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Trud runzelte die Stirn. »… Hä? Eiter.« Er schaute quer durch den Raum dorthin, wo der andere Aufsteiger arbeitete. »Bil, dieser Bursche hat immer noch eine niedrige Leptin-Fallrate.«

»Du hast das Feld abgeschaltet?«

»Natürlich. Basal-fünf müsste sich inzwischen wieder gefangen haben.«

Bil kam nicht herüber, doch anscheinend betrachtete er das Hirnmodell des Patienten.

Die Linie des blauen Glitzerns war noch immer ein Wirrwarr von zufälligen Veränderungen. Trud fuhr fort: »Es ist nur noch eine offene Einzelheit, aber ich weiß nicht, was sie hervorruft. Kannst du dich darum kümmern?« Er zeigte mit dem Daumen in Phams Richtung, um anzudeuten, dass er andere, wichtigere Angelegenheiten hatte.

Bil sagte zweifelnd: »Du hast den Empfang bestätigt?«

»Ja, ja. Kümmere dich nur drum, hm?«

»Na ja, in Ordnung.«

»Danke.« Silipan winkte Pham von dem MRT-Gerät weg; das Bild des Gehirns verschwand. »Diese Reynolt. Ihre Aufträge sind die heikelsten, nicht nach den Regeln. Dann, wenn man es richtig macht, hat man am Ende meistens einen Haufen Ärger.«

Pham folgte ihm zur Tür hinaus und einen Seitentunnel entlang, der durch den Kristall von Diamant Eins lief. Die Wände waren ein ziseliertes Mosaik, dieselbe Art präzise Kunst, die Pham vor langer Zeit, bei dem ›Willkommens-Bankett‹, Rätsel aufgegeben hatte. Nicht alle Blitzköpfe waren Spezialisten für High-Tech: Sie kamen an einem Dutzend Künstlersklaven vorbei, die sich über Vergrößerungsgläser und nadelähnliche Werkzeuge beugten. Pham war schon früher hier gewesen, vor etlichen Wachen. Damals war der Fries nur grob skizziert gewesen, eine Berglandschaft mit einer Art Militärstreitmacht, die sich auf ein nebulöses Ziel zubewegte. Selbst das war eine Vermutung gewesen, ausgehend von dem Titeclass="underline" ›Die Niederlage des Frenkischen Orks.‹ Jetzt waren die Figuren größtenteils fertig, stämmige heldenhafte Kämpfer, auf denen Regenbögen funkelten. Ihr Ziel war eine Art Ungeheuer. Das Geschöpf war nicht besonders neuartig, der typische Cthulhu-Horror, der mit seinen langen Klauen Menschen zerriss und die Stücke fraß. Die Aufsteiger machten viel Aufhebens um ihre Eroberung des Frenk. Irgendwie bezweifelte Pham, dass die Mutanten, gegen die sie gekämpft hatten, derart spektakulär gewesen waren. Er wurde langsamer, und Silipan deutete sein Starren als Bewunderung.

»Die Diamantschneider kommen pro Megasekunde nur fünfzig Zentimeter voran. Aber die Kunst gibt uns etwas von der Wärme unserer Vergangenheit.«

Wärme? »Reynolt will, dass es schön aussieht?« Er fragte ohne Hintersinn.

»Ha. Reynolt ist das völlig schnuppe. Hülsenmeister Brughel hat das angeordnet, auf meine Empfehlung hin.«

»Aber ich dachte, die Hülsenmeister seien in ihren jeweiligen Bereichen souverän.« Pham hatte auf den vergangenen Wachen nicht viel von Reynolt gesehen, doch er war dabei gewesen, wie sie Ritser Brughel auf Besprechungen mit Nau demütigte.

Trud glitt noch ein paar Meter weiter, ohne etwas zu sagen. Sein Gesicht verzog sich zu einem albernen Lächeln, ein Ausdruck, den er manchmal zeigte, wenn sie bei Benny einen drauf machten. Diesmal aber wurde aus dem Lächeln ein Lachen. »Hülsenmeister? Anne Reynolt? Pham, dich sprachlos zu sehen, war an sich schon der Clou des Tages — aber das übertrifft alles.« Er glitt noch ein paar Sekunden lang weiter und kicherte dabei. Dann sah er Pham Trinlis finstere Miene. »Tut mir Leid, Pham. Ihr Krämer seid in vielen Dingen so schlau, aber ihr seid wie Kinder, was die Grundlagen der Kultur betrifft… Ich habe die Erlaubnis, dir die Fokus-Klinik zu zeigen; ich denke, es kann nicht schaden, wenn ich dir noch ein paar Sachen erkläre. Nein, Anne Reynolt ist kein Hülsenmeister; obwohl sie wahrscheinlich ein mächtiger war, früher einmal. Reynolt ist einfach noch so ein Blitzkopf.«

Pham ließ seine finstere Miene in Staunen übergehen — was übrigens auch seine wahre Reaktion war. »Aber… sie hat einen großen Teil der Chose unter Kontrolle. Sie erteilt dir Befehle.«

Silipan zuckte die Achseln. Sein Lächeln war einem säuerlichen Gesichtsausdruck gewichen. »Ja doch. Sie gibt mir Befehle. Es kommt selten vor, aber immerhin. Fast würde ich lieber für Hülsenmeister Brughel oder für Kal Omo arbeiten, nur dass die so… hart rangehen.« Er verstummte nervös.

Pham fing sich. »Ich glaube, ich verstehe«, log er. »Wenn ein Spezialist fokussiert wird, fixiert er sich auf sein Fachgebiet. Also wird aus einem Künstler einer von unseren Mosaikschneidern, ein Physiker wird so wie Hunte Wen, und ein Chef wird… äh… wie soll ich sagen, ein ganz verteufelter Chef.«

Trud schüttelte den Kopf. »So funktioniert das nicht. Schau, technische Spezialisten lassen sich gut fokussieren. Sogar bei euch von der Dschöng Ho haben wir eine Erfolgsquote von siebzig Prozent. Aber von Fähigkeiten im Umgang mit Menschen — Jura, Politik, Verwaltung — bleibt normalerweise nach der Fokussierung gar nichts übrig. Du hast inzwischen genug Blitzköpfe gesehen; was sie alle gemein haben, ist ein Mimimum an Anteilnahme. Was im Kopf eines normalen Menschen vor sich geht, können sie sich genauso wenig vorstellen wie ein Stein. Wir haben Glück, dass wir über so viele gute Übersetzer verfügen; das ist noch nie in diesem Maßstab versucht worden.

Nein. Anne Reynolt ist etwas sehr, sehr Seltenes. Es geht das Gerücht, sie sei ein Hoher Hülsenmeister in der Xevalle-Clique gewesen. Die meisten von denen sind umgebracht oder per Gehirnwäsche blankgeputzt worden, aber es heißt, dass die Nau-Clique auf Reynolt wirklich stocksauer war. Zum Spaß haben sie sie fokussiert, vielleicht gedachten sie sie zum körperlichen Vergnügen zu verwenden. Aber so ergab es sich nicht. Ich vermute, sie war vorher schon fast monomanisch. Die Chancen standen eins zu einer Milliarde, aber Reynolt behielt ihre Verwaltungsfähigkeiten — und sogar einen Teil ihrer Fähigkeiten im Umgang mit Menschen.«

Weiter vorn sah Pham das Ende des Tunnels. Licht schien auf eine unverzierte Luke. Trud bremste und wandte sich Pham zu. »Sie ist ein Freak, aber sie ist auch der wertvollste Besitz von Hülsenmeister Nau. Im Prinzip verdoppelt sie seine Reichweite…« Er verzog das Gesicht. »Das macht es nicht leichter, Befehle von ihr entgegenzunehmen, das sag ich dir. Persönlich denke ich, dass der Hülsenmeister sie überschätzt. Sie ist ein wunderbarer Freak, aber was soll’s? Es ist wie bei einer Katze, die Klavier spielt — niemand merkt, dass es Katzenmusik ist.«

»Es scheint dich nicht zu kümmern, ob sie deine Ansichten kennt.«

Jetzt lächelte Trud wieder. »Natürlich nicht. Das ist der einzige Vorteil an meiner Situation. Es ist fast unmöglich, sie bei Dingen, die direkt meine Arbeit betreffen, hinters Licht zu führen — aber außerhalb dieses Gebiets ist sie einfach wie jeder andere Blitzkopf. Ja doch, ich habe mir mit ihr ein paar eiterkomische Sp…« Er brach ab. »Ach, egal. Sag ihr, was Hülsenmeister Nau dir aufgetragen hat, ihr zu sagen, und mit dir geht alles klar.« Er winkte und machte sich dann auf den Weg den Korridor hinauf, fort von Reynolts Büro.

Wenn Pham das über Anne Reynolt gewusst hätte, hätte er die ganze Aktion mit den Ortern vielleicht verschoben. Doch jetzt saß er in ihrem Büro, und ihm blieb nicht viel Wahl. In mancher Hinsicht war es ein gutes Gefühl, die Sache voranzubringen. Seit Jimmys Tod waren alle Züge Phams immer so berechnet, so vorsichtig gewesen.

Zunächst reagierte die Frau überhaupt nicht auf seine Anwesenheit. Pham setzte sich unaufgefordert auf den Stuhl gegenüber von ihrem Schreibtisch und schaute sich im Zimmer um. Es war nicht mit Naus Büro zu vergleichen. Diese Wände waren nackter, rauer Diamant. Es gab keine Bilder, nicht einmal die Gräuel, die den Aufsteigern als Kunst galten. Reynolts Schreibtisch war eine Ansammlung von leeren Behältern und Geräten für die Netzarbeit.