Выбрать главу

„Wo?“

„In Ortry selbst, nämlich im Dorf bei einem Häusler, den der Alte aus dem Dienst gejagt hat. Ich gelte für einen Verwandten von ihm.“

„War das nicht gefährlich?“

„O nein. Dieser Mann ist so wild auf den Kapitän, daß ich mich ganz auf ihn verlassen kann. Übrigens wurde er mir von Doktor Bertrand, der ihn vorher gehörig unter die Sonde genommen hat, dringend empfohlen.“

„Wie steht es nun mit den Franctireurs?“

„Sie warten nur auf das Signal.“

„Oh, das wird heute noch gegeben werden. Wir sind sehr gut unterrichtet. Haben Sie vielleicht eine Ahnung, wie hoch ihre Anzahl sein wird?“

„Man munkelt von fünfhundert solcher Kerls, welche sich in Ortry equipieren wollen.“

„Schön! Wir werden sie bei der Parabel nehmen. Sonst ist alles in Ordnung?“

„Ja. Die Vorräte sind ungekürzt vorhanden.“

„Und die Schlüssel, welche ich Ihnen anvertraute?“

„Habe ich noch. Wünschen Sie die Übergabe derselben?“

„Ja. Bitte!“

Er erhielt das Gewünschte und sagte dann:

„Sie werden uns jetzt unser Versteck anweisen. Dort angekommen, habe ich Zeit genug, Ihnen meinen Plan mitzuteilen. Kommen Sie!“

Dieser bucklige Reiter war natürlich kein anderer als Königsau. Der Lieutenant in Zivil war derjenige Offizier, welchem er bei seiner Entfernung von Ortry die Bewachung dieses Ortes übergeben hatte.

Sie kehrten nach dem Fahrweg zurück, wo die anderen warteten. Gerade in demselben Augenblick kam ein Reiter angesprengt. Er trug die Uniform eines Ulanenlieutenants, salutierte vor Königsau und meldete:

„Das Gros fünfhundert Schritte hinter Ihnen, Herr Major. Sollen wir absitzen?“

„Nein, sondern herankommen.“

Der Zug setzte sich wieder in Bewegung und schwenkte dann auf Kommando, nachdem die Reiter abgesessen waren und die Pferde beim Zügel ergriffen hatten, in den pfadlosen Wald ein.

Nach wenig über einer Viertelstunde erreichte man die Schlucht, welche nach dem einsam im Forst gelegenen Talkessel führte. Dort angekommen, wurden Posten aufgestellt, welche den Befehl erhielten, jede Person, die sich bemerken lasse, als gefangen abzuliefern.

Sodann wurde eine längere Beratung, natürlich nur im Kreis der Offiziere, gehalten. Am Schluß derselben brachen diejenigen dieser Herren, welche in Zivil waren, mit Königsau auf, um sich die Heimlichkeiten von Ortry einzuprägen, damit zur angegebenen Zeit kein Fehler begangen werde. Auch Fritz Schneeberg hatte seine Uniform mit einem bürgerlichen Anzug vertauscht und schloß sich ihnen an.

Die Bewohner der Umgegend hatten keine Ahnung, daß über dreihundert Feinde so ganz in aller Gemütlichkeit den Einbruch des Abends erwarteten, um sich des Schlosses Ortry und der in den vorhandenen Gewölben befindlichen Vorräte zu bemächtigen. –

In seinem Arbeitszimmer saß der alte Kapitän. Er war nicht allein, sondern es befanden sich mehrere Männer bei ihm. Das waren seine Vertrauten, welche später seinen Stab bilden sollten. Er befand sich augenscheinlich in höchst schlechter Laune. Er hatte ein Notizbuch in der Hand, aus welchem er mit beinahe knirschender Stimme folgende Stellen vorlas:

„Am 19. Juli Kriegserklärung. – Nächsten Tages Vorpostenscharmützel bei Saarbrücken. – Kampf bei Wehrden, Gefecht bei Hagenbach am 23. unglücklich für uns. – Ebenso die Gefechte bei Weißenburg und Wörth verloren. – General Douay tot. – General François gefallen. – Das feindliche Hauptquartier bereits in Kaiserslautern.“

„Der Teufel hole diese Halunken!“ warf einer der Anwesenden zornig ein.

Der Alte fuhr fort:

„Paris im Belagerungszustand! Hagenau verloren. – Saargemünd und Forbach ebenso. – Bazaine kommt nach Metz. – Mac Mahon flieht nach Nancy. – Der gesetzgebende Körper fordert die Abdankung des Kaisers. – Festung Lützelstein verloren, Straßburg kerniert. – Festung Lichtenfels zum Teufel. – Frankreich borgt eine Milliarde, um den Krieg fortsetzen zu können. – Übergang der Bayern über die Vogesen. – Pfalzburg erobert durch die Deutschen. – Leboeuf nimmt seine Entlassung als Generalstabschef.“

Er warf das Notizbuch von sich und fragte:

„Was sagt Ihr dazu, he?“

„Ich hielt es für unmöglich!“ antwortete einer.

„Ich auch. Wer ist schuld an all diesen Unfällen?“

„Hm!“

„Ja, hm! Jetzt läßt sich gar nichts sagen. Der Teufel ist im Hauptquartier dieser verdammten Deutschen. Aber dieser Schleicher, der Moltke, soll es uns doch nicht machen wie einst Blücher, der in der Hölle braten möge! Ich habe – – – was willst du?“

Diese Frage war an einen Diener gerichtet, welcher eintrat.

„Dieser Brief ist angekommen, Herr Kapitän.“

„Gut!“

Der Alte öffnete und las. Seine Stirn legt sich in tiefere Falten. Er stieß einen lästerlichen Fluch aus und sagte:

„Wißt Ihr, was mir da gemeldet wird?“

Und als keiner antwortete, fuhr er fort:

„Da steht es, das Unglaubliche: Unsere Armee ist bei Metz über die Mosel zurück, und die Deutschen haben die wichtigen Linien von Saar, Union, Grand-Tenquin, Foulquemont, Fouligny und Retangs längst überschritten. Ihre Kavallerie steht bereits bei Luneville, Metz, Vont à Mousson und Nancy.“

Flüche und Verwünschungen erschallten.

„Still!“ knurrt der Alte. „Das ist noch nicht alles! Das große Hauptquartier des Feindes befindet sich bereits zu Verny im Seinetal; die Bahn bei Frouard, nach Paris, ist zerstört, und Bazaine hat das Oberkommando über die ganze Armee übernommen. Nancy ist besetzt und der Kaiser von Metz nach Verdun gefahren. Die Preußen treiben unsere Truppen bis unter die Kanonen von Metz. – Wißt Ihr, was das alles zu bedeuten hat?“

„Daß Metz belagert werden soll.“

„Ja, Metz verloren, alles verloren! Jetzt warte ich keinen Augenblick länger. Jetzt ist der Augenblick gekommen. Während sich die deutschen Kettenhunde um Metz legen, jagen wir ihnen von hinten unsere Kugeln in den Pelz. Ich warte nicht ab, daß ich Instruktion erhalte. Vielleicht ist es bereits nicht mehr möglich, mir einen Boten zu senden. Ich bin auf mich selbst angewiesen und werde zu handeln wissen. Es mag losgehen. Ist's euch recht?“

„Ja, ja“, ertönte es im Kreis.

„Nun gut, so gebt das Zeichen. Heute um Mitternacht sollen sich die Mannschaften heimlich im Park einfinden.“

„Warum heimlich?“

„Seht ihr das nicht ein, ihr Toren? Könnte der Feind so weit gekommen sein, wenn er nicht ganz genau über alles unterrichtet wäre? Er hat talentvolle Spione; das ist gewiß. Und gerade wir sind zur größten Vorsicht verpflichtet. Das Völkerrecht verbietet die Bildung von Franctireurs. Werden wir erwischt, so behandelt man uns als Räuber und macht uns ohne Federlesens den Garaus. Die Deutschen werden, das ist sicher, auch nach hier kommen. Sie dürfen nicht erfahren, daß die Bewohner dieser Gegend zu den Waffen gegriffen haben. Sie würden zu Repressalien greifen. Darum also Vorsicht!“

„Und was dann, wenn wir uns bewaffnet haben?“

„Das wird sich finden, sobald ich morgen weitere Nachrichten erhalten habe, und dann –“

Er wurde unterbrochen. Zwei Männer traten ein. Charles Berteu und sein Freund Ribeau waren es. Sie kamen unter allen Zeichen der Aufregung.

„Herr Kapitän, wichtige Nachricht!“ sagte der erstere, indem er sich auf einen Stuhl warf und sich den Schweiß von der Stirn wischte. „Sehr wichtige Nachrichten!“

„Doch gute?“

„Zunächst eine ganz armselige, ganz verfluchte, sodann aber eine, über welche Sie sich freuen müssen.“

„Ein Sieg über die Deutschen etwa?“ stieß er hervor.

„Nein, nein! Diese Hunde stehen mit der Hölle im Bund! Die Preußen haben Vigneules an der Maas besetzt und sind in St. Mihiel eingezogen. Die Festung Marsal hat sich ergeben und vor Bar-le-Duc lassen sich bereits Ulanen sehen. Einer der feindlichen Generäle rückt bereits von Metz nach Verdun vor.“