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Der Rittmeister hörte diese Worte wie im Traum, wie von weitem.

„Und dieser Knabe war ich?“ fragte er.

„Ja.“

„Wer waren meine Eltern?“

„Arme Schuhmacherleute. Sie gaben dich sehr gern her und erhielten von mir eine Entschädigung.“

„O Gott, o Gott!“

„Fasse dich! Was du hörst, ist ja kein Unglück, sondern vielmehr ein Glück.“

„Verkauft haben sie mich, verkauft.“

„Sie waren arm. Sie wußten, daß dir dadurch ein Glück gegeben wurde, welches sie dir nicht bieten konnten.“

„Und doch kann ich den Gedanken nicht fassen, das Kind anderer Eltern zu sein, nicht dein – – – ah, nicht Ihr – Ihr – – – Ihr Sohn zu sein.“

„Unsinn, Unsinn! Was fällt dir ein!“ rief der Graf. „Es bleibt alles, wie es war. Du bist mein Sohn, mein Erbe. Daran wird nichts geändert.“

„Hast – – – hast du selbst mit meinen Eltern gesprochen?“

„Nein. Sie haben dich vollständig abgetreten. Ich hatte nichts mehr mit ihnen zu schaffen.“

Der Rittmeister stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Seine Brust arbeitete heftig. Endlich, nach einer langen Weile blieb er vor dem Grafen stehen und fragte:

„Es soll wirklich so bleiben, wie es ist?“

„Natürlich, natürlich!“

„Dann bin ich dir allerdings einen Dank schuldig, dessen Größe gar nicht zu ermessen ist. Vater, ich – – –!“

Er konnte nicht weitersprechen. Tränen entquollen seinem Auge. Er schluchzte wie ein Kind. Der Graf nahm ihn in die Arme, drückte ihn an sich und sagte:

„Beruhige dich, Bernard! Du bist mir stets ein guter Sohn gewesen. Du bist mir wert und teuer wie mein eigenes Kind. Wir bleiben die alten!“

„Aber welche Absicht führt diesen Mann hierher? Er sagt, daß der Diener mich von ihm bekommen habe!“

„Wollen sehen. Ich werde mich erkundigen. Bist du gefaßt genug, daß ich ihn rufen kann?“

„Rufe ihn.“

Der Graf öffnete die Tür und ließ den Bajazzo wieder eintreten. Er fragte ihn:

„Sie behaupten also, daß Main damals den Knaben von Ihnen bekommen habe?“

„Ja.“

„Er behauptete doch, das Kind von armen Schuhmacherleuten erhalten zu haben!“

„Er hat gelogen, um das Geld, welches Sie für die Eltern bestimmten, für sich zu behalten!“

„Hm! Dann waren Sie wohl der Vater?“

„Nein. Der Knabe war ein Findelkind.“

„Ah! So sind seine Eltern unbekannt?“

„Ja.“

„Wer hat ihn gefunden?“

„Ich.“

„Wo?“

„Im Wald. Ich befand mich damals auf der Wanderschaft. Ich wollte nach Paris. In den Ardennen fand ich im tiefen Schnee einen halb erfrorenen Knaben. Ich nahm ihn auf. Niemand wollte ihn mir wieder abnehmen. Ich behielt ihn bei mir und brachte ihn mit nach Paris. Da traf ich Ihren Diener, den Vater Main. Er sah den Jungen und nahm ihn mit.“

„Das wäre ja ein wunderbares Zusammentreffen der Umstände gewesen.“

„Allerdings wunderbar.“

„Ist denn seitens der Behörde nicht nachgeforscht worden, wer die Eltern des Knaben sein könnten?“

„Nein. Ich verstand die Sache nicht; ich kannte die Gesetze nicht. Ich hielt mich für berechtigt, das Kind als mein Eigentum zu betrachten.“.

„Vielleicht wurde es ausgesetzt.“

„Ich glaube doch eher, daß es verlorengegangen ist.“

„Haben Sie eine Ursache, dies anzunehmen?“

„Ja. Einem Kind, welches man aussetzt, nimmt man alles, wodurch seine Abstammung verraten werden könnte, vorher ab.“

„Hatte dieser Knabe denn etwas Derartiges bei sich?“

„Ja.“

„Was war es?“

„Ein Zahn.“

„Ein Zahn? Hm! Sonderbar! Ist dieser noch vorhanden?“

„Ich glaube, daß es noch möglich ist, ihn zu beschaffen.“

„Wirklich, wirklich?“ fragte der Rittmeister schnell.

