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Die restliche Verfinsterung hindurch redeten sie, bis der westliche Rand von Trygve heller wurde, aus den Tiefen des Planeten die Sonnenscheibe hervorwuchs und in den offenen Himmel stieg. Der Himmel hellte sich auf und wurde blau. Und noch immer sprachen sie. Nun war es Gunnar Larson, der am meisten zu sagen hatte. Er versuchte sich deutlich auszudrücken, und Pham registrierte, was der alte Mann sagte. Doch vielleicht war Aminesisch als Mittlersprache zwischen ihnen doch nicht so perfekt, wie Pham gedacht hatte; er verstand vieles nicht, was Larson sagte.

Beiläufig schlossen sie einen Handel ab, der Phams gesamte medizinische Ladeliste und die Larson-Orter einschloss. Es waren noch andere Dinge enthalten — Zuchtexemplare der Wesen, die in der Mitte der Verfinsterung gesungen hatten —, doch alles in allem war der Handel sehr leicht abzuschließen. Beide Seiten hatten so großen Nutzen… und Pham war überwältigt von den anderen Dingen, die Gunnar Larson zu sagen hatte, von den Ratschlägen, die vielleicht wertlos waren, aber einen Beigeschmack von Weisheit hatten.

Phams Reise nach Trygve Ytre war eine der einträglicheren in seiner Kauffahrer-Laufbahn, doch es war das dunkelrote Gespräch mit dem ytrischen Mystiker, das sich am tiefsten in Phams Erinnerung festsetzte. Später war er überzeugt, Larson habe ihn irgendwelchen psychoaktiven Drogen ausgesetzt; sonst wäre Pham nie so leicht zu beeindrucken gewesen. Doch… vielleicht war das egal. Gunnar Larson hatte gute Ideen gehabt — zumindest soweit Pham sie verstehen konnte. Der Garten und das Gefühl von Frieden, das ihn umgab — das war stark und beeindruckend. Als er von Trygve Ytre zurückkehrte, verstand Pham den Frieden, der von einem lebendigen Garten ausging, und er verstand die Kraft, die schon dem bloßen Anschein von Weisheit innewohnte. Die beiden Erkenntnisse konnten verbunden werden. Biologisches war immer ein wesentliches Handelsgut gewesen…, doch nun würde es mehr sein. Die neue Dschöng Ho würde im Herzen eine Ethik von Lebewesen tragen. Jedes Raumfahrzeug, das einen Park unterhalten konnte, sollte einen bekommen. Die Dschöng Ho würde das Beste aus der Welt der Lebewesen ebenso fanatisch sammeln, wie sie das Beste an Technik sammelte. Dieser Teil von den Ratschlägen des alten Mannes war sehr deutlich gewesen. Die Dschöng Ho würde den Ruf haben, Lebewesen zu verstehen, eine zeitlose Anhänglichkeit für die Natur zu besitzen.

So entstanden die Traditionen von Parks und Bonsai. Die Parks waren ein erheblicher Kostenfaktor, doch in den Jahrtausenden seit Trygve Ytre waren sie die nachhaltigste und am meisten geliebte von allen Traditionen der Dschöng Ho geworden.

Und Trygve Ytre und Gunnar Larson? Larson war natürlich seit Jahrtausenden tot. Die Zivilisation von Ytre hatte ihn kaum überlebt. Es hatte ein Zeitalter von staatlicher Totalregulierung gegeben und eine Art verstreuten Terror. Höchstwahrscheinlich hatten Larsons eigene Orter das Ende beschleunigt. All die Weisheit, all die Unergründlichkeit hatten seiner Welt nicht viel genützt.

Pham rutschte ein Stück in seiner Hängematte. An Ytre und Larson zu denken, hinterließ bei ihm immer eine Beklemmung. Es war Zeitverschwendung… außer heute Nacht. Heute brauchte er die Stimmung aus der Zeit nach diesem Treffen. Er brauchte etwas von der kinästhetischen Erinnerung an den Umgang mit den Ortern. Es mussten inzwischen Dutzende im Zimmer sein. Wie war das Muster von Bewegung und Körperzustand, das sie anstoßen würde, ihm zu antworten? Pham zog die Lasche der Hängematte ganz über seine Hände. Drinnen bewegten sich seine Finger auf einer imaginären Tastatur. Das war wohl zu offensichtlich. Solange er keine Verbindung hatte, dürften Tastendrücke und dergleichen keine Wirkung haben. Pham seufzte, änderte abermals Puls und Atmung… und rief sich das ehrfürchtige Staunen seiner ersten Sitzungen mit den Larson-Ortern in Erinnerung.

Ein fahlblaues Licht, blauer als blau, blinkte einmal am Rande seines Gesichtsfeldes auf. Pham öffnete die Augen einen Spalt breit. Das Zimmer lag in mitternächtlicher Dunkelheit. Das Ruhelicht der Wand war zu schwach, um Farben erkennen zulassen. Nichts bewegte sich außer dem langsamen Treiben seiner Hängematte im Luftzug des Ventilators. Das blaue Licht war woanders hergekommen. Aus dem Innern seines Sehnervs. Pham schloss die Augen, wiederholte die Atemübung. Das blaue, blinkende Licht erschien abermals. Es war die Wirkung eines von einem Orterfeld gemeinsam erzeugten Strahls, abgestrahlt von den beiden, die er an seiner Schläfe und in seinem Ohr untergebracht hatte. Für eine Kommunikation war das sehr grobschlächtig, nicht beeindruckender als die zufälligen Lichtfünkchen, die die meisten Leute ständig ignorieren. Das System war darauf programmiert, äußerst vorsichtig zu sein, wenn es sich offenbarte. Diesmal hielt er die Augen geschlossen und änderte weder seine Atmung noch den ruhigen Puls. Er krümmte zwei Finger zur Handfläche hin. Eine Sekunde verstrich. Das Licht antwortete mit einem erneuten Blinken. Pham räusperte sich, wartete, bewegte den rechten Arm auf ganz bestimmte Weise. Das blaue Licht blinkte: eins, zwei, drei… Es war eine Impulsfolge, die für ihn binär zählte. Er gab sie zurück und benutzte dabei die Codes, die vor langer Zeit festgelegt worden waren.

Er war am Ruf-Antwort-Modul vorbei. Er war drin! Die Lichter, die hinter seinen Augen flackerten, waren fast zufällige Stimuli. Es würde Kilosekunden dauern, bis er dem Orternetz die Präzision antrainiert hatte, die diese Art Darstellung haben konnte. Der Sehnerv war einfach zu groß, zu komplex, um sofort klare Bilder einzugeben. Egal. Das Netz redete jetzt verlässlich mit ihm. Die alten Anpassungen kamen aus dem Versteck. Die Orter hatten seine physischen Parameter festgestellt; von nun an konnte er mit ihnen auf alle möglichen Arten reden. Ihm blieben von seiner gegenwärtigen Wache noch fast drei Megasekunden. Das sollte genügen, um das absolut Notwendige zu tun, ins Flottennetz einzudringen und eine neue Tarngeschichte anzulegen. Was sollte es sein? Etwas Peinliches, ja. Ein peinlicher Grund, warum ›Pham Trinli‹ all die Jahre den Clown gespielt hatte. Eine Geschichte, mit der Nau und Brughel etwas anfangen konnten und von der sie glauben würden, sie könnten sie als Druckmittel gegen ihn verwenden. Was?

Pham fühlte, wie sich ein Lächeln auf sein Gesicht stahl. Zamle Eng, möge deine Sklavenhändler-Seele in der Hölle verfaulen. Du hast mir so viel Kummer bereitet. Vielleicht kannst du mir postum einen Dienst erweisen.

Dreiundzwanzig

›Die Kinderstunde der Wissenschaft.‹ Was für ein unschuldiger Name. Ezr kehrte von seiner langen Freiwache zurück und stellte fest, dass sie sein persönlicher Albtraum geworden war. Qiwi hat es mir versprochen; wie konnte sie das zulassen! Aber jede Live-Vorstellung war ein größerer Zirkus als die zuvor.

Und heute konnte es die bisher schlimmste werden. Mit etwas Glück auch die letzte.

Ezr schwebte etwa tausend Sekunden vor Beginn der Vorstellung bei Benny ein. Bis zum letzten Augenblick hatte er vorgehabt, es sich von seinem Zimmer aus anzusehen, aber der Masochismus hatte wieder eine Runde gewonnen. Er setzte sich unter die Menge und hörte schweigend dem Geplauder zu.

Bennys Biersalon war die zentrale Institution ihrer Existenz bei L1 geworden. Der Salon war jetzt sechzehn Jahre alt. Benny selbst war in einem Fünfundzwanzig-Prozent-Dienstzyklus; er und sein Vater teilten sich in den Betrieb mit Gonle Fong und anderen. Die alte Bildtapete hatte stellenweise Blasen bekommen, an manchen Stellen funktionierte die Illusion einer dreidimensionalen Ansicht nicht mehr. Alles hier war inoffiziell, entweder von anderen Stellen der L1-Wolke angeeignet oder aus Diamanten und Eis und Luftschnee hergestellt. Ali Lin hatte sogar eine Pilzmatrix hervorgebracht, die die Züchtung unglaublichen Holzes mitsamt Maserung und einer Art Jahresringen erlaubte. Irgendwann während Ezrs langer Abwesenheit waren die Bar und die Wände alle mit dunklem, poliertem Holz getäfelt worden. Es war nun ein gemütlicher Ort, fast etwas, das freie Menschen von der Dschöng Ho machen könnten…