»Vielleicht können wir einen Weg finden, mit ihnen zu reden«, meinte Joshi. »Auf dem Schiff ist das auch gelungen.«
»Womit?«sagte sie. »Kein Stift, kein Papier — und außerdem könnte hier ohnehin keiner lesen, was ich schreibe. Aber wir kapitulieren noch nicht. Irgend etwas wird sich ergeben.«Sie versuchte ihn zu trösten.
Er war nicht überzeugt, und sie konnte es, wenn sie ehrlich war, auch nicht sein. Alles deutete darauf hin, daß ihnen diesmal keine Rettung winkte.
Früher war sie auch aus den schwierigsten Lagen entkommen, sogar auf Neu-Pompeii, wo Obie ihr die Codes gegeben hatte, damit sie Treligs System kreisender Roboterstationen überwinden konnte.
Immer und immer wieder hatte sie einen Ausweg gefunden. Sie hatte schließlich sogar damit gerechnet, daß das Unwahrscheinliche eintrat, daß sie im letzten Augenblick um Haaresbreite davonkommen würde, obwohl in irgendeinem Winkel ihres Gehirns die Erkenntnis gelauert hatte, daß eines Tages die Rettung ausbleiben mußte.
Aber das war nicht die Gelegenheit, sagte sie sich; sie durfte es nicht sein.
Doch sie gab reumütig vor sich selbst zu, daß die Rettung diesmal von außen kommen mußte. Zunächst konnte sie sich nur hinlegen und Zuflucht vor der trockenen Hitze im Schlaf suchen.
Die Sonne ging unter. Nach wenigen Minuten würden die langen Schatten das WRG einholen, während es um die Oasenstadt polterte und schwankte. Schon waren in den Straßen Petroleumlampen entzündet worden, die man von den Wachtürmen des WRG aus erkennen konnte. Das Risiko wurde durch sie kaum vermehrt. Jeder Gegner konnte am Geruch des Wassers feststellen, wo sich die Stadt befand.
Mor-ti hatte Ti-gan am Kommandostand ersetzt; sie sah nachts viel besser als er. Seltsamerweise war die Bedrohung nachts viel geringer. Da die Mucrolier nachts sehr schlecht sahen, mußte ein Angreifer in fremdem Gelände vorrücken, das von den Verteidigern scharf bewacht wurde. Solche Attacken waren zwar vorgekommen, aber man atmete im WRG doch auf; die meisten Leute hatten das Wasserloch aufgesucht, und nur die Nachtwache blieb an Bord.
Wieder kam der sechste Sinn, der die besten Ausguckleute auszeichnete, zum Tragen. Mor-ti konnte nicht sagen, was es war, aber sie spürte, daß irgend etwas nicht stimmte, und wies den Maschinenraum an, langsam zu fahren.
Vom Westen wehte eine Brise von der fernen See. Sie war ein wenig stärker als sonst und trieb den Rauch aus dem Schornstein fast waagrecht durch die Luft.
Sie lauschte angestrengt über dem Dröhnen der Motoren und dem Zischen der Dampfkessel. Dort draußen war irgend etwas.
Sie blies in das Sprachrohr.
»Zwei Späher nach oben!«befahl sie. »Hier ist etwas im Gange. Druck halten. Wir —«Bevor sie weitersprechen konnte, knallte es auf ihrer rechten Seite ein paarmal, dann brauste und pfiff es rund um das WRG.
»Alle Mann auf Station!«kreischte sie ins Rohr. »Wir werden angegriffen! Vorwärts! Zickzack-Fahrt!«
Das WRG setzte sich brüllend in Bewegung; Mor-ti zog Panzerplatten an ihrem Kommandostand hoch und starrte durch Augenschlitze.
Wieder knallende Geräusche und Explosionen, näher jetzt, überall. Kleine Metallsplitter prasselten, als Schrapnelle die Stahlflanken des WRG behämmerten.
Beobachter an Bug und Heck versuchten das Mündungsfeuer des angreifenden WRG zu erkennen, denn darum mußte es sich handeln. Ein Geschoß traf das WRG und detonierte. Die Verteidiger schrien vor Wut und Enttäuschung auf.
»Hart rechts, Streufeuer!«schrie Mor-ti. »Vielleicht können wir sie ausräuchern!«
Luken klappten klirrend herunter, und als das Fahrzeug sich abrupt drehte, ratterte eine Salve hinaus.
Mor-ti glaubte das feindliche Fahrzeug im erlöschenden Licht der Leuchtgranaten zu erkennen. Sie richtete ihr WRG dorthin. Der Schußwinkel bewies, daß sie recht hatte; die neue Salve fegte über ihr Fahrzeug hinweg und detonierte hundert Meter dahinter.
Plötzlich begriff der gegnerische Kommandeur, daß er angegriffen wurde; er drehte sein schwarzgestrichenes Fahrzeug und ließ an der Vorderseite ein Gerät ausfahren, das wie ein riesiger Dosenöffner aussah.
Das WRG der Verteidiger kam mit voller Fahrt heran, was bedeutete, daß er einen guten Viertelkilometer brauchte, um ganz drehen zu können; der Angreifer verlangsamte die Fahrt und wartete. Die Geschütze schwiegen.
Als der Verteidiger sich näherte, kam er auf der rechten Seite des angreifenden Panzerfahrzeugs vorbei. Der Kommandeur der Angreifer schrie plötzlich:»Volle Kraft voraus!«, und sein WRG rumpelte dröhnend vorwärts.
Der Angreifer traf die Seite des verteidigenden WRG, nicht genau mittschiffs, wie erhofft, sondern knapp dahinter, und die scharfe Korund-Klinge am Bug bohrte sich in das Fahrzeug.
Die Dampfventile des getroffenen WRG kreischten wie lebendige Wesen; ein Dampfkessel war getroffen worden, und Mor-tis Fahrzeug bäumte sich auf und kroch langsam in die Dunkelheit. Der Angreifer schrie in sein Sprachrohr:»Kerosin einfüllen!«, während sein WRG dem getroffenen nachrumpelte.
Der feindliche Befehlshaber bemühte sich, für einen Versuch mit dem Flammenwerfer auf die Bresche zu zielen.
Die Methode war nicht ungefährlich; der Druck im Flammenwerfer-Rohr ließ sich nicht lange halten, das WRG selbst mußte das Zielen übernehmen, und sobald das Kerosin entzündet war, würde es sie zu einer unübersehbaren Zielscheibe machen.
»Zünden!«schrie der Kommandeur.
Eine kleine Gestalt am Bug strich den Zünder an. Er war ein Ziel, auf das die Verteidiger sich einschießen konnten, und sie taten es, aber der Angreifer entzündete einen Strom von unter Druck stehendem Kerosin, der durch die Fackel floß und Feuer fing.
Plötzlich leckte ein langer, bleistiftdünner Feuerstrahl nach den Schießscharten des Verteidigers und näherte sich der Bresche. Es mußte schnell gehen, weil die Menge des Kerosins begrenzt war, aber der Kommandeur des angreifenden Fahrzeugs manövrierte sein WRG so geschickt heran, daß er den Strahl flüssigen Feuers in die Lücke lenken konnte.
Endlich hörte er Schreie aus dem Inneren des beschädigten WRG, als das Kerosin sein Ziel fand und das Feuer sich ausbreitete. Der Maschinenraum mit seinen empfindlichen Gummischläuchen und dem hölzernen Aufbau wurde sofort davon erfaßt, und das Fahrzeug kam zum Stillstand, da die Heizer nicht gleichzeitig den Dampfdruck aufrechterhalten und das Feuer bekämpfen konnten.
Der Angreifer fühlte sich dem Sieg nahe, rammte das andere WRG und schob es vor sich her. Das getroffene Fahrzeug wurde hochgehoben, kippte und stürzte mit ohrenbetäubendem Krachen um.
Der schwarze Angreifer stieß zurück. Schon sprangen die Infanteristen aus den Heckluken und stürmten auf die Stadt zu.
Die Verteidiger waren nicht untätig geblieben. Der Kesselraum wurde aufgegeben, und die Truppen im umgestürzten WRG verschwanden in der Dunkelheit, während andere in der Stadt ausschwärmten. Überall erloschen Petroleumlampen und hinterließen Dunkelheit, die kaum mehr erhellt war von den Sternen.
Es kam sofort zu Gefechten, und die feindlichen Truppen wurden von verschiedenen Seiten angegriffen, bis die Kanonen in der Stadt zu sprechen begannen.
Das WRG wendete, brauste zurück, wies der Stadt die Breitseite und begann zu feuern.
Aufgleißende Blitze erhellten die Szene und ließen Hunderte von kleinen, dunklen Gestalten als Silhouetten hervortreten.
In der Stadt regnete das Feuer des attackierenden WRG mit tödlicher Wirkung herab. Die Bombardierung riß klaffende Löcher in die Pueblos, und die Leute begannen schreiend hin und her zu laufen.
Mavra und Joshi kauerten in ihrem Käfig, er voller Angst, sie voller verzweifelter Wut.
Jemand lief auf den Platz hinaus.
»Treibt die Tiere auseinander!«brüllte er. »Verschmutzt das Wasser! Hinaus! Hinaus!«
Gestalten liefen durcheinander, entschlossen, den Angreifern die Früchte ihres Sieges vorzuenthalten. Jemand kam zu den Ställen und öffnete die Tore, und die Tiere rannten in Panik in alle Richtungen davon. An Mavras Käfig blieb er jedoch nicht stehen, sondern lief weiter.