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„Vater Main!“ rief da Lemartel.

„Ah, jetzt erkennen Sie mich.“

„Und Lermille.“

„Ja, Lermille, der Bajazzo!“

„Sie hier, in Algier!“

„Wie Sie sehen.“

„Sie sind ja verloren, wenn man Sie bemerkt!“

„Was kümmert uns das!“

„Was wünschen Sie aber von mir?“

„Das werden Sie gleich hören. Setzen wir uns.“

Er drückte Lemartel auf einen Sitz nieder, und dann nahmen die beiden Menschen rechts und links von ihm Platz.

„Können Sie sich nun an unsere letzte Zusammenkunft in Paris erinnern?“ fragte Vater Main.

„So leidlich.“

„Sie waren damals nicht sehr entgegenkommend.“

„Das möchte ich nicht behaupten.“

„Ich behaupte sogar, daß Sie ganz das Gegenteil waren!“

„So stimmen unsere Erinnerungen nicht überein.“

„Höchstwahrscheinlich. Freilich muß ich dann behaupten, daß die meinige der Wirklichkeit angemessener sei als die Ihrige. Doch jetzt haben wir es nicht mit der Erinnerung, der Vergangenheit zu tun, sondern mit der Gegenwart. Wird Ihr Aufenthalt hier von längerer oder kürzerer Dauer sein?“

„Ich gedenke, sehr bald wieder abzureisen.“

„Ganz wie wir. Auch uns vermag Algier keinen Vorteil mehr zu bieten.“

„Hm!“ brummte Lemartel, da er nichts anderes zu sagen wußte.

„Sie freilich können leichter scheiden als wir.“

„Wieso?“

„Sie sind jedenfalls mit den Mitteln, deren man zur Reise bedarf, reichlicher als wir versehen.“

Hatte der Lumpenkönig bisher vermutet, daß es doch nur auf eine Bettelei abgesehen sei, so wurde diese Vermutung nunmehr zur Gewißheit. Er kannte diese beiden Kerls und ihre Verhältnisse; er war überzeugt, ohne Opfer von ihnen nicht wieder loszukommen, und so beschloß er, dieses zu bringen, dasselbe aber eine möglichst geringe Höhe annehmen zu lassen. Dann meinte er:

„Vielleicht sind Sie gerade im Vorteil gegen mich. Meine Reisetasche ist so zusammengeschmolzen, daß mir nur noch so viel bleibt, um nach Paris zurückzukommen.“

„Oh, das hat bei Ihnen keine Schwierigkeit. Sie vermögen die leere Kasse in jedem Augenblick wieder zu füllen.“

„Hier in Algier?“

„Ja.“

„Das dürfte wohl schwer, oder gar unmöglich werden, Messieurs.“

„Oh, jeder Bankier würde sich beeilen, Ihre Anweisung zu honorieren.“

„Man kennt mich hier nicht so genau, wie Sie denken.“

„Ich bin überzeugt, daß Ihr Name hier fast ebenso bekannt ist, wie in Paris. Übrigens – diese hier scheint mir nicht sehr arm ausgestattet zu sein.“

Bei diesen Worten deutete er auf die Brieftasche, welche noch auf dem Tisch lag. Der Lumpenkönig griff rasch nach ihr, steckte sie ein und sagte möglichst gleichmütig:

„Kontrakte und ähnliche Dokumente, aber leider kein Geld, wie Sie vielleicht denken.“

„Nun, das ist uns gleich. Wir haben es zunächst nicht mit Ihrer Brieftasche, sondern mit Ihnen selbst zu tun.“

„Womit kann ich dienen?“

„Mit einem kleinen Vorschuß, Monsieur Lemartel.“

„Wie kommen Sie denn auf den Gedanken, sich da an mich zu wenden?“

„Hm! Alte Bekanntschaft. Sie werden sich jedenfalls freuen, daß wir so gern an Sie denken. Unsere Lage ist nicht beneidenswert. Sie sind überzeugt, daß wir nicht umsonst auf Ihr Mitgefühl gerechnet haben.“

„Wieviel werden Sie brauchen?“

„Hm! Das ist leichter gefragt als gesagt. Die Polizei streckt ihre Arme nach uns aus. Wollen wir wirklich in Sicherheit kommen, so müssen wir weit fort, sehr weit. Selbst Amerika bietet uns keinen Schutz. Wir müssen nach Australien. In welcher Passagierklasse wir die Überfahrt machen, ob erster oder zweiter Klasse oder gar nur Zwischendeck, das bleibt natürlich Ihrem Ermessen anheimgestellt.“

Lemartel erschrak sichtlich.