„Ja.“

„Wer hat ihn?“

„Hm! Das möchte ich eigentlich nicht verraten.“

„Ich verstehe Sie. Es handelt sich um eine Belohnung.“

Der Bajazzo ließ ein verlegenes Lächeln sehen und sagte:

„Herr Rittmeister, Sie wären damals erfroren, wenn ich mich nicht Ihrer angenommen hätte.“

„Das mag wahr sein. Weiter?“

„Ich bin arm, sehr arm.“

„Gut! Ist also der Zahn noch da?“ fragte der Graf.

„Ich will ihn beschaffen, wenn der gnädige Herr bedenken wollen, daß ich jetzt in Not bin.“

Der Graf machte eine Bewegung der Ungeduld und fragte schließlich:

„Wieviel verlangen Sie?“

„Wieviel geben Sie?“

„Mann, das ist doch keine Sache, um welche man handeln und feilschen kann wie um einen Sack Kartoffeln. Sie haben den Knaben gefunden. Sie sind also jedenfalls selbst im Besitz dieses Zahns. Geben Sie ihn heraus, und ich garantiere Ihnen, daß Sie eine gute Belohnung erhalten werden.“

„Geben Sie mir Ihr Wort?“

„Ja doch, ja!“

„Nun gut. Ich will Ihnen vertrauen. Hier ist er.“

Er zog den Zahn nebst Kette hervor und gab ihn ihm. Die beiden anderen betrachteten den Gegenstand.

„Morbleu!“ rief der Graf. „Eine Grafenkrone.“

„Wahrhaftig!“ stimmte der Rittmeister bei. „Diesen Zahn habe ich an mir gehabt?“

„Ja, mit der Kette um den Hals.“

„Warum haben Sie beides damals nicht mit hergegeben?“

„Ich will aufrichtig sein. Ich dachte, später einmal zu einer Belohnung zu kommen.“

„Mensch, da haben Sie einen großen Fehler begangen. Wo wohnen Sie?“

Der Gefragte gab ihm eine Wohnung an, wie sie ihm grad einfiel.

„Sind Sie bereit, zu beschwören, daß ich es bin, den Sie damals gefunden haben?“

„Ja.“

„Und daß ich diesen Zahn an der Kette bei mir getragen habe?“

„Ja.“

„Ich werde mir Ihre Wohnung notieren und mich zur angegebenen Zeit an Sie wenden. Wie aber kommt es, daß Sie grad heute zu uns kommen?“

„Die Not – – – von der ich sprach.“

„Gut“, sagte der Graf. „Sie sollen nicht umsonst gekommen sein. Sie brauchen Geld?“

„Ja.“

„Wieviel?“

„Oh, sehr viel!“

„Ungefähr?“

„Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.“

Der Graf blickte ihn scharf an und sagte dann:

„Ich verstehe. Sie wollen uns das Geheimnis verkaufen. Wir sollen dafür so viel bezahlen, wie der Wert desselben für uns ist. Habe ich es erraten?“

„Ja, gnädiger Herr.“

Der Graf zog einen Kasten eines Schreibtisches auf, öffnete ein Päckchen und nahm eine Anzahl Banknoten heraus.

„Noch sind wir nicht Ihrer sicher“, sagte er. „Wir müssen erst sehen, wie diese Angelegenheit sich entwickelt. Ich gebe Ihnen jetzt tausend Francs. Später, wenn wir Klarheit haben, belohnen wir Sie nach Verdienst.“

Der Bajazzo bedankte sich und steckte die Noten ein.

„Haben Sie sonst noch eine Bemerkung?“ fragte der Graf.

„Nein.“

„So gehen Sie für heute. Wir werden Sie jedenfalls in allernächster Zeit aufsuchen.“

Er ging. Als er die Straße erreichte, brummte er vor sich hin:

„Verdammtes Pech! Wäre der Sohn nicht dagewesen, so hätte ich mit dem Alten handeln können. Lumpige tausend Franken! Ich wäre doch der größte Esel, wenn ich dem Vater Main nur einen Sou davon gäbe!“

Er wollte an der betreffenden Tür vorüber, wurde aber durch einen leisen Ruf angehalten.

„Pst! Bajazzo!“

Er blieb stehen. Da stand Vater Main vor ihm.