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„Aber wenn du die Verkleidung ablegst?“

„So ist es noch schlimmer; da erkennt er mich als den sogenannten Changeur, welcher damals die Komtesse von Latreau befreite.“

„Hm! Wie nun, wenn ich ihn herüberlockte?“

„Dieser Gedanke ist nicht schlecht.“

„Aber wie es anfangen?“

„Freilich, es ist schwierig.“

„Nun, weißt du, es ließe sich doch vielleicht machen.“

„Hast du einen Gedanken?“

„Er wird auf Malineau natürlich ebenso wie Vater Main eingesteckt?“

„Natürlich!“

„Ich befreite ihn, aber –“

„Alle Wetter! Ja, das ist gut, das lasse ich gelten!“

„Er gewinnt Vertrauen zu mir und wird mir sehr gern über die Grenze folgen, da er sich in Deutschland sicherer weiß als hier in Frankreich.“

„Richtig. So wird es gemacht. Nur ist es mir nicht lieb, daß du mit uns reiten willst.“

„Warum?“

„Du hättest vor uns eintreffen können, um den alten Melac vorzubereiten. Ich habe ihm zwar geschrieben, wie ich dir sagte, aber er könnte mir dennoch ein Unheil anrichten.“

Da wurden sie gestört. Martin kam herbei und meldete, daß Vater Main und der Bajazzo unruhig würden, da er sich auf so lange Zeit entfernt habe.

„Gut, gut, ich komme gleich. Richard, wir kehren in Etain noch einmal ein. Da wird es wohl Zeit für ein paar unbelauschte Worte geben. Du sagst da, daß du erst morgen nach dem Schloß wolltest und darum lieber zurückbleibst, nimmst Abschied von uns, gehst scheinbar auf dein Zimmer, reitest aber trotzdem voraus.“

So wurde es auch gemacht.

In Etain kehrte man ein. Königsau erklärte, daß er so spät am Abend nicht erst nach dem Schloß wolle und ließ sich ein Zimmer geben. Er nahm Abschied und zog sich zurück, stieg aber zu Pferd und ritt im Galopp nach Malineau.

Er hatte Marion hergebracht, kannte also die Lokalitäten leidlich. Zwischen dem Dorf und dem Schloß floß ein kleines Wasser. Da stieg er ab, wusch sich die Schminke fort, setzte eine andere Haartour auf, welche er zu diesem Zweck bei sich trug, und nahm aus den Satteltaschen so viel Zeug, als er brauchte, um sich am Rücken wieder zu verunstalten. Dann ritt er vollends nach dem Schloß.

Fast sämtliche Fenster der ersten Etage waren hell erleuchtet. Das konnte bei den beiden, Vater Main und dem Bajazzo, Mißtrauen erwecken. Er sprang vom Pferd, band es an und klopfte bei dem Beschließer. Er fand ihn mit Frau und Enkelin beisammen.

„Herr Doktor Müller, Sie?“ fragte er erstaunt.

„Ja. Bitte, Fräulein, schaffen Sie schnell mein Pferd in den Stall. Niemand darf es sehen.“

Marie gehorchte sofort, und Königsau wendete sich an ihren Großvater:

„Sie haben heute aus Paris einen Brief erhalten?“

„Ja. Wissen Sie davon?“

„Ja. Haben Sie ihn verstanden?“

„Nicht ganz. Ich habe einen Sohn, und –“

Da keine Zeit zu verlieren war, unterbrach Königsau den Alten:

„Bitte, merken Sie sich kurz folgendes. Dieses Schloß gehört nicht dem Herrn General, sondern ist an einen Baron von Courcy verkauft, welcher heute ganz zufällig hier anwesend ist. Ferner: Der Herr Belmonte, welcher damals Ihre junge Herrin gerettet hat, hat auch den Übeltäter und einen seiner Kumpane gefangen. Um sie auf gute Manier hierher zu bringen, hat er sich für Ihren Sohn ausgegeben.“

„Ach, so ist die Sache.“

„Ja, so ist sie. Die beiden Spitzbuben sind nämlich verkleidet. Sie suchen einen Ort, wo sie versteckt sein können, und da hat Herr Belmonte gesagt, daß Sie zwei Forstleute brauchen. Er hat sie als solche engagiert und wird in einer Viertelstunde mit ihnen hier sein.“

