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Die Luft war kühl und feucht, der Wind trug einen natürlichen Duft heran. Pham ging weiter und zog jedes Mal an der Leine, wenn seine Snarlihunde etwas am Wegesrand untersuchen wollten. Seine Tarnung erforderte, dass er sich Zeit ließ, sich an dem Anblick erfreute, den ähnlich gekleideten Passanten höflich zuwinkte. Denn was sollte ein reicher Einwohner im Ruhestand im Freien anderes tun, als die Lichter zu bewundern und seine Hunde spazieren zu führen? Zumindest hatte der Kontaktmann das behauptet. »Die Sicherheitsvorkehrungen auf der Huskestrade sind nicht wirklich streng. Wenn Sie aber keinen plausiblen Grund haben, sich dort zu befinden, kann die Polizei Sie anhalten. Nehmen sie ein paar Snarlihunde. Das ist ein guter Grund, auf der Promenade zu sein.«

Phams Blick erfasste die Paläste, die hier und da zwischen dem Grün zu beiden Seiten der Promenade hervorlugten. Dirby schien ein friedlicher Ort zu sein. Es waren Sicherheitskräfte da… Doch wenn genug Leute alles kaputtmachen wollten, war das in einer einzigen Nacht von Feuer und Aufruhr zu schaffen. Die Kartelle kämpften kommerziell mit harten Bandagen, doch ihre Zivilisation glitt gerade durch die höchste, glücklichste ihrer guten Zeiten… Vielleicht war ›Kartelle‹ nicht das richtige Wort. Gunnar Larson und einige der anderen Magnaten gaben sich eine Aura von tiefer, uralter Weisheit. Gewiss war Larson einer, der das Sagen hatte, doch das Wort für seinen Rang bedeutete mehr als das. Pham kannte den Begriff des Philosophen auf dem Königsthron, des Roi philosophe. Doch Larson war ein Geschäftsmann. Vielleicht bedeutete sein Titel ›Philosoph-Magnat‹. Hmm.

Pham erreichte das Grundstück Larsons. Er bog in einen privaten Seitenweg ab, der fast so breit wie die Promenade war. Die Anzeige seiner Datenbrille verblasste, er hatte nur noch natürliche Sicht. Pham war verärgert, aber nicht überrascht. Er ging weiter, als gehöre ihm hier alles, ließ sogar die Hunde hinter einen Zwei-Meter-Blumenständer scheißen. Der Philosoph-Magnat soll meine tiefe Achtung für das ganze Geheimnis erfassen.

»Folgen Sie mir bitte.« Die Stimme erklang leise hinter ihm. Pham unterdrückte eine heftige Bewegung, wandte sich um und nickte dem Sprecher lässig zu. Im rötlichen Dämmerschein sah er keinerlei Waffen. Hoch am Himmel und zwei Millionen Kilometer entfernt flackerte eine Kette blauer Blitze über das Antlitz von Trygve. Er warf einen gründlichen Blick auf seinen Führer und die drei anderen, die im Dunkel verborgen gewesen waren. Sie trugen Firmenkleidung, doch ihm entgingen weder die militärische Haltung noch die Datenbrillen, die sie über den Augen trugen.

Sollten sie die Hunde nehmen. Gut so. Die vier Tiere waren groß und sahen raubtierhaft böse aus. Vielleicht hatte man ihnen Sanftheit angezüchtet, doch es würde mehr als einen Spaziergang im Zwielicht brauchen, um aus Pham einen Snarlihund-Liebhaber zu machen.

Pham und die verbliebenen Wächter gingen über hundert Meter weiter. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf fein geschwungene Äste, Moos, das einfach so am Ansatz der Wurzeln wuchs. Je höher die gesellschaftliche Stellung, umso mehr waren diese Burschen auf urwüchsige Natur aus — und umso perfekter musste jede Einzelheit sein. Zweifellos wurde dieser ›Waldweg‹ seit einem Jahrhundert manikürt, um unverfälschte Wildnis darzustellen.

Der Weg öffnete sich auf einen Hanggarten über einem Bach und einem Teich. Der rötliche Bogen von Trygve genügte, dass Pham die Tische ausmachen konnte und die kleine menschliche Gestalt, die sich erhob, um ihn zu begrüßen.

»Magnat Larson.« Pham machte die kleine halbe Verbeugung, die er zwischen Gleichgestellten gesehen hatte. Larson erwiderte sie, und irgendwie wusste Pham, dass der Mann grinste.

