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Langes Schweigen folgte, dann fragte Colonel Malin in respektvollem Ton: »Alle Kriegsschiffe, Madam Präsidentin?«

»Ja, das sagte ich doch gerade«, herrschte sie den Mann an. Was sie an der Frage so ärgerte, wusste sie selbst nicht so recht. Sie tat, als würde sie das leise Raunen im Kommandozentrum ebenso wenig bemerken wie die erstaunten und dankbaren Blicke der Arbeiter. Seid ihr zufrieden, weil ich euch nicht allein dem Tod überlasse? Kann man eure Loyalität so einfach kaufen?

Drakon kam auf sie zu. Er bewegte sich wieder auf diese selbstsichere Art, die Iceni so gut gefiel, auch wenn ihr das bislang gar nicht bewusst gewesen war. Sie mochte es, wie er zielstrebig und unbeirrt einen Fuß vor den anderen setzte. Er war wie ein unverrückbarer Fels in einer Welt, in der nichts länger gewiss war. »Gut«, sagte er, als würden sich Icenis Worte auf eine zuvor geäußerte Vereinbarung beziehen. »Dann sollten wir jetzt über unsere Pläne reden, wie wir diesen Planeten verteidigen können.«

»Auf jeden Fall«, entgegnete sie. Ein Mann, der nach außen hin meine Entscheidungen ohne zu zögern unterstützt und der dennoch seine eigene Autorität wahrt. Wärst du doch bloß kein CEO, Artur Drakon. Einen Mann wie dich könnte ich lieben, wenn ich wüsste, ich kann ihm vertrauen.

Ihr Blick wanderte kurz zu Colonel Malin, um nach Hinweisen auf einen warnenden Ausdruck in seinen Augen oder in seiner Haltung zu suchen. Drakon hatte keine Ahnung, dass Malin sie jahrelang mit Insiderinformationen versorgt hatte. Hätte Drakon vorgehabt sie zu hintergehen, dann wäre Malin als einer seiner vertrauenswürdigsten Adjutanten von ihm eingeweiht worden. Aber Malin gab ihr keinerlei warnenden Hinweis, als sie neben Drakon zu einem der gesicherten Konferenzräume ging, in die man vom Kommandozentrum aus gelangen konnte.

»Was genau hat Ihre Kommodor gesagt?«, wollte Drakon wissen, als sich die Tür hinter ihnen schloss und die Sicherheitsleuchten auf Grün umschlugen, um anzuzeigen, dass alle Schutzmechanismen des Raums aktiviert waren.

Iceni sagte es ihm.

»Verdammt«, murmelte er. »Sie ist tatsächlich eine Idealistin. Ich hätte nicht gedacht, dass es so was in den Syndikatwelten oder irgendwo anders noch gibt.«

»Wahrscheinlich wird ihre Art in diesem Sternensystem nicht mehr lange existieren. Sie macht mir Sorgen«, räumte Iceni ein.

»Das kann ich verstehen. Aber bei einem solchen Kampf brauchen Sie jemanden von ihrer Art.«

»Und wenn der Kampf vorüber ist?«, fragte sie.

»Das stärkste Pferd ist am schwierigsten zu bändigen«, antwortete Drakon.

»Was soll denn das bitte bedeuten?«

»Es bedeutet, dass die besten Untergebenen geführt, nicht gegängelt werden müssen. Normalerweise zahlt sich das dann aber in einer Krisensituation aus.« Er sah sich um und bewegte die Hände, als suche er für sie nach irgendeiner Beschäftigung. »Meine Truppen graben sich momentan weiter ein. Diese Aktivität spielt sich vor allem in den Großstädten ab, was einige Bürger beunruhigen könnte. Aber wenn es zum Kampf auf Leben und Tod kommt, können meine Soldaten in einer besiedelten Umgebung länger durchhalten, selbst wenn die Enigmas alles in Trümmer schießen.«

Iceni stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch in der Mitte des Raums auf und starrte die Oberfläche aus synthetischer Koralle an, während sie vor dem geistigen Auge die zahlreichen Inseln sah, die über ihre Welt verteilt lagen. »Die Aliens sind viereinhalb Lichtstunden entfernt. Wenn ihre Schiffe genauso arbeiten wie unsere, dann bleiben uns noch drei bis vier Tage, bis sie hier eintreffen, natürlich abhängig davon, ob sie ihren momentanen Kurs beibehalten. Wäre es sinnvoll, die Bevölkerung zu evakuieren und sie auf die Inseln zu verteilen?«

»Hätten sie da auch zu trinken und zu essen?«

»Aus dem Ozean. Die Fischerboote könnten mit ihrem Fang statt zu den Hafenstädten zu den Inseln fahren. Außerdem verfügen wir über etliche mobile Entsalzungsanlagen.«

Drakon zuckte mit den Schultern und schaute unzufrieden drein. »Sie müssen das entscheiden, aber die Bürger draußen auf den Inseln? Ich weiß nicht, aber wenn die Enigmas mit ihren Schiffen zu nahe kommen, werden sie die Menschen bemerken.«

»Und dann wird jede Insel zum Ziel für ein Bombardement«, fügte Iceni hinzu. »Und auf den Inseln stellen die Leute ein konzentrierteres Ziel dar.« Sie wusste, wie das ablief. Im Krieg gegen die Allianz hatte sie an einigen planetaren Bombardements teilgenommen. Um die Erinnerungen daran machte sie stets einen großen Bogen, und gelegentlich litt sie immer noch an Albträumen, auch wenn jede Behandlungsmethode der modernen Wissenschaft zum Einsatz gekommen war. Die Therapien hätten dem Patienten — ihr — helfen sollen mit dem zurechtzukommen, was er gesehen — oder getan — hatte. Doch … »Die Landfläche der Inseln genügt nicht, um die Menschen weiträumig zu verteilen.«

»Richtig«, stimmte Drakon ihr zu. »Der Platz dort reicht nicht aus.«

»Und jedes großes Projektil, das im Wasser landet, löst Flutwellen aus, die die flacheren Inseln überspülen werden. Ich werde tun, was ich kann, um die Bürger zu beruhigen, und ich werde eine begrenzte Evakuierung in die Wege leiten. Vielleicht werden die Enigmas keine zivilen Familien abschlachten, wenn die unbewaffnet sind und erkennbar keine Bedrohung darstellen.« Sie wusste, das war nur Wunschdenken. Drakon versuchte nicht so ganz erfolgreich, seine Skepsis zu überspielen, aber das konnte sie ihm auch nicht verübeln.

»Wir wissen nicht, was aus den Bürgern in den Sternensystemen geworden ist, die von der Enigma-Rasse übernommen wurden«, gab er zu bedenken.

»Wir wissen allerdings, dass wir danach nie wieder etwas von ihnen gehört haben«, gab Iceni zurück und atmete tief durch. Sie straffte die Schultern und sah Drakon in die Augen. »Ich werde tun, was in meiner Macht steht, und von Zeit zu Zeit Mitteilungen an die Enigmas und an Boyens schicken. Wenn jemand reagiert, werde ich mit ihm verhandeln.«

»Und ich werde dafür sorgen, dass meine Truppen bereit sind, wenn die Enigmas hier eintreffen.« Er salutierte, doch nicht ernsthaft. »Haben Sie schon mal diese alten Dramavideos gesehen? In denen es um dieses antike Reich mit den Arenen ging, in denen bis zum Tod gekämpft wird?«

»Ja, die Gladiatoren. Die Todgeweihten grüßen dich.« Sie erwiderte den Salut und lächelte zynisch. »Werden Sie mich hintergehen, Artur?«

Er sah sie an, blieb aber ernst. »Nein. Glauben Sie mir das?«

Das möchte ich gern. »Ich glaube, wir beide haben keine Chance, das hier zu überleben, ganz gleich was wir auch unternehmen. Es ist wirklich ärgerlich. Ich hatte immer darauf gehofft, selbst über meinen Tod zu bestimmen.«

Drakon sah finster zu Boden, dann wandte er sich ihr wieder zu. »Es wird kein Messerstich in den Rücken sein. Nicht von mir.«

Er klang so, als meinte er das ernst.

»Was zum Teufel machen die da?« Iceni war so frustriert, dass sie laut aussprach, was ihr durch den Kopf ging. »Zwölf Stunden sind inzwischen vergangen, und die hocken einfach weiter da rum.«

Die einzige andere Person im Büro abseits des Kommandozentrums war Mehmet Togo, der unschlüssig zu sein schien, was er darauf erwidern sollte.

Iceni betrachtete die deutlich kleinere Version des über dem Konferenztisch schwebenden Sternendisplays. »Ich weiß, was Boyens macht. Er hat mir nicht geantwortet, und seine Flotte rührt sich nicht, weil er das Risiko für sich selbst möglichst klein halten will. Er wird gar nichts tun und allenfalls vorgeben, dass er sich bereithält, um zur Rettung der Menschen in diesem System zu eilen, während er in Wahrheit alle Vorbereitungen trifft, um zum Hypernet-Portal zu rasen und zu entkommen.«