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„Es war ein zweites, ganz unerwartetes Wiedersehen.“

„Mit wem? Kenne ich ihn?“

„Auch sehr gut.“

„Ein Pariser?“

„Ja. Der Lumpenkönig.“

„Alle Teufel! Lemartel?“

„Ja.“

„Wenn das wahr wäre!“

„Natürlich ist es wahr!“

„Er ist wirklich da?“

„Freilich.“

„Was mag der in Algier wollen?“

„Ich weiß es bereits, obgleich es nicht leicht war, dies auszuspionieren. Er hat nämlich so etwas wie eine Armeelieferung übernommen, wahrscheinlich für hiesige Truppen, und hat sich nun an Ort und Stelle begeben, um sich zu informieren.“

„Wo wohnt er?“

„Im Hotel du Nord.“

„Allein?“

„Seine Tochter ist bei ihm.“

„Bedienung?“

„Kein Mensch. Dazu ist er zu geizig.“

„Hat er dich gesehen?“

„Nein. Ich stand am Kai, als er sich ausschiffte, und bin ihm bis ans Hotel gefolgt.“

„Gewiß hat der Kerl Geld mit!“

„Natürlich.“

„Du meinst, wir wollen ihn schröpfen?“

„Wärst du denn mit von der Partie?“

„Auf alle Fälle.“

„Schön! Es kann uns gar nichts Gelegeneres kommen. Wir müssen morgen früh fort sein. Ohne Geld geht das nicht. Wir holen es bei Lemartel.“

„Aber wenn er nichts herausgibt? Du weißt, wie er es mit uns bereits gemacht hat.“

„Nun, so kitzeln wir ihm so lange die Hände, bis er in die Tasche greift.“

„Oder an den Hals.“

„Bis wir in seine Tasche greifen können? Auch gut.“

„Weißt du, welche Zimmer er bewohnt?“

„Natürlich habe ich nicht eher geruht, als bis ich das genau erfahren habe. Er hat drei Zimmer der ersten Etage genommen, zwei für sich und eins für seine Tochter.“

„Wie liegen diese Zimmer?“

„Nummer eins sein Arbeits-, Nummer zwei sein Schlafzimmer und Nummer drei das Boudoir für das gnädige Fräulein.“

„Hm! Wollen wir uns auch an das Mädchen machen?“

„Möglichst nicht.“

„Dann müssen wir kommen, ehe er schlafen geht.“

„Freilich. Später würden wir ja überdies auf keinen Fall zu ihm können.“

„Ah, du willst es wagen, offen zu ihm zu gehen?“

„Das ist das allerbeste.“

„Aber da wird man uns sehen.“

„Was schadet es?“

„Es schadet sehr viel, falls wir Gewalt anwenden müssen.“

„Pah! Man wird uns nicht so genau betrachten. Übrigens haben wir drüben den alten Juden, welcher uns für kurze Zeit zwei Kaftans leihen wird. Das wird uns so verstellen, daß man uns später nicht erkennen kann.“

„Wie weit gedenkst du zu gehen, wenn er sich weigert, in den Beutel zu greifen?“

„Grad so weit, wie er uns treibt.“

„Das heißt, unter Umständen sogar – – – so weit?“

Er fuhr sich dabei mit dem Finger quer über den Hals.

„Ja“, antwortete Vater Main bestimmt.

„Sapperment! In diesem Fall hieß es freilich, das Bündel auf Nimmerwiedersehen schnüren!“

„Wir können nur gewinnen, wenn wir wagen.“

„Gut. Also, wann beginnen wir?“

„Besser ist's, wir versäumen keine Zeit. Gehen wir also lieber schon jetzt zu dem Juden.“

Sie löschten ihre Lampe aus und verließen den Raum. Im Hof halfen sie einander auf die Mauer und sprangen dann in einen Hof hinab. Auch hier herrschte eine wahre Grabesstille. Sie schlichen sich im Schatten nach einer Ecke, wo es eine niedrige Tür gab, an welche sie leise klopften.

Ein unterdrückter Husten ließ sich hören, dem man es anmerkte, daß er als Antwort gelten solle. Aber erst nach einiger Zeit wurde geöffnet. Eine weibliche Stimme fragte leise:

„Wer ist gekommen, zu klopfen an diese Tür?“

„Freunde.“

„Wie heißen sie?“

„Wir sind Nachbarn.“

„Ah, daran erkenne ich die Messieurs!“

„Ist Salomon Levi daheim?“

„Bringen Sie etwas?“

„Nein.“

„Was wollen Sie?“

„Einen Umtausch.“

„So will ich erst sehen, ob er hat Zeit, sprechen zu lassen mit sich wegen Umtausch.“

Sie ging und schloß die Tür vor ihnen zu.

