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„Alle Teufel! Das ist ja unsere Rückzugslinie!“

„Leider! Es steht schlimm! Man spricht bereits davon, daß der Feind einen seiner Generäle zum Gouverneur des Elsaß ernennen werde.“

Da stampfte der Alte mit dem Fuß auf und rief:

„So dürfen wir keine Minute verlieren. Bazaine steckt in Metz, und Mac Mahon befindet sich in Chalons, um seine geschlagenen Korps zu sammeln. Er beabsichtigt jedenfalls, dann herbei zu eilen, um Metz zu entsetzen. Geht aber der Feind bereits nach Verdun, so wird dem Marschall dies zur Unmöglichkeit gemacht. Ihr müßt also da drüben auch zu den Messern greifen, und zwar augenblicklich!“

„Das wollen wir ja auch. Wir warten nur auf Ihre Anweisungen.“

„Nun, die sollen Sie erhalten. Also, wieviel Mann werden Sie zusammenbringen?“

„Fünfhundert.“

„Also so viel wie ich. Wir werden also tausend Mann haben. Damit läßt sich etwas ausrichten. Wo versammeln Sie sich?“

„In Fleurelle, hinter Schloß Malineau. Und dieser Name bringt mich auf die zweite Nachricht, welche ich Ihnen zu bringen habe. Sie ist eine gute.“

„Dann schnell heraus damit! Gute Nachrichten sind jetzt so selten, daß man sie nicht schnell genug hören kann.“

„Schön! Also erfahren Sie: Ich habe sie.“

„Wen?“

„Fräulein Marion.“

„Marion? Ah! Meine Enkelin?“

„Ja.“

„Alle Wetter! Das ist allerdings eine ganz erfreuliche Neuigkeit. Wo befindet sie sich?“

„Eben auf Malineau.“

„Sapperment! Das Schloß gehört dem General Latreau.“

„Dessen Tochter wohnt jetzt dort, und bei ihr befindet sie sich als Gast. Und noch eine zweite Person gibt es da, auch eine Dame. Ich habe gelauscht und dabei gehört, daß sie von Mademoiselle Marion Mutter genannt wird, von den anderen aber Madame Liama.“

„Liama“! stieß der Alte hervor. „Ah, Liama! Habe ich sie wieder! Berteu, Ihre Nachricht ist für mich Gold wert. Sie müssen sogleich wieder fort!“

„Warum?“

„Sie müssen augenblicklich nach Fleurelle und unsere Leute zusammenrufen. Sie übernehmen einstweilen das Kommando. Sie haben dafür zu sorgen, daß Schloß Malineau in Ihren Besitz kommt. Sie bemächtigen sich dieser beiden Frauenzimmer. Ich komme nach. Ich stoße mit den Meinungen zu Ihnen. Wie es jetzt steht, wird der Kaiser einstweilen abtreten. Man wird eine interimistische Regierung bilden. Es wird ein wenig Anarchie geben, und dies benutzen wir. Messieurs, kommen Sie mit mir hinab in die Gewölbe, damit Sie sich für den heutigen Abend orientieren!“

Einige der Aufgeforderten erhoben sich und schritten nach der Tür; der Alte aber sagte:

„Nein, nicht dort hinaus. Es gibt einen anderen Weg. Folgen Sie mir hier durch de Tapetentür!“

Er verschloß die Eingangstür von innen und öffnete dann den geheimen Zugang nach den verborgenen Treppen. Er trat den anderen voran hinaus.

„Halt! Pst!“ machte er und horchte gespannt nach unten. Dann fügte er hinzu: „War es mir doch, als ob jemand da unten über die Stufen lief. Aber hier kann doch kein Mensch sein. Also gehen wir weiter. Ich werde Sie dann durch das Waldloch entlassen.“

Und doch hatte er sich nicht geirrt.

Königsau war in die geheimnisvollsten Gänge eingedrungen, um sie seinen Begleitern zu zeigen. Damit fertig, ließ er sie im hintersten Gang warten und begab sich mit Fritz nach dem Inneren des Schloßgebäudes. Er wollte gern wissen, wo sich der alte Kapitän befand.

Die beiden erreichten die Wohnung des letzteren und waren so glücklich, draußen vor der dünnen Holztäfelung stehend, die Unterredung, welche drin im Zimmer stattfand, zu belauschen. Sobald sie hörten, daß der Alte in die Gewölbe wollte, entfernten sie sich. Aber das ging doch nicht so schnell, wie sie dachten. Königsau wäre gewiß rascher entkommen; Fritz aber war mit der Treppe nicht so vertraut und tastete sich zu langsam hinab. Unten stolperte er sogar. Königsau durfte ihn nicht zurücklassen und faßte ihn bei der Hand. Da hörten sie das „Halt! Pst!“ des Alten.