„Wie?“ meinte er. „Höre ich recht? Sie scheinen anzunehmen, daß ich die Kosten der Überfahrt tragen werde?“

„Gewiß, gewiß werden Sie das tun!“

„Nein; das werde ich nicht tun! Das wird mir gar nicht einfallen!“

Vater Main nickte ihm spöttisch lächelnd zu und sagte:

„So ist's recht. Das habe ich vermutet. Bei Ihrem wohlbekannten guten Herzen war dies gar nicht anders von Ihnen zu erwarten.“

„Was denn? Was war nicht anders zu erwarten?“ fragte er ziemlich verblüfft.

„Daß Sie nicht bloß das tun werden.“

„Nicht bloß das? Was denn sonst noch?“

„Oh, Ihre Einsicht sagt Ihnen, daß die Überfahrt ja eigentlich das wenigste ist.“

„Das wenigste? So! Ah!“

„Ja. Vorher bereits hat man tausend Ausgaben, um sich vorzubereiten, auszustatten und so weiter – – –“

„Wie Sie das so schön zu sagen wissen!“

„Jedenfalls nicht schöner, als Sie es sich selbst bereits gedacht haben. Und nach der Überfahrt – – – hm, man kann doch nicht als Bettler vom Schiff gehen. Man muß sich orientieren, ein Geschäft gründen, Land ankaufen und vieles andere. Das alles verursacht Ausgaben, deren Umfang oder Höhe vorher nicht berechnet werden kann. Darum berührt es uns so außerordentlich wohltuend, daß Sie beschlossen haben, nicht nur für unsere Überfahrt zu sorgen.“

„Sie scheinen sich über das, was ich gesagt habe, in einem großen Irrtum zu befinden.“

„Wieso?“

„Sie haben meinen Worten das Wörtchen ‚bloß‘ beigefügt, und das gibt ihnen allerdings einen ganz anderen Sinn.“

„Dieser Sinn ist aber jedenfalls der uns angenehmste.“

„Das glaube ich gern. Mir aber ist er desto unangenehmer.“

„Oh, das tut nichts. Sie haben mit so vielen Annehmlichkeiten des Lebens zu tun, daß Ihnen eine so leicht zu überwindende Unannehmlichkeit schon der bloßen Abwechslung wegen willkommen sein muß.“

„Eine willkommene Annehmlichkeit, darf keinen solchen Umfang haben. Ich bin zu einer kleinen Unterstützung bereit, große Summen aber vermag ich nicht zu zahlen, selbst wenn ich es wollte.“

„Hm, Sie scherzen!“

„Durchaus nicht.“

„Sollten wir uns in Beziehung auf Ihr gutes Herz getäuscht haben?“

„Getäuscht oder nicht. Formulieren Sie Ihre Forderungen! Wieviel wünschen Sie?“

„Das läßt sich, wie gesagt, nicht leicht bestimmen. Ich glaube aber annehmen zu können, daß der Inhalt Ihrer Brieftasche uns genügen würde.“

„Uns genügen?“ wiederholte er. „Ah! Sie sind nicht dumm! Das glaube ich wohl, daß dieser Inhalt Ihnen genügen würde!“

„Ja; natürlich freuen Sie sich über unsere Bescheidenheit?“

„Freuen? Ich finde diese sogenannte Bescheidenheit im Gegenteil außerordentlich unverschämt.“

„Sie scherzen. Zwischen Männern von unserer Bildung und Lebensstellung sollte doch ein Wort wie ‚unverschämt‘ eigentlich gar nicht ausgesprochen werden!“

Lemartel erhob sich und sagte:

„Messieurs, ich sehe nicht ein, wozu eine weitere Unterhaltung führen könnte. Machen wir es kurz! Welche Summe verlangen Sie?“

Auch die beiden standen auf. Sie wußten, daß der Augenblick des Handelns gekommen sei.

„Gut!“ sagte Vater Main kalt. „Ich will Ihnen den Willen tun. Geben Sie uns fünfzigtausend Francs, so sind Sie uns für immer los.“

„Fünfzigtau – – –?“

Er brachte das Wort nicht fertig. Er stand starr und mit offenem Mund da.

„Ja, fünfzigtausend Francs“, wiederholte der ehemalige Schankwirt. „Oder sollte Ihnen dies zu viel sein? Das wäre lächerlich!“

„Lächerlich auch noch!“

„Natürlich! Also, wie beliebt Ihnen?“

Es lag in diesem Tone und in der Haltung der beiden Strolche etwas, was den Lumpenkönig erst jetzt zur Einsicht seiner Lage brachte. Nun erkannte er, daß es sich nicht nur um eine Bettelei, sondern jedenfalls um etwas Ernsteres, wohl gar um einen Überfall, um das leben handle. Diese beiden Menschen waren, wie er sie kannte, fähig, kurzen Prozeß mit ihm zu machen. Es gab nur das eine: augenblicklich aus dem Zimmer hinauszukommen. Darum beschloß er, sie zu täuschen, indem er sich den Anschein gab, auf ihre Forderung, wenn auch zögernd, einzugehen. Er sagte: