein Bündel Datenbrillen hervor — alle mit Siegeln ›zur Benutzung durch Krämer freigegeben‹. »Probieren wir Kal Omos Spielzeuge aus.« Sie verteilte sie an die verschiedenen Wachverwalter. Ezr nahm eine, erwiderte mit einem Lächeln ihr scheues Grinsen. Qiwi hatte noch die Größe eines Kindes, doch sie war so kompakt und fast so groß, wie ein durchschnittlicher strentmannischer Erwachsener eben wurde. Sie war kein kleines Mädchen mehr, nicht einmal die niedergeschmetterte Waise aus der Zeit des Wiederaufflammens. Qiwi hatte in den Jahren nach dem Aufflammen lückenlos Wache um Wache gelebt; in jedem Jahr, das verstrich, war sie um ein ganzes Jahr gealtert. Seit das Licht des EinAus-Sterns auf ein Niveau abgeklungen war, wo sich der Felshaufen leichter handhaben ließ, hatte sie gelegentlich Freiwache gehabt, doch Ezr sah die winzigen Fältchen, die sich in ihren Augenwinkeln zu bilden begannen. Was ist sie jetzt? Älter als ich. Die alte Verspieltheit kam sogar manchmal noch zum Vorschein, doch sie neckte Ezr nie mehr. Und er wusste, dass die Geschichten von Qiwi und Tomas Nau wahr waren. Arme, verdammte Qiwi.

Doch aus Qiwi Lin Lisolet war mehr geworden, als Ezr je erwartet hatte. Jetzt konnte Qiwi Berge balancieren.

Sie wartete, bis alle die Datenbrillen aufgesetzt hatten. Dann: »Sie wissen, dass ich für unsere Halo-Umlaufbahn um L1 zuständig bin.« Über der Mitte des Tisches erschien plötzlich der Felshaufen. Ein winziges Hammerfest ragte auf Ezrs Seite aus dem Gemengsel; am hohen Turm legte gerade ein Taxi an. Das Bild war scharf, legte sich exakt vor die Wand und die Leute hinter ihm. Doch als er den Kopf rasch vom Felshaufen zu Qiwi und zurück wandte, wurde der Haufen etwas unscharf. Die automatische Ausrichtung kam nicht ganz mit der Bewegung mit, und die visuelle Täuschung versagte. Zweifellos waren Kal Omos Programmierer gezwungen gewesen, manche von den Optimierungen zu ersetzen. Dennoch kam das Ergebnis der Dschöng-Ho-Qualität nahe, die Bilder wurden im Gesichtsfeld jeder Datenbrille separat koordiniert.

Dutzende von winzigen roten Lichtern erschienen auf der Oberfläche des Felshaufens. »Das sind die Positionen der E-Triebwerke« — dann sogar noch mehr gelbe Lichtpunkte — »und das das Sensorraster.« Sie lachte, so leicht und spielerisch, wie er sie in Erinnerung hatte. »Alles in allem sieht es nach einem Lösungsnetz für die Finite-Elemente-Methode aus, nicht wahr? Obwohl die Rasterpunkte echte Maschinen zur Datenerfassung sind. Jedenfalls haben meine Leute und ich zwei Probleme. Jedes von ihnen ist ziemlich einfach: Wir müssen das Gemengsel in der Bahn bei L1 halten.« Das Gemengsel schrumpfte zu einem stilisierten Symbol, das eine ständige veränderliche Lissajous-Figur um das Zeichen L1 beschrieb. Auf einer Seite hing die Arachna, weit entfernt, aber auf derselben Linie lag der EinAus-Stern. »Wir haben es so eingerichtet, dass wir aus der Sicht der Spinnen immer nahe am Mittelpunkt der Sonne stehen. Es wird viele Jahre dauern, bis sie die Technik haben, uns hier zu entdecken… Doch das andere Ziel der Stabilisierung ist es, Hammerfest und die verbliebenen Blöcke von Eis und Luftschnee alle im Schatten zu halten.« Zurück zum ursprünglichen Bild vom Gemengsel, doch jetzt waren die flüchtigen Stoffe blau und grün gekennzeichnet. Jedes Jahr schrumpfte dieser kostbare Vorrat, aufgebraucht von den Menschen und von Sublimation in den Raum. »Leider passen diese beiden Ziele nicht recht zusammen. Der Geröllhaufen ist lose. Manchmal verursachen unsere Maßnahmen zur ortsfesten Stabilisierung Drehmomente, und die Felsen rutschen.«