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„Hm, ja; besser ist es. Es ist sogar unsere Pflicht und Schuldigkeit, da er einmal anwesend ist. Aber erst wollen wir einige Minuten ausruhen.“

Sie nahmen Platz. Es war Vater Main und dem Bajazzo natürlich gar nicht recht, daß sie zum Baron sollten, doch ließen sie es sich nicht merken.

„Essen wir etwas oder gehen wir vorher hinauf?“ fragte Belmonte.

„Fertig ist fertig. Am besten, wir gehen erst hinauf.“

„Wird er zu sprechen sein?“

„Jedenfalls.“

„Na, versuchen wir es. Kommen Sie, meine Herren.“

Oben angekommen, ging der Beschließer hinein, um anzumelden, während die anderen warteten. Bald öffnete ein Diener die Tür und ließ sie eintreten. Im Speisesaal befanden sich Müller und Melac. Der Diener trat zurück, und die beiden Gefangenen bemerkten nicht, daß er von außen die Tür verschloß.

Müller, Belmonte und Martin hatten die Hände in den Taschen, in denen ihre Revolver steckten.

„Das dauert lange“, flüsterte Main, dem es unheimlich zu werden begann.

„Geduld“, sagte Belmonte. „Ah, man kommt!“

Die Nebentür öffnete sich, und der General trat ein. Seine Enkelin und Marion folgten.

Vater Main fuhr zurück. Seine Augen vergrößerten sich und waren mit einem Blick des Entsetzens auf die Eintretenden gerichtet. Aber er war ein zu hartgesottener Sünder, als daß er sich gänzlich um seine Besinnung hätte bringen lassen. Er ermahnte sich.

„Tausend Teufel. Wir sind verraten!“ schrie er. „Fort! Hinaus, Bajazzo!“

Er fuhr herum, nach der Tür zu, und sah drei Revolverläufe auf sich gerichtet.

„Pah. Nicht jede Kugel trifft. Kehrt! Schnell, schnell!“

Er sprang nach der Tür, um sie aufzureißen. Sie war verschlossen. Und nun traten auch von der anderen Seite zwei bewaffnete Diener ein.

„Gebt euch keine Mühe“, sagte der General. „Ihr seid gefangen!“

„Mit welchem Recht?“ fragte Main, dem es einfiel, daß er ja verkleidet sei.

„Macht euch nicht lächerlich! Ihr seid erkannt. Eure Maske nützt euch nichts.“

„Also entdeckt“, knirschte er. „Verraten! Und durch wen? Wart, euch Halunken zeige ich es doch noch!“

Er erhob beide Fäuste und stürzte sich auf Martin, erhielt aber von Müller, an dem er vorüber mußte, einen so gewaltigen Schlag an die Schläfe, daß er sofort zusammenbrach.

„Bindet sie“, befahl der General.

Der Bajazzo war vollständig eingeschüchtert. Er wagte keinen Widerstand. Sein Kumpan war bewußtlos, und so wurden beide gebunden und fortgeschafft. Man schloß sie einzeln in zwei feuerfeste Kellergewölbe ein.

„Und nun meinen Dank“, wendete sich der General an die Männer. „Welcher von Ihnen ist denn der famose Sohn meines alten Melac?“

„Ich, Exzellenz“, antwortete Belmonte.

„Darf ich vielleicht Ihren richtigen Namen hören?“

„Sie kennen ihn bereits.“

„Wohl kaum.“

„O doch! Mit Erlaubnis!“

Bei diesen Worten griff er nach einer auf der Tafel stehenden Wasserkaraffe, goß sich ein wenig auf das Taschentuch, fuhr sich mit demselben über das Gesicht und entfernte Bart und Haar. Martin tat dasselbe.

„Monsieur Belmonte!“ rief der General.

„Wahrhaftig, Monsieur Belmonte“, stieß Ella von Latreau hervor, indem sie vor freudigem Erstaunen die Hände zusammenschlug.

Hinter ihnen aber erklang es halblaut:

„Martin! Martin! Ach ja, er ist's!“

Es war die hübsche Alice, welche sich bisher furchtsam in dem Hintergrund gehalten hatte.

Es gab nun eine ganze Menge eiliger Fragen und Antworten, bis der General auf den besten Gedanken kam, den es geben konnte. Er sagte:

„Das Mahl ist auf wundersame Weise unterbrochen worden. Beginnen wir es von neuem. Dabei haben wir Zeit, uns alles erklären zu lassen.“

Es wurden alle geladen, auch die ganze Familie Melac. Dann nach der Tafel bildeten sich kleine Gruppen. Diese Gelegenheit benützte Müller, zu Marie Melac zu treten.

