Es musste einen besseren Weg geben, und jede neue Welt, die Pham sah, machte ihn sicherer, dass er diesen besseren Weg kannte. Ein Imperium. Ein derart großer Herrschaftsbereich, dass das Versagen eines ganzen Sonnensystems eine zu bewältigende Katastrophe war. Die Kauffahrerkultur der Dschöng Ho war ein Anfang. Daraus würde das Handelsimperium der Dschöng Ho werden… und eines Tages ein echtes, regierendes Reich. Denn die Dschöng Ho war in einer einmaligen Lage. Auf ihrem Höhepunkt besaß eine Kundenzivilisation eine außergewöhnliche Wissenschaft — und brachte mitunter geringfügige Verbesserungen gegenüber dem Besten hervor, was je zuvor existiert hatte. Meistens gingen diese Verbesserungen mit der Zivilisation unter. Die Dschöng Ho jedoch — die ging immer weiter und sammelte geduldig das Beste, was zu finden war. Für Sura war das der größte Handelsvorteil der Dschöng Ho.
Für Nuwen war es mehr. Warum sollten wir alles, was wir lernen, wieder verkaufen? Manches schon. Das ist die Hauptquelle unseres Lebensunterhalts. Doch wir wollen die funkelnden Gipfel des ganzen menschlichen Fortschritts nehmen — und sie zum Nutzen des großen Ganzen behalten.
So waren die Orter der Dschöng Ho entstanden. Pham war auf Trygve Ytre gewesen, so fern von Namqem, wie er nur jemals gekommen war. Die Menschen waren nicht einmal vom selben Urstock wie jene in den bekannteren Teilen des Menschenraums.
Trygves Sonne war einer jener trüben kleinen M-Sterne, das Ungeziefer des der Besiedlung zugänglichen Raums. Dutzende von diesen Sternen kamen auf jeden, der der Sonne der Alten Erde glich — und die meisten hatten Planeten. Sie waren gefährliche Orte für die Ansiedlung, mit einer derart schmalen stellaren Ökosphäre, dass eine Zivilisation ohne Technik nicht existieren konnte. In den frühen Jahrtausenden des menschlichen Vordringens in den Raum war diese Tatsache ignoriert worden, und man hatte eine Anzahl solcher Welten besiedelt. Immer optimistisch, diese Menschen, glauben, ihre Technik hält ewig. Und dann, beim ersten Niedergang, fanden sich Millionen Menschen auf einer Eiswelt — oder einer Höllenwelt, falls ihr Planet dem Stern näher war als die Ökosphäre.
Trygve Ytre war eine etwas sicherere Variante und eine übliche Situation: Der Stern wurde von einem Riesenplaneten begleitet, Trygve, dessen Umlaufbahn etwas außerhalb der stellaren Ökosphäre lag. Der Riesenplanet hatte nur zwei Monde, darunter einen von Erdgröße. Zur Zeit von Phams Besuch waren beide bewohnt. Doch der größere, Ytre, war das Juwel. Gezeitenreibung und direkte Wärmestrahlung von Trygve ergänzten die spärliche Sonnenenergie. Ytre besaß Land und Luft und flüssige Ozeane. Die Menschen auf Trygve Ytre hatten mindestens einen Kollaps ihrer Zivilisation überstanden.
Die Technik, über die sie nun verfügten, war so hoch, wie die Menschheit sie nur je erreicht hatte. Phams kleine Flotte von Sternenschiffen wurde willkommen geheißen, fand brauchbare Werften in dem Planetoidengürtel, der eine Milliarde Kilometer von der Sonne entfernt lag. Pham ließ Besatzungen an Bord der Schiffe zurück und flog mit den örtlichen Verkehrsmitteln einwärts zu Trygve und Ytre. Das war kein Namqem, doch die Leute hatten andere Kauffahrer erlebt. Sie hatten auch Phams Staustrahlschiffe und seine vorläufige Angebotsliste gesehen… und das meiste von dem, was Pham besaß, konnte der einheimischen Magie von Ytre nicht das Wasser reichen.
Nuwen blieb eine Zeit lang auf Ytre, einige Wochen, wie die Einheimischen die etwa 600 Kilosekunden nannten, die Ytre für einen Umlauf um den Riesen Trygve brauchte. Trygve selbst umkreiste die Sonne in reichlich 6 Megasekunden. Der Ytreisch-Kalender kam also auf ungefähr zehn Wochen.
Obwohl die Welt zwischen Feuer und Eis taumelte, war der größte Teil von Ytre bewohnbar. »Wir haben eine klimastabilere Welt als die Alte Erde selbst«, prahlten die Einheimischen. »Ytre steckt tief in der Gravitationssenke von Trygve, und es gibt keine nennenswerten Störeinflüsse. Die Heizung durch Gezeitenkräfte ist über geologische Zeiträume hinweg mild gewesen.« Und sogar die Gefahren waren keine große Überraschung. Die M3-Sonne war knapp über einen Winkelgrad im Durchmesser. Ein Narr konnte direkt in die rötliche Scheibe schauen, das Wirbeln der Gase sehen, ausgedehnte und dunkle Sonnenflecken. Ein paar Sekunden derart in die Sonne zu blicken, konnte ernste Verbrennungen der Netzhaut hervorrufen, denn natürlich war der Stern im nahen Infrarotbereich heller als im sichtbaren. Die empfohlenen Augenschützer sahen wie glasklares Plastik aus, doch Pham achtete sehr sorgsam darauf, sie zu tragen.
Seine Gastgeber — eine Gruppe einheimischer Unternehmen — beherbergten ihn auf ihre Kosten. Er verbrachte seine offizielle Zeit damit, etwas mehr von ihrer Sprache zu lernen und etwas herauszufinden, das seine Flotte mitgebracht hatte und das für seine Kunden etwas wert sein könnte. Sie versuchten es ebenso angestrengt. Es war eine Art ins Gegenteil verkehrte Industriespionage. Die Elektronik der Einheimischen war etwas besser als alles, was Pham je gesehen hatte, obwohl die Dschöng Ho vielleicht Verbesserungen an Programmen vorzuschlagen hatte. In der medizinischen Automatik waren sie deutlich zurück; das würde sein Fuß in der Tür sein, eine Stelle, von der aus das Feilschen beginnen konnte.
Pham und seine Leute klassifizierten alles, was diese Begegnung einbringen konnte. Die Kosten der Reise würden reichlich wieder hereinkommen. Doch Pham hörte Gerüchte. Seine Gastgeber repräsentierten eine Anzahl — ›Kartelle‹ war die brauchbarste Übersetzung, die Pham für das Wort finden konnte. Sie hielten Dinge voreinander geheim. Das Gerücht ging von einer neuen Art Orter, kleiner als jeder anderswo hergestellte und von keiner inneren Energiequelle abhängig. Jede Verbesserung auf dem Gebiet der Orter war eine gewinnträchtige Sache; die Geräte waren der positionelle Leim, dem verkoppelte Systeme ihre außergewöhnliche Leistungsfähigkeit verdankten. Doch diese ›Superorter‹ sollten angeblich Sensoren und Effektoren besitzen. Wenn es mehr als nur ein Gerücht war, dann hätte es politische und militärische Konsequenzen auf Ytre selbst — destabilisierende Konsequenzen.
Mittlerweile wusste Pham, wie man in einer technisch orientierten Gesellschaft Informationen sammelt, selbst in einer, deren Sprache er nicht fließend beherrschte, sogar, wenn er beobachtet wurde. Nach vier Wochen wusste er, welches Kartell die vielleicht existierende Erfindung besitzen könnte. Er kannte den Namen seines Magnaten: Gunnar Larson. Das Larson-Kartell hatte die Erfindung bei seinen Handelsgesprächen nicht erwähnt. Sie war nicht angeboten worden — und Pham wollte keine Andeutungen darüber machen, wenn andere zugegen waren. Er arrangierte eine persönliche Begegnung mit Larson. Es war etwas, das sogar Phams Tanten und Onkel daheim auf dem mittelalterlichen Canberra verstanden hätten, obwohl ihnen der technische Trick hinter dem Treffen unbegreiflich geblieben wäre.
Sechs Wochen nach seiner Landung auf Ytre ging Pham Nuwen allein durch die exklusivste offene Straße in Dirby. Zerstreute Wolken erinnerten an den unlängst gefallenen Regen. Sie zeigten Rosa und Grau im hellen Zwielicht. Die Sonne war eben hinter Trygve untergegangen. Über dem Leib des Riesenplaneten gemahnte ein Bogen von Gold und Rot an die verdeckte Sonne. Die Scheibe des Riesen nahm zehn Grad am Himmel ein. Lautlose blaue Blitze flackerten in seinen Polarbreiten.