„Herr, mein Heiland, solche Verbrecher!“

„Haben Sie keine Angst! Sie empfangen dieselben freundlich, geben ihnen zu essen und sagen dann, daß dieselben zum Baron kommen sollten, der sie engagieren werde. Sie führen sie natürlich zum General. Was da geschieht, wird sich finden. Herr Belmonte bringt seinen Diener Martin mit, den Sie bereits, kennen. Auch diese beiden sind verkleidet. Der Diener ist scheinbar als Gartenbursche engagiert. Sie werden also mit den Verbrechern nicht allein sein. Wenn Sie im Zweifel sind, was Sie tun sollen, so lassen Sie Herrn Belmonte handeln. Teilen Sie das auch Fräulein Marie mit, die nicht hier ist, damit sie keinen Fehler macht. Ich werde mich hinauf zum Herrn General begeben.“

Oben angelangt, wurde er von dem Diener sofort erkannt und sogleich angemeldet. Er fand sämtliche Bewohner im Speisesaal. Der General kam ihm freundlich entgegen, reichte ihm die Hand und fragte, indem er auf Marion deutete:

„Wollen Sie sich erkundigen, wie sich Ihr Schützling befindet?“

„Oh, Mademoiselle de Sainte-Marie befindet sich in guter Hut. Ich komme in einer sehr dringenden Angelegenheit. Bitte, Exzellenz, lassen Sie sämtliche Lichter, außer in einem einzigen Zimmer, auslöschen.“

„Warum?“

„Bitte, davon später! Es ist jetzt keine Zeit zu verlieren.“

Er begab sich selbst in die anstoßenden Zimmer, um die Lichter zu verlöschen, und auf einen Wink seines Herrn tat der servierende Diener dasselbe. Einige Augenblicke später war nur noch der Speisesaal erleuchtet.

„Das sind ja ganz befremdliche Maßregeln“, sagte jetzt der General zu Müller.

„Die aber sehr notwendig sind“, erklärte dieser. „Sie bekommen nämlich Besuch, Exzellenz, welcher nicht wissen darf, daß Sie sich hier befinden.“

„Sonderbar. Welcher Art ist dieser Besuch?“

„Vater Main.“

Bei diesen Worten fuhren alle empor.

„Vater Main? Vater Main?“ erklang es von aller Lippen.

„Ja. Es ist endlich gelungen, dieses Menschen habhaft zu werden, meine Herrschaften.“

„Und er kommt hierher?“

„Ja, und zwar in Begleitung eines seiner Komplizen, den Fräulein von Sainte-Marie kennt. Ich meine nämlich den Bajazzo, welcher in Thionville seine eigene Tochter vom hohen Seil stürzen ließ.“

Das war eine Kunde, welche alle in die größte Aufregung versetzte. Königsau erklärte den Zusammenhang, aber ohne Belmonte und Martin namhaft zu machen.

„Erstaunlich!“ sagte der General.

„Oh, für den Herrn Doktor ist nichts erstaunlich“, schaltete Marion ein.

„Bitte, bitte“, meinte Müller. „In dieser Angelegenheit bin ich ohne alles Verdienst. Hören Sie, es fährt ein Wagen vor. Das sind sie. Wir haben also die Lichter gar nicht zu früh verlöscht.“

„Aber wer sind denn die beiden Männer, welche mir die Gefangenen bringen?“ fragte der General.

„Ich bin nicht beauftragt, es zu sagen“, lächelte Müller. „Der eine gilt, wie bereits bemerkt, als der Sohn Ihres Beschließers Melac. Es wird gut sein, Exzellenz, sich mit einigen Waffen zu versehen. Den beiden Menschen ist nicht zu trauen. Lassen Sie die Messer von der Tafel entfernen.“

Die Ankömmlinge waren indessen aus dem Wagen gestiegen und bei dem Beschließer eingetreten. Belmonte gab diesem die Hand und sagte:

„Guten Abend, Vater. Endlich wieder da!“

„Guten Abend, mein Sohn“, antwortete Melac. „Wie ich sehe, ist die Reise nicht umsonst gewesen?“

„Ja. Hier ist der Gärtner, und hier die beiden Männer für den Forst. Ich habe ihre Papiere bereits geprüft und für gut befunden.“

„Schön! Es trifft sich da recht zufällig, daß der gnädige Herr selbst bestimmen kann.“

„Der Baron?“

„Ja. Er kam heute hier an, um für einen Tag im Schloß abzusteigen. Denkst du nicht, daß wir ihm diese drei Männer vorstellen?“