„Verdammte Hexe!“ murmelte der Bajazzo.

„Schimpfe nicht. Die Alte ist ein wahrer Schatz.“

„Willst du ihn heben?“

„Pah! Ich meine natürlich, ein Schatz für ihren Levi.“

„Aber wenn er uns nicht einläßt.“

„Ich hoffe, daß er uns nicht abweist. Er hat die letzten drei Male keinen üblen Handel an uns gemacht. Mir scheint überhaupt, als ob er uns gewogen sei.“

Jetzt wurde die Tür geöffnet. Die Alte streckte den Kopf vor und meldete:

„Die Messieurs sollen kommen.“

Sie ließ die beiden eintreten, verriegelte die Tür und schritt ihnen dann voran. Es schien durch einen langen, engen Gang zu gehen, den die beiden jedenfalls bereits kannten, denn sie folgten der Alten ohne Zaudern, bis diese eine Tür öffnete, aus welcher ihnen der Schein einer trüben Lampe entgegenfiel.

Die Stube, in welche sie eintraten, war sehr klein und enthielt nichts als einen Tisch und vier alte Stühle. Auf ersterem stand die brennende Öllampe, und auf einem Stuhl davor saß Salomon Levi, der sie erwartete.

Dieser Jude war vielleicht sechzig Jahre alt und besaß ein vertrauenserweckendes, ja fast ehrwürdiges Aussehen. Wer ihn nicht kannte, hätte wohl nicht geglaubt, daß er der berüchtigtste Hehler des ganzen Landes sei.

„Rebekka, kehre zurück zum Eingang“, sagte er, „und wache, daß nicht gestört werde unser Gespräch.“

Und als die Alte sich entfernt hatte, fuhr er fort:

„Seid willkommen, Messieurs! Nehmt Platz und sagt, womit ich kann dienen so guten Freunden.“

Sie setzten sich, und Vater Main ergriff das Wort:

„Gute Freunde? Wirklich?“

„Ja. Oder habe ich bewiesen das Gegenteil?“

„Nein.“

„Also, was wünschen Sie?“

„Zwei Kaftans für ganz kurze Zeit.“

„Wie lange ungefähr?“

„Zwei Stunden.“

„Gegen Kaution?“

„Wir haben kein Geld.“

„Hm!“ brummte er bedenklich.

„Wir lassen unsere Röcke hier.“

„Diese Röcke sind nicht viel wert.“

„Na, geben Sie uns getrost Kredit! Wenn wir zurückkehren, werden wir reichlich zahlen.“

Er nickte leise vor sich hin, musterte sie mit einem scharfen Blick, lächelte überlegen und sagte dann:

„Das will ich wohl glauben.“

Es lag etwas in diesen Worten, was den Bajazzo frappierte. Darum fragte er:

„Wie meinen Sie das?“

„Ich meine, daß da, wohin Sie gehen werden, allerdings etwas zu holen ist.“

„Nun, wohin wollen wir denn gehen?“

„Ins Hotel du Nord?“

Beide erschraken.

„Fällt uns nicht ein!“ sagte Vater Main.

Der Jude lächelte überlegen und antwortete:

„Streiten wir uns nicht. Ich kenne meine Leute sehr genau. Ist Ihnen vielleicht der Name Lemartel bekannt?“

„Nein“

„Hm. Sollte ich mich wirklich irren? Sie sind doch geschlichen heute so viel um das Hotel.“

„Ich?“ fragte Main.

„Ja, Sie.“

„Da irren Sie sich.“

Der Jude nickte ihm wohlwollend zu und sagte:

„Sie können immer aufrichtig sein mit mir. Mein Geschäft bringt es mit sich, daß ich überwachen lasse meine Kunden genau. Ich weiß, daß Sie am Hotel du Nord rekognosziert haben. Daraus schließe ich, daß Sie dort etwas beabsichtigen.“

„Und dennoch irren Sie sich. Unser Weg führt nach einer ganz anderen Richtung.“

Er tat, als ob er es glaube, indem er sagte: