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»Ich bin kein Manager«, sagte Drakon energischer als beabsichtigt. »Ich bin ein Anführer.«

»Und seine Truppen werden ihm folgen, wohin er auch geht«, ergänzte Malin.

Iceni sah Malin an und verzog den Mund minimal zu einem sehr schwachen Lächeln, ihr Blick war abwägend. Es war die Art Blick, die in den Syndikatwelten jeder unterhalb des Dienstgrads eines CEO fürchtete. So drückte sich jene Art von Beurteilung des Wertes eines Individuums aus, die zu einer Beförderung führen konnte. In den meisten Fällen leitete sie jedoch eine Degradierung oder sogar eine Verurteilung zum Arbeitslager ein. »Ich bin nicht Ihr General, Colonel Malin. Und ich bin nicht annähernd so nachsichtig, was Widerspenstigkeit bei meinen Untergebenen betrifft, wie der General. Das gilt nicht einmal für diejenigen, die wertvolle Vorschläge machen. Denken Sie immer daran, wenn Sie mit mir reden.«

Malin versteifte sich. »Ich habe verstanden und werde mich daran halten, Madam Präsidentin.«

»Gut.« Iceni wandte sich um und ging fort. Dabei hob sie die Hand, in der sie ihre Komm-Einheit hielt, und begann leise zu reden. Ihre persönliche Privatsphäre sorgte dabei einmal mehr dafür, dass niemand in ihrer unmittelbaren Umgebung imstande war mitzuhören.

Drakon sah ihr nach. Der einzige Trumpf, den Iceni gegenüber Boyens in der Hand hat, ist der, mich ans Messer liefern zu können. Aber ohne mich wird sie es nicht schaffen, die Kontrolle über diesen Planeten und das Sternensystem zu behalten. Das weiß sie auch, und vielleicht gefällt ihr das ja nicht. So wie ich ist sie in einem System aufgewachsen, in dem man dazu angehalten wurde, sich nur auf sich selbst, aber auf niemanden sonst zu verlassen. Selbst wenn sie mich nicht hintergehen will, muss Iceni doch in diesem Moment über die Optionen nachdenken, die ihr ein Überleben sichern. Was wird sie tun, wenn sie nur noch zwischen mir und sich selbst wählen kann?

Welche Pläne Iceni auch immer schmieden mochte, es konnte noch Stunden dauern, ehe die zum Tragen kamen — sofern sie überhaupt etwas plante. Seine Verteidigungsmaßnahmen gegen sie mussten immer berücksichtigen, dass er Gwen Iceni genauso brauchte wie sie ihn und dass sie in allen Dingen sehr gut war, wenn sie ihnen ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte.

Auf dem Hauptdisplay hinter Malin waren überdeutlich all die externen Bedrohungen zu sehen, die einen verzweifelten internen Überlebenskampf zwischen ihm und Iceni auszulösen vermochten. Doch es würden immer noch Stunden vergehen, bis die an die Enigma-Flotte und an die von CEO Boyens befehligte Syndikat-Flotte geschickten Nachrichten eintrafen, da sie mit Lichtgeschwindigkeit kriechend die immensen Entfernungen des Weltalls zurücklegen mussten. Sollten sie zu Reaktionen oder Erwiderungen führen, so würde es fast noch einmal genauso lange dauern, ehe man sie sehen oder hören konnte. Das ließ einem Zeit, um Pläne auszuarbeiten und um sich darauf vorzubereiten, zur Tat zu schreiten. Zeit, um sich Gedanken über die Pläne des Partners zu machen und sich zu überlegen, wie man darauf reagieren sollte. Zeit für die Bürger, um zu begreifen, wie ernst die Lage in Wirklichkeit war. Zeit, dass sie mit Panik und Zorn reagieren konnten, ganz so wie das Syndikat-System es vom Pöbel erwartete. Oder um die Entschlossenheit und Zuverlässigkeit an den Tag zu legen, die er und Iceni bei den Arbeitern hervorzurufen hofften, indem sie ihnen zunehmende individuelle Verantwortung übertrugen. Zeit für Fehltritte und Missverständnisse unter mutmaßlichen Freunden und Verbündeten, die schwereren Schaden anrichteten als jede vorsätzliche Boshaftigkeit.

