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„Er zieht den Degen!“ sagte Ella.

„Ja, nun geht's los. Da, da! Welch ein prächtiger Anblick! Hört ihr's? Hurra! Hurra!“

So riefen auch da unten die Husaren. In völliger Karriere kamen sie von rechts aus dem Park gesprengt, an der Front des Schlosses hin, dann ritten sie in einem Nu nach rechts und von hinten in die Franctireurs hinein.

„Prächtig! Prächtig! Wer macht ihnen dies nach!“ rief der alte Soldat begeistert aus.

„Du, das sind Deutsche! Deutsche!“ flüsterte Melac seiner Frau leise zu.

„Gott, die armen Menschen!“ rief Ella.

Die Franctireurs hatten gar nicht Zeit gefunden, sich zu besinnen. Sie wurden überritten, ehe es einem von ihnen einfiel, einen Schuß zu tun. Sie rafften sich auf, um die Flucht zu ergreifen, aber die Husaren hatten kehrt gemacht und fielen von neuem über sie her.

Und der Zug, welcher vorhin geplänkelt hatte, war unterdessen auch beritten geworden und brach zwischen den Bäumen hervor. Verwundet oder nicht, wer laufen konnte, der lief davon, viele aber wälzten sich am Boden. Und nun hörte man gar den Rittmeister den Befehl zum ‚Streunen‘ geben.

„Fangt mir die Kerls ein!“ rief er. „Aber nicht zu weit fortgehen!“

Er selbst hielt nicht weit vom Schloßtor, einen Wachtmeister an seiner Seite. Beide sprangen ab und traten ein.

„Er kommt, er kommt!“ sagte der Graf. „Er ist zwar ein Deutscher, aber ein vortrefflicher Offizier. Wir müssen ihm entgegen, um ihm zu danken. Kommt!“

Sie eilten durch die Reihe der Zimmer. Er aber war doch so schnell gewesen, daß er zu der einen Tür in den zerstörten Salon trat, während sie durch die entgegengesetzte kamen. Er tat drei Schritte auf den General zu, schlug die Absätze sporenklirrend zusammen, salutierte und meldete:

„Rittmeister von Hohenthal von den preußischen Husaren, Exzellenz!“

Sie alle, alle standen ganz erstarrt. Sie trauten ihren Augen nicht. Der General faßte sich zuerst.

„Herr Rittmeister, ich weiß nicht, ob ich recht vernommen habe“, sagte er. „Bitte, um Wiederholung Ihres Namens!“

„Von Hohenthal, Exzellenz.“

„Danke! Ah, welche Ähnlichkeit!“

„Welche Ähn – – –“ Ella sagte es, sprach aber das Wort nicht aus. Ihre Augen waren mit einem unbeschreiblichen Ausdruck auf ihn gerichtet.

„Herr Rittmeister“, fuhr der General fort, „es ist ein höchst glücklicher Zufall, welcher mir erlaubt – – –“

„Zufall?“ fragte Hohenthal in künstlichem Erstaunen.

„Gewiß!“

„O nein, General!“

„Was könnte es anders sein?“

„Nun, haben Exzellenz nicht nach mir geschickt?“

„Nach Ihnen geschickt?“

„Allerdings. Sie ließen mir sagen, daß Sie von den Franctireurs bedrängt seien. Ich stand in der Nähe von Metz und eilte natürlich herbei, um den Mückenschwarm zu zerstreuen.“

„Sie sehen mich erstaunt, ja fast betroffen! Ich soll zu Ihnen gesandt haben? Zu einem deutschen Offizier?“

„Ja.“

„Wen denn?“

„Den da! – Wachtmeister!“

Dieser hatte hinter der Tür gewartet. Er trat jetzt herein, salutierte ebenso stramm wie sein Rittmeister und meldete im dienstlich respektvollen Tone:

„Wachtmeister Tannert von den roten Husaren.“

„Martin! O mein Martin!“

Mit diesem Ruf flog Alice auf ihn zu. Sie breitete die Arme aus; sie bebte vor Freude. Er aber nahm die Hand nicht aus dem Salut hernieder und machte ein so ernsthaftes Gesicht, daß sie einen halben Schritt vor ihm stehenblieb und die Arme sinken ließ. Sie erglühte jetzt vor Scham.

„Herr Rittmeister, darf ich?“ fragte er.

„Ja“, antwortete dieser.

„Zu Befehl! Na komm her, mein Vögelchen. Wenn du dich fangen lassen willst, so will ich dich auch festhalten!“

Er drückte sie an sich und küßte sie. Nun gingen auch den anderen die Augen auf.

„Monsieur Belmonte – – –“, stieß der Graf hervor.

„Bitte, Exzellenz: Graf Arthur von Hohenthal, königlich preußischer Husarenrittmeister.“

„Ah, ah, ah, ah“, dehnte der General. „Darum, darum Ihre wiederholten Siege.“

„Nicht nur darum, Exzellenz. Ich folgte dem Befehl und tat meine Pflicht. Wollen Sie mir zürnen?“

„Nein. Ich heiße Sie vielmehr als meinen Retter willkommen. Hier, meine Hand!“

Sie schüttelten sich die Hände; dann trat der Rittmeister zu Ella, machte ihr sein Honneur und fragte:

„Gnädiges Fräulein, werden Sie weniger nachsichtig sein als Exzellenz?“

Sie erglühte bis in den Nacken hinab, reichte ihm die Hand und antwortete:

„Graf, Sie haben uns aus einer bösen Lage befreit. Ich werde es Ihnen nie vergessen. Ich wiederhole, was ich bereits sagte: Sie sind zu unserem Retter prädestiniert. Oder, sagtest du das nicht, liebe Marion?“

Diese verbeugte sich vor dem Rittmeister und antwortete:

„Ich glaube. Ich habe ja auch so einen Retter, welcher sicher erscheint, sobald ich mich in Gefahr befinde.“

Da trat der Premier ein und meldete:

„Zweiundsechzig Gefangene, darunter dreißig Verwundete. Wohin damit?“

„Hinunter in die Keller einstweilen.“

Er stellte den Oberlieutenant vor, bat um Entschuldigung und begab sich mit ihm und dem Wachtmeister hinab, während oben natürlich die lebhaftesten Ausdrücke des Erstaunens gewechselt wurden.

Dann stand Ella neben Marion am Fenster und flüsterte ihr zu:

„Ist das nicht ein Wunder, liebe Marion?“

„Ein großes Wunder und ein noch größeres Glück; denn er liebt dich, wie du ihn liebst.“

Ella errötete und sagte, um die Verlegenheit zu überwinden:

„Nun sollte der – weißt du, wen ich meine – auch Offizier sein, Marion!“

„Unmöglich!“

„Warum nicht?“

„Ich habe ihn dir ja beschrieben: seine Gestalt!“

„Ah, ja! Verzeih! Ich wollte dir nicht wehtun! Lieber will ich dir wünschen, daß dein Ideal zur Wahrheit werden möge. Du hast es ja gesehen, in Sachsen.“

„Mädchenphantasie! Ich sage dir, daß ich diesen armen Doktor mehr liebe, als ich den Offizier geliebt hätte. Werde du Gräfin Hohenthal; ich begnüge mich mit dem einfachen Namen – Frau Müller!“

„Famoser Offizier!“ sagte jetzt der am anderen Fenster stehende General. „Seht, wie er Vorposten ausstellt und Streifpatrouillen entsendet! Ja, diese Deutschen verstehen sich auf den Dienst. Also ein Graf? Wer hätte das gedacht! Hm! Ich muß hinab zu ihm, der Gefangenen wegen. Die werden das in ihrem Leben nicht wieder machen.“

Und als er fort war, wendete Marion sich an Alice:

„Aber, liebes Kind, nun ist er ja auf einmal ein Deutscher!“

Die Angeredete wurde nicht verlegen. Sie deutete zum Fenster hinaus und sagte:

„Mademoiselle haben gesehen, was die Deutschen können! Sie gewinnen Schlacht auf Schlacht und retten uns aus jeder Gefahr, in welche wir durch unsere Landsleute gebracht werden.“

„Sie haben recht, liebe Alice. Auch Ihr Martin ist ein ganzer Mann. Er nannte sich Tannert. Wenn Sie Frau Tannert sind, werden wir uns vielleicht oft besuchen.“

„Und ich bin mit dabei“, meinte Ella. „Jetzt aber wollen wir uns daran erinnern, daß wir Wirtinnen sind. Sehen wir also nach, was diese häßlichen Franctireurs für unsere lieben Gäste übriggelassen haben.“

Als nach einiger Zeit Hohenthal mit seinen Offizieren zur gräflichen Tafel geladen wurde, erklärte er zwar, daß er eigentlich nicht Zeit dazu habe, da er zurück müsse, aber er ließ sich doch bewegen, noch zu bleiben.

Kaum aber hatte man sich gesetzt und zu speisen begonnen, so hörte man unten den galoppierenden Hufschlag eines Pferdes, und gleich darauf trat ein Unteroffizier ein.

„Verzeihung, Herr Rittmeister“, sagte er. „Französische Kavallerie im Anzug!“