„Stehenbleiben!“ raunte Königsau dem Gefährten zu.

Sie vernahmen nun ganz deutlich was der Kapitän dann sagte, und als sie die Schritte der Franzosen wieder hörten, eilten sie weiter. Dies ging jetzt, da es keine Stufen mehr gab, schneller vonstatten. Der Kapitän konnte mit seinen Begleitern nur langsam weiter. Darum hatten die beiden bald einen Vorsprung erhalten, der sie in Sicherheit brachte.

Als sie dann später wieder auf die anderen stießen, gab ihnen der Major den Befehl, ihm zu folgen.

Er führte sie durch den Gang, der in das Waldloch mündete. Natürlich brachten sie die Verschlüsse hinter sich wieder in Ordnung, daß nichts von ihrer Anwesenheit bemerkt werden konnte.

Als sie im Freien angekommen waren, sagte Königsau:

„Es sind also noch mehrere bei ihm. Er wird sie hier herauslassen. Ich möchte gern wissen, was gesprochen wird. Beim Abschied pflegt man ganz unabsichtlich eine Wiederholung des geendeten Gespräches zu geben; ich hoffe also, irgend etwas zu erlauschen, woraus ich auf die Dispositionen schließen kann, welche der Kapitän für den heutigen Abend getroffen hat.“

„Das ist gefährlich!“ bemerkte einer der Herren.

„Nicht so sehr, als Sie denken. Hier, gerade über dem Loch gibt es ein Brombeergestrüpp. Darin verberge ich mich sehr leicht.“

„In diesen Dornen?“

„Ja. Sie sind zwar meinem Anzug gefährlich, meiner Absicht aber sehr förderlich. Mit Ihrer Hilfe kann ich mich so verbergen, daß man mich gar nicht zu bemerken vermag. Sie brauchen nur ein wenig nachzuhelfen.“

„Wo warten wir?“

„Da oben in dem Buchengestrüpp. Sollte ich je in Gefahr geraten, so schieße ich meinen Revolver ab, und Sie eilen zu meiner Hilfe herbei.“

Die Dornenzweige wurden möglichst auseinandergebogen und dann über Königsau, nachdem derselbe sich auf den Boden gelegt hatte, wieder so geschlossen, daß er gar nicht zu sehen war. Dann zogen sich die anderen zurück.

Als sie es sich in dem dichten Buchengestrüpp so bequem wie möglich gemacht hatten, wurde das Ergebnis der Untersuchung der unterirdischen Gänge leise besprochen. Bei dieser Gelegenheit bemerkte einer:

„Ein schneidiger Kerl, dieser Major Königsau! Und Sie, Kamerad, sind Wachtmeister in seiner Schwadron gewesen?“

Diese Worte waren an Fritz gerichtet.

„Ja“, antwortete er. „Sein Wachtmeister und sein Freund, wie ich wohl sagen darf.“

„Donnerwetter! Der Sohn eines Generals von Goldberg und Wachtmeister! Das ist unbegreiflich!“

„Ah, Sie kennen diese Verhältnisse nicht?“

„Nein, Kamerad. Bedenken Sie, daß Sie mit Königsau zu einem anderen Regiment gehören.“

„Nun, so will ich Ihnen sagen, daß ich als Kind meinen Eltern geraubt wurde. Später diente ich unter Königsau, welcher, ohne daß wir beide es ahnten, mein Verwandter, mein Cousin war. Hier in Ortry kamen wir zufälligerweise hinter das Geheimnis. Der Kerl, welcher mich geraubt hatte, wurde gefangen und mit List über die Grenze und dann als Gefangener nach Berlin gebracht. Dort wurde er so scharf vernommen, daß er nicht mehr leugnen konnte, und so gestand er nicht nur, sondern bewies auch, daß ich der geraubte Sohn des Generals bin.“

„Sapperment! Höchst interessant! Was sagten denn da Ihre Eltern?“

„Ist das nicht eine wunderbare Frage, Herr Kamerad? Lassen Sie uns jetzt an die Gegenwart denken! Aus dem Wachtmeister Fritz Schneeberg, der stets seine Pflicht getan hat, ist der Lieutenant Graf Friedrich von Goldberg geworden, welcher sich keiner Nachlässigkeit schuldig machen will. Geben wir also auf den Major acht!“

Dieser hatte unter seinen Dornen eine wahre Geduldsprobe abzulegen. Es dauerte sehr, sehr lange, ehe er die Ankunft der Franctireurs bemerkte. Endlich glaubte er unter sich ein Geräusch zu vernehmen, und gleich darauf wurde der Stein von dem Loch, welches den Ausgang bildete, entfernt.