»Joshi! Wir können wieder sprechen!«rief sie aufgeregt.
Er sah sie mit seinem Pferdekopf an.
»Jetzt sind wir also sprechende Pferde, wie?«sagte er mürrisch. »Was kommt danach? Schmeißfliegen?«
»Ach, hör doch auf«, meinte sie. »Wir sind nicht schlechter dran als vorher. Wir sind am Leben, wir sind gesund, wir sind zusammen.«
Das letzte schien ihm zu gefallen. Es war das erstemal, daß sie so etwas zu ihm gesagt hatte.
»Gut, gut«, gab er zurück. »Wer hat uns jetzt in der Hand? Das Ding auf dem Pferd oder der Schmetterling?«
Sie schaute sich um.
»Ganz sicher der Schmetterling. Warum und wozu, weiß ich noch nicht, aber wir werden es sicher bald erfahren.«
Sie unterhielten sich, mehr aus der Freude heraus, wieder dazu fähig zu sein, als zu einem bestimmten Zweck. Sie waren beide nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, wie sehr ihre Isolierung sie beeinträchtigt hatte.
Nach etwa einer halben Stunde glitt summend eine Tür zur Seite. Eine Yaxa kam herein. Sie sah in Schwarzweiß nicht weniger bedrohlich aus als vorher in Farbe.
»Ich stelle fest, Sie sind wach«, sagte sie kalt. »Ich bin Wooly. Sie wissen, wer Sie sind, und ich weiß es auch.«
»Was wird hier gespielt?«fragte Mavra scharf.
Woolys Totenkopf starrte sie an.
»Möchten Sie nach Neu-Pompeii zurück?«fragte sie.
Mavra stockte der Atem. Neu-Pompeii! Der Weltraum! Die Sterne! »Aber…… als Pferd bin ich eine tolle Pilotin!«ergänzte sie sarkastisch.
Woply zeigte keine Reaktion.
»Wir brauchen Sie nicht als Pilotin, allenfalls als Ersatzperson. Erinnern Sie sich an Ben Yulin?«
Mavra dachte kurz nach. Sie hatte von Yulin, dem jungen Wissenschaftler an Treligs Testkonsolen, wenig gesehen. Sie sah nicht einmal sein Bild vor sich. Sie hatte nur mit Trelig zu tun gehabt, nicht mit Yulin.
»Undeutlich«, erwiderte sie. »Ein Wissenschaftler, der für Trelig tätig war. Und? Ich weiß, ihr habt euch auf ihn verlassen, um nach den Kriegen vor über zwanzig Jahren nach Neu-Pompeii zu kommen. Das hat nicht geklappt, wie?«
Wooly ging nicht darauf ein.
»Wir haben Yulin, wir können in den Norden gelangen, wir können Neu-Pompeii erreichen, aber es wird nicht leicht sein. Sie sind unser Notsystem. Würden Sie einem ehemaligen Gehilfen von Antor Trelig trauen?«
Sie mußte zugeben, daß sie es nicht tun würde. Aber sie würde auch Mavra Tschang nicht trauen, die den Yaxa keine Treue schuldete.
»Es hat nicht vielmehr mit der Tatsache zu tun, daß Ortega mich nicht einsetzen kann, wenn ich bei euch bin?«fragte sie.
Die Fühler der Yaxa schwankten ein wenig.
»Das gehört mit dazu, ja. Wir könnten Sie aber auch töten, dann wäre das erledigt. Nein, wir brauchen Sie als Bremse gegenüber Yulin. Wir wollen noch jemanden haben, der Neu-Pompeii kennt, und wir brauchen jemanden, der dafür sorgen kann, daß er uns nicht hereinlegt. Die Geeignetste dazu, die wir finden können, sind Sie.«
»Aber warum Pferde?«warf Joshi gereizt ein.
»Verwandte von Pferden, ja«, sagte Wooly, »aber keine Pferde. Sie sind zum einen außerordentlich kräftig.«
»Damit wir helfen können, die Fracht zu schleppen«, erklärte Mavra. »Das ist mir klar.«
»Außerdem sind Ihre neuen Körper nicht strenge Pflanzenfresser. Ihre Gattung stammt aus Furgimos, einem Hex im Osten, und Sie können fast alles essen, wie vorher als Schweine. Sie vermögen sehr viel Wasser zu speichern. Zwei Wochen lang oder länger. Sie werden einsehen, daß die Reiseprobleme dadurch verringert werden.«
»Ich nehme an, wir haben einen weiten Weg vor uns, sobald wir im Norden sind«, sagte Mavra.