„Ich habe noch ganz extra etwas für Sie“, sagte er. „Werden Sie es erraten?“

„Wohl schwerlich!“

„Einen Gruß von einem gewissen Maler.“

„Herrn Schneffke?“ fragte sie errötend.

„Ja. Außer dem Gruß aber auch noch etwas. Hier!“

Er zog ein Briefchen hervor und gab es ihr. Sie dankte erglühend, war dann aber bald verschwunden, um sich mit dem Inhalt bekannt zu machen.

Sodann traf Müller auf Marion.

„Wieder einmal sind Sie der Retter gewesen“, sagte sie.

Er antwortete nicht und zog nur die Hand, welche sie ihm reichte, an die Lippen.

Am Fenster stand Belmonte mit Ella. Ihr Auge ruhte fast stolz auf seiner männlichen Gestalt.

„Sie scheinen zu meiner Vorsehung prädestiniert zu sein“, sagte sie. „Sie erscheinen, wenn man es am wenigsten erwartet.“

„Darf ich denn solch Erscheinen wagen, gnädigste Komtesse?“

„Kommen Sie jeder Zeit! Sie kommen ja als Retter.“

Und an der Tür zum Nebenzimmer lehnte Alice. Martin trat auf sie zu und sagte:

„Da ist mein liebes Vögelchen, dem ich ein Nest bauen soll. Kein Mensch blickt her. Komm, komm!“

Ohne daß sie es ihm wehren mochte, zog er sie hinaus in das andere Zimmer, drückte sie an sich, küßte sie herzhaft und fragte:

„Ist dir's recht, daß ich gekommen bin?“

„Oh, wie freut es mich! Wie lange bleibst du?“

„Vielleicht nur einige Stunden.“

„Aber du kommst wieder?“

„Natürlich. Und zwar bald, recht bald, um dich zu holen, mein gutes Mädchen.“

Und noch später standen Königsau und Hohenthal beieinander im ernsten Gespräch.

„Wann reitest du ab?“ fragte der Letzere.

„So bald wie möglich.“

„Und nimmst den Bajazzo mit?“

„Ja.“

„Dann kannst du aber nicht über Metz. Dort fassen sie ihn dir ab. Eine Festung darf so ein Kerl in jetziger Zeit gar nicht zu betreten wagen. Aber wie bringst du ihn denn fort?“

„Das ist die Frage. Zwei Reiter und ein Pferd.“

„Nimm meinen Wagen! Du hängst dein Pferd hinten an. Du verkaufst den Kram und gibst mir bei Gelegenheit den Erlös.“

„Das könnte sich machen, aber wie kommst du fort?“

„Ich borge mir Geschirr bis zur Lahn. Mach dir überhaupt um mich keine Sorge! Wie lange bleibst du in Thionville?“

„Noch drei Tage.“

„So lange darf ich nicht warten. Wir treffen uns also erst wieder in Berlin. Laß aber unterdessen den Bajazzo nicht aus dem Auge.“

„Willst du mir gerade hier eine Nachlässigkeit zutrauen? Habe ich ihn einmal, so entkommt er mir nicht wieder. Seine Wächter werden sich freilich wohl schwerlich erklären können, auf welche Weise er verschwunden ist.“ –

Der Bajazzo lag gefesselt auf dem harten Steinboden eines Gewölbes. Er hatte alle Hoffnung aufgegeben und gab alles, alles verloren. Er hatte seinen Willen, seinen Charakter im Schnaps vertrunken; darum fand er jetzt in sich keinen Halt und schluchzte wie ein Kind.

Da plötzlich horchte er auf. Er hörte, daß der Riegel leise zurückgeschoben wurde. Dann erklang es:

„Pst! Ist jemand hier?“

„Ja“, flüsterte er.

„Die Gefangenen?“

„Nur einer.“

„Wo ist der andere?“

„Ich weiß es nicht.“

„Nun, dann kann ich eben nur den einen befreien. Ich habe keine Zeit, das ganze Schloß zu durchsuchen. Kommen Sie.“

„Ich bin ja gefesselt.“

„Ach so! Na, ich habe ein Messer.“

Wenige Augenblicke später schlichen sie sich fort, hinaus bis dahin, wo in der Nähe des Gehölzes der Wagen stand, an welchen hinten das Reitpferd angebunden war. Sie stiegen ein, und dann setzten sich die Pferde in scharfen Trab.

Königsau hatte den Buckel wieder entfernt. Er sah geradeso wie vorher aus, ehe er ins Schloß gekommen war. Der Bajazzo erkannte ihn und sagte: