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„Schurke“, stöhnte der Kapitän, indem er sich wieder von seinem Sitz erhob. „Ich lasse dich fuchteln, zu Tode fuchteln. Du sollst mir – Tod und Verdammen – wer ist das? Wer hat hier –“

Das Wort blieb ihm im Mund stecken. Die Wand hatte sich geöffnet, und Königsau war eingetreten.

„Guten Abend, Herr Kapitän“, grüßte er höflich.

„Was – was – – – was – – –“, stammelte der Alte, der vor Schreck weiter keine Worte fand.

„Was das ist?“ fragte Königsau. „Besuch ist es!“

Da gewann der Kapitän wieder die Herrschaft über seinen Schreck. Sein Auge leuchtete tückisch auf, und seine langen, gelben Zähne nagten an dem weißen Bart.

„Schön“, sagte er. „Besser konnte es nicht kommen. Die Vögel haben sich gefangen. Verdacht hatte ich bereits damals. Jetzt aber weiß ich bestimmt, wer mir mein Haus durchspionierte. Aber Sie sind heute, da Sie heimlich zurückkehrten, in Ihr eigenes Verderben gerannt. Hier hinaus“ – er deutete nach der Tür – „hier hinaus können Sie nicht, und da, wo Sie jetzt eingetreten sind, noch viel weniger.“

„Wer wollte es mir verwehren?“

„Ich.“

„Pah! Sie alter, schwacher Mann.“

„Lachen Sie! Sie sind ein Spion. Ich aber will Ihnen sagen, daß Sie noch heute nacht aufgeknüpft werden. Da unten harren fünfhundert Mann tapferer französischer Krieger. Ihnen laufen Sie in die Arme!“

„Französische? Hm! Das machen Sie mir nicht weis.“

„Sie werden sie sehen.“

„Na, da werde ich Ihnen die tapferen französischen Krieger zeigen, welche da unten warten. Sergeant Baumann, herein!“

Im nächsten Augenblick standen zehn preußische Jäger längs der Hinterwand postiert, die Läufe der schußfertigen Gewehre auf die Franzosen gerichtet.

„Nun, Herr Kapitän, was sagen Sie zu diesen tapferen Franzosen? Bitte, antworten Sie.“

Ein lautes Stöhnen war zu hören, weiter nichts. Die Augen schienen dem Alten aus dem Kopf treten zu wollen; er fand keine Worte. Er bot einen schrecklichen Anblick dar. Er sah aus wie einer, den der Schlag im nächsten Augenblicke treffen muß. Er rang nach Atem, und endlich, endlich stieß er einen lauten Schrei hervor.

„So sieht einer aus, den der Teufel holt“, sagte Fritz, auf den Kapitän deutend.

Das aber gab diesem sofort die Fassung wieder.

„Hund!“ brüllte er. „Sag das noch einmal, und ich zermalme dich.“

Auch die anderen Franzosen traten um einen Schritt näher. Sie vergaßen um des Alten willen für einen Augenblick die drohend auf sie gerichteten Gewehrläufe.

„Halt! Bewegt euch nicht!“ gebot Königsau. „Ein Wink von mir, und zehn Schüsse krachen. Und damit der Herr Kapitän Richemonte nicht zweifeln kann, daß es mir Ernst ist, so will ich ihm sagen, daß ich eigentlich nicht Müller heiße. Mein Name ist Richard von Königsau, Major im königlich preußischen Gardeulanenregiment. Und hier steht Friedrich von Goldberg, mein Kamerad.“

„Ein – ein – buckliger Major“, stieß der Alte hervor, indem er aber doch vor Schreck auf den Stuhl sank.

„Pah! Der Buckel wird von jetzt an verschwinden. Aber horch. Fritz, geh hinab. Sie sind da.“

Von unten herauf ertönte Pferdegetrappel. Der Lieutenant entfernte sich und kehrte nach wenigen Augenblicken mit einem Ulanenrittmeister zurück. Dieser salutierte vor Königsau und meldete:

„Schloß Ortry von allen Seiten zerniert, Herr Major – zehn Minuten nach zwölf.“

„Schön, Herr Rittmeister! Sie sind pünktlich. Danke! Bringen Sie mir diese Leute hier herunter in den Speisesaal. Ich werde dafür sorgen, daß auch die anderen Bewohner des Schlosses da erscheinen.“

Er ging mit Fritz. Während dieser auf seinen Befehl die Dienerschaft zusammenkommandierte, begab er selbst sich zu der Baronin. Sie befand sich in ihrem Gemach und war an das Fenster getreten. Sie war überzeugt, daß französische Reiter angekommen seien, erstaunte daher nicht wenig, als sie Königsau eintreten sah.

„Doktor Müller“, stieß sie hervor.

„Einstweilen mag ich das noch sein. Wo ist Ihr Sohn?“

„Er schläft.“

„So mag er noch weiter schlafen. Sie aber kommen mit.“

Er bot ihr den Arm.

„Was fällt Ihnen ein?“ sagte sie.

„Mir fällt ein, daß Sie mir zu gehorchen haben. Vorwärts!“

Er ergriff ihren Arm und hielt diesen rücksichtslos fest, daß sie mit ihm gehen mußte. Als er mit ihr in den Saal trat, wurden durch die andere Tür die übrigen Gefangenen herbeigeführt. Königsau zählte sie durch und fand, daß niemand fehlte.

„Herr Rittmeister, bitte, nehmen Sie die Versammlung unter Ihre eigene Obhut, bis ich zurückkehre. Es darf niemand entkommen. Folge mir, Fritz.“

Er entfernte sich mit dem Lieutenant, kehrte in das Zimmer des Alten zurück, und von da aus stiegen sie in den Gang hinab; dieses Mal ohne Licht.

Als sie ihr Ziel fast erreicht hatten, vernahmen sie ein dumpfes Stimmengewirr.

„Sie sind versammelt“, meinte Fritz.

„Und zwar scheinen alle sich im Gewölbe zu befinden. Es ist im Gang vollständig finster. Wir werden also leichte Arbeit haben.“

Sie schlichen weiter bis zur nächsten Tür. Dort klopfte Richard von Königsau an und nannte leise seinen Namen. Sofort wurde geöffnet und der Oberlieutenant trat heraus.

„Alles bereit und in Ordnung“, meldete er.

„Schön! Nähern Sie sich mit den Ihrigen so leise wie möglich dem Gewölbe. Ich werde den Herrn Hauptmann holen.“

Er gab dort dasselbe Zeichen, und nun kamen die Jäger von beiden Seiten herbei. Er trat zu der angelehnten Tür des Gewölbes und warf einen Blick hinein.

Der Raum war sehr groß. Er bildete einen Saal von bedeutender Länge und Breite. An der hinteren Wand standen eine Menge Kisten, welche jetzt geöffnet waren. Fünfhundert Menschen bildeten die verschiedensten, oft wahrhaft lächerlichen Gruppen. Man teilte sich die Blusen und Kopfbedeckungen.

„Man beachtet den Eingang gar nicht“, sagte er. „Soll ich Ihnen die Sache überlassen, Herr Hauptmann?“

„Ich bitte darum!“

„Gut. Ich werde hier warten.“

Er trat mit Fritz weiter zurück, um den Jägern Raum zu lassen. Ein leises Kommando des Offiziers, und die Jäger marschierten mit dumpf im Takt klingenden Schritten in den Saal. Die beiden im Gang Stehenden hörten vielstimmige Rufe, ein wirres Getöse, welches aber von der Stimme des Hauptmannes übertönt wurde. Dieser letztere trat nach kurzer Zeit heraus und meldete, daß alles in Ordnung sei. Die unbewaffneten Franzosen hatten sich in ihr Schicksal ergeben.

„Nehmen Sie Ihre braven Burschen wieder heraus! Hier ist der Schlüssel zur Tür; er schließt auch alles andere. Lassen Sie den Eingang verrammeln. Material dazu finden Sie in jedem anderen Raum. Im übrigen haben Sie Ihre Instruktion. Der Kamerad, welcher sich als Wächter hier befand, wird Ihnen jede gewünschte Auskunft erteilen. Gute Nacht!“

Er ging mit Fritz. Sie kehrten durch das Zimmer des Kapitäns nach dem Speisesaal zurück. Dort herrschte große Aufregung. Der – – – Kapitän war fort.

Der Rittmeister selbst hatte ihn mit bewacht. Zehn Jäger und mehrere Ulanen hatten sich im Saal befunden. Der Alte hatte sich ganz bewegungslos verhalten, war aber plötzlich auf und nach dem Kamin gesprungen. Die Mauer hatte sich geöffnet und im nächsten Augenblick hinter ihm geschlossen.

Das war nun freilich eine höchst unangenehme Botschaft. Eben wollte Königsau zum Kamin treten, da hörte man draußen einen Schuß, dann noch einen.

„Ob er das war?“ fragte Fritz.

„Möglich!“ antwortete Major.