»Einen sehr langen. Zum einen können die erforderlichen Atemgeräte nur in halb-technischen oder hoch-technischen Hexagons verwendet werden, so daß der kürzeste Weg ausscheidet. Der kürzeste Weg unter Aussparung von nicht-technischen Hexagons kommt nicht in Frage, weil die Poorgl außerordentlich bösartige Hoch-tech-Wesen sind, die uns töten würden. Wir haben sieben Hexagons zu bewältigen.«
Die Pferde begannen nachzurechnen, aber Wooly sagte sofort:»Es sind insgesamt ungefähr 2400 Kilometer. Eine riesige Entfernung.«
Joshi war entsetzt.
»So weit im Norden! Ohne Luft, ohne Nahrung und Wasser, sofern wir nicht alles mitschleppen? Ausgeschlossen!«
»Nicht ausgeschlossen«, sagte die Yaxa. »Schwierig. Sie vergessen, daß wir sehr viel Zeit hatten, dieses Unternehmen vorzubereiten, auf diplomatischem wie auf logistischem Gebiet. Ungefähr tausend Kilometer davon werden hart werden. Auf den übrigen Strecken werden wir Transportmittel finden und von angelegten Stützpunkten Vorräte entnehmen können. Trotzdem, es wird schwer und gefährlich werden.«
»Und was ist mit uns?«fragte Mavra. »Wie sollen wir atmen, wie will man uns schützen?«
»Ich habe gesagt, daß es mehrere Gründe dafür gibt, warum Sie Pferde sind. Die Dillianer — Sie erinnern sich vielleicht, sie sind Zentauren — haben, in welchem Teil des Raumes ihre Kolonie auch begonnen hat, zur Raumfahrt gefunden. Wir haben zwei von den Anzügen und einen Ersatzanzug von Dillia-Neuzugängen beschafft und sie leicht umbauen können«, erklärte die Yaxa. »Sie sind für Pferdekörper gedacht, funktionieren aber in der Hauptsache wie die Ihrigen — unter Druck passen sie sich den Umrissen an. Alles ist vorbereitet.«
»Und wann beginnen wir mit der Expedition?«fragte Mavra.
»Morgen. Morgen früh«, erwiderte die Yaxa und entfernte sich. Die Tür schloß sich hinter ihr.
Sie standen minutenlang da und dachten nach. Plötzlich bemerkte Mavra, daß Joshi erregt mit dem Hinterteil wackelte.
»Was ist denn?«fragte sie. »Machst du dir Sorgen?«
»Das ist es nicht«, erwiderte er dumpf. »Mavra, würdest du zwischen meine Hinterbeine hineinsehen und mir sagen, was du sieht?«
Sie senkte den Kopf und tat es.
»Nichts«, sagte sie. »Warum?«
»Das dachte ich mir«, rief er klagend. »Verdammt, Mavra! Ich glaube, sie haben ein Pferdemädchen aus mir gemacht!«
Ortegas Büro, Zone Süd
Das Sprechgerät auf Serge Ortegas Schreibtisch summte, und er drückte auf die Taste.
»Ja?«
»Sie sind hier, Sir«, sagte seine Sekretärin.
»Schicken Sie sie herein.«
Die Tür glitt zur Seite, und zwei Wesen hüpften langsam herein. Sie hatten große Ähnlichkeit mit eineinhalb Meter großen Fröschen, die Beine waren entsprechend lang, obschon einer etwas kleiner und von hellerem Grün war. An ihren weißen Unterbäuchen waren verschlungene Symbole auftätowiert.
»Antor Trelig.«
Ortega nickte. »Und?«
»Meine Frau Burodir«, erwiderte der größere Frosch.
»Entzückt«, erwiderte der Schlangen-Mann trocken. Er schaute sich um. Es gab Plätze, wo Uliks sich zusammenrollen konnten, einige Sessel und ein Sofa für humanoide Besucher, aber für Frösche schien nichts Passendes vorhanden zu sein. »Setzen Sie sich, wenn irgend etwas dazu geeignet ist.«
Die Sessel waren es, überraschenderweise. Als die Frösche saßen, wirkten sie beinahe menschlich.
»Sie wissen, was los ist, nehme ich an, also will ich nicht lange herumreden«, begann Ortega. »Die Yaxa haben Mavra Tschang, und sie stehen im Begriff, mit Tschang und Yulin jeden Augenblick in den Norden aufzubrechen. Wir müssen hin — wenn nicht vor ihnen, dann ungefähr zur selben Zeit wie sie. Der Weg wird mühsam, und am Ende kann es zu einem Kampf kommen. Es läuft auf eine Neuausgabe der Sechseck-Welt-Kriege im kleinen Maßstab auf neutralem Boden hinaus.«
Trelig nickte.
»Verstehe. Sie können auf meine volle Unterstützung zählen, Botschafter Ortega.«
»Unterstützung, ja — aber ich glaube, wir verstehen uns, Trelig«, sagte der Ulik betont. »Fallen Sie mir nicht in den Rücken. Ich schicke einige Leute als meine Vertreter mit. Einer davon ist ein Agitar, und Sie wissen, über welche Kräfte er verfügt.«