»Flottenkapitän Nuwen… Nehmen Sie bitte Platz.«

Es gab Kulturen, wo der Handel nicht beginnen konnte, bis alle von unwichtigem Gequassel zu Tode gelangweilt sind. Hier rechnete Pham nicht damit. Er sollte in zwanzig Kilosekunden wieder in seinem Hotel sein — und es wäre für sie beide besser, wenn die anderen Kartell-Leute nicht begriffen, wo Pham gewesen war. Doch Gunnar Larson schien es nicht eilig zu haben. Hin und wieder war er im Licht der Blitze von Trygve zu sehen: der typische Menschenschlag von Ytre, aber sehr alt, das blonde Haar schütter geworden, Runzeln in der blassrosa Haut. Sie saßen über zwei Kilosek in dem von Blitzen zerrissenen Dämmerschein. Der alte Mann quasselte über Phams Vorleben und die Vergangenheit von Trygve Ytre. Verdammt, vielleicht rächt er sich dafür, dass ich seine Blumen habe vollkacken lassen. Oder vielleicht war es so eine unergründlich ytrische Sache. Immerhin sprach der Bursche erstklassiges Aminesisch, und in dieser Sprache war auch Pham auf der Höhe.

Larsons Grundstück war sonderbar still. In Dirby lebte fast eine Million Menschen, und obwohl keines der Gebäude ungeheuerlich groß war, reichte die typische Großstadt bis auf tausend Meter an das Nobelviertel der Huskestrade heran. Doch wie sie hier saßen, waren die lautesten Geräusche Gunnar Larsons albernes Geplapper — und das Plätschern eines kleinen Wasserfalls ein kurzes Stück hangabwärts. Phams Augen hatten sich inzwischen gut an den Dämmerschein gewöhnt. Er sah das Spiegelbild von Trygves Lichtbögen im Teich. Er sah Wellen, wenn ein großes, schuppiges Wesen durch die Oberfläche stieß. Allmählich finde ich tatsächlich Gefallen an dem Lichtzyklus von Ytre. Vor drei Wochen hätte Pham nicht geglaubt, dass es jemals so weit kommen würde. Tage und Nächte waren länger als jeder Rhythmus, den Pham aufrechterhalten konnte, doch die mittägliche Verfinsterung gewährte eine Ruhepause. Und nach einer Weile begann man zu vergessen, dass fast jede Farbe eine Schattierung von Rot war. Und diese Welt hatte etwas bequem Sicheres; diese Menschen hielten seit fast tausend Jahren einen gedeihlichen Frieden. Also gab es hier vielleicht Weisheit…

Abrupt, ohne aus der Tonfolge von Trivialitäten herauszufallen, sagte Larson: »Sie haben also vor, das Geheimnis der Larson-Orter zu ergründen?«

Pham wusste, dass sein überraschter Gesichtsausdruck nicht über die Augen hinaus ging. »Zunächst würde ich gern ergründen, ob so etwas überhaupt existiert. Die Gerüchte sind sehr spektakulär — und sehr vage.«

Die Zähne des alten Mannes blitzten in einem Lächeln auf. »Oh, sie existieren.« Er machte eine Geste, die die ganze Umgebung einbezog. »Sie verschaffen mir überall Augen. Sie machen die Finsternis zum Tage.«

»Verstehe.« Der alte Mann trug keine Datenbrille. Wusste er Phams spöttischen Gesichtsausdruck zu deuten?

Larson lachte leise. »O ja.« Er berührte seine Schläfe dicht hinter dem Auge. »Genau hier sitzt einer. Die anderen richten sich an ihm aus und stimulieren exakt meinen Sehnerv. Das erfordert auf beiden Seiten eine Menge Übung. Wenn man genug Larson-Orter hat, werden sie mit der Aufgabe fertig. Sie können Ansichten aus jeder Richtung zusammensetzen, die mir beliebt.« Er machte eine undeutliche Bewegung mit den Händen. »Ihr Gesichtsausdruck ist für mich klar wie am hellen Tag, Pham Nuwen. Und über die Orter, die sich wie Staub auf Ihre Hände und Ihren Hals gelegt haben, kann ich sogar in Ihr Inneres blicken. Ich kann hören, wie Ihr Herz schlägt, wie Ihre Lungen atmen. Mit ein wenig Konzentration« — er reckte den Kopf — »kann ich die Blutmengen abschätzen, die durch einzelne Regionen Ihres Gehirns fließen… Sie sind aufrichtig überrascht, junger Mann.«

Pham presste die Lippen zusammen, verärgert über sich selbst. Der Mann hatte über eine Kilosekunde darauf verwandt, ihn zu eichen. Wäre das in einem Büro geschehen, fern von diesem Garten und der stillen Dunkelheit, wäre er viel wachsamer gewesen.