Freunde und Verbündete. Drakon schaute zu Iceni, die das Display betrachtete und für einen kurzen, unüberlegten Moment finstere Furcht erkennen ließ — jedoch nicht mit Blick auf die Enigma-Flotte oder die Syndikat-Flotte, sondern auf die Darstellung der Midway-Flotte. Auf jene Kriegsschiffe, auf denen Icenis Macht beruhte. »Colonel Malin«, wandte Drakon sich an seinen Untergebenen, »können Sie irgendwelche denkbaren Szenarien entwickeln, in denen die Kriegsschiffe der Midway-Flotte überleben werden, selbst wenn es dem Rest von uns irgendwie gelingt durchzukommen?«

Malin hielt sekundenlang inne, dann schüttelte er den Kopf. »Wenn nicht ein Wunder geschieht, wüsste ich nur eines, Sir: Sie müssten die Flucht zu einem unbewachten Sprungpunkt antreten. Dann kann niemand sie mehr aufhalten, auch wir nicht.«

»Und das wissen die Offiziere und Arbeiter auf diesen Schiffen sicher auch.«

»Ja, Sir. Und Kommodor Marphissa ebenfalls. Sie beherrscht ihr Fach so gut, dass sie weiß, welches Schicksal ihr gewiss ist, wenn ihre Schiffe sich nicht in Sicherheit bringen.«

»Also selbst wenn wir irgendwie überleben sollten, wird das diesen Kriegsschiffen nicht gelingen, wenn sie nicht die Flucht antreten. Wenn sie bleiben, sind sie zum Untergang verdammt.« Iceni würde den Schutzschild verlieren, der sie bislang vor dem Hammer von Drakons Bodenstreitkräften bewahrt hatte. Sie hätte dann nichts mehr in der Hand, um mit ihm oder Boyens zu verhandeln.

»Ja, aber wenn die Kriegsschiffe fliehen«, hielt Malin dagegen, »dann ist unser Schicksal besiegelt. Ohne die Schiffe haben wir keine Chance, die Enigmas mit einem Bluff zum Rückzug zu bewegen oder mit CEO Boyens zu verhandeln. Entweder sie ziehen in eine aussichtslose Schlacht, die ihnen nur den Tod bringen kann, oder aber sie bringen sich selbst in Sicherheit und garantieren damit unser Ende.«

Wäre Marphissa eine Syndikats-CEO gewesen, hätte Drakon gewusst, welche Reaktion er von ihr erwarten konnte. Eine aussichtslose Schlacht konnte keinen Profit bringen. Aber da Marphissa wusste, wie maßgeblich ihre Entscheidungen für Icenis Überleben waren, stellte sich die Frage, welchen Preis sie im Gegenzug für die fast sichere Opferung der Kriegsschiffe fordern mochte; die Kommodor, die im Syndikats-System aufgewachsen war.

Kein Wunder, dass Iceni die Darstellung ihrer Kriegsschiffe auf dem Display so eindringlich beobachtete und insgeheim schon mit dem Schlimmsten rechnete.

Ein durchdringender Pfeifton kündigte den Erhalt einer Nachricht von hoher Priorität an. »Kommodor Marphissa möchte Sie sprechen, Madam Präsidentin«, verkündete der Komm-Spezialist.

Zwei

»Madam Präsidentin«, sagte Kommodor Asima Marphissa in einem übertrieben formalen Tonfall, als würde sie eine Grabrede halten. »Sie müssen mir die Optionen nicht erklären, die uns zur Verfügung stehen.«

»Nein«, erwiderte Iceni und versuchte, weder ihren Worten noch ihrem Mienenspiel jene eisige Kälte anmerken zu lassen, die Besitz von ihrem Inneren genommen hatte, während sie darauf wartete, dass Marphissa entweder offenen Verrat an ihr beging oder einen hohen Preis für ihre weitere Loyalität forderte. Sie hatte das Kommandozentrum nicht verlassen, und sie wusste, dass Drakon nicht weit entfernt stand und sie beobachtete, auch wenn er von der Unterhaltung selbst nichts mitbekam.

Da sich Marphissas Flaggschiff (vormals der Schwere Kreuzer C-448 der Syndikatwelten, nun umgetauft in Manticore) im Orbit um den Planeten aufhielt, gab es bei der Übermittlung keine spürbare Verzögerung. Dennoch hielt Marphissa inne, als sei sie sich nicht sicher, ob sie weiterreden sollte.

Der erste massive Verrat ist immer der schwerste, dachte Iceni verbittert. Keine Sorge, Mädchen, das fällt dir mit der Zeit immer leichter. Doch die nächsten Worte der Kommodor waren ganz andere als die, die Iceni erwartet hatte.

»Ich bitte um Erlaubnis, mit der Flotte meine Position zu verlassen, damit wir uns den beiden Schweren Kreuzern bei der Einrichtung der mobilen Streitkräfte im Orbit um den Gasriesen anschließen können.«