„Pah! Wir beherrschen ja die Fenster von unten. Während zum Beispiel die Hälfte der Mannschaft stürmt, hält die andere Hälfte die Preußen von den Fenstern fern. Zwei Gardekürassiere und ein Gardedragoner werden es doch mit einem windigen, preußischen Husaren aufnehmen, meine Herren!“
Es wurde gegen diesen Plan gesprochen; aber der Oberst blieb dabei und setzte seinen Willen durch. Die Mannschaften mußten absteigen. Die Pferde wurden zur Seite außer Schußweite geführt; sie kamen natürlich unter die Obhut einer Anzahl der Kavalleristen. Die übrigen wurden in zwei Abteilungen getrennt. Die erste war bestimmt, in das Schloß zu brechen, und die andere nahm rund um das letztere Stellung, um die Bewohner desselben unter Feuer zu halten.
Als diese Vorbereitungen getroffen waren, gab Oberst Rallion den Befehl zum Angriff.
Dieser konnte natürlich nur im Parterre erfolgen. Es war anzunehmen, daß das Eingangstor von innen sehr fest verrammelt worden sei. Darum hatten die Angreifer Befehl, ihr Augenmerk besonders auf die Fenster zu richten.
Mit lautem Rufen stürmten sie auf das Schloß los. Dort wurden in demselben Augenblick sämtliche Parterrefenster geöffnet. Eine fürchterliche Salve krachte aus diesen den Angreifern entgegen. Jede Kugel traf ihren Mann. Die preußischen Husaren waren nicht nur tüchtige Reiter, sondern ebenso wackere Schützen. Eine große Anzahl der Franzosen war gefallen.
Diejenigen, welche unverletzt geblieben waren, stutzten. Sie zauderten, vorwärts zu dringen.
„En avant; en avant!“ brüllte der Oberst.
Sie gehorchten. In langen Sätzen stürmten sie weiter und erreichten die Mauer, wo sie sich sicher wähnten.
„Pst!“ stieß der Oberst hervor. „Diese verdammten Preußen zielen besser, als ich dachte. Aber sie sind schon halb besiegt. Unsere Leute sind an der Mauer des Hauses vor jeder Kugel sicher; denn wehe dem Feind, der sich an einem der Fenster sehen lassen wollte, um zu schießen. Er wäre seines Todes sicher.“
Auf sein wiederholtes Kommando versuchten die Leute, in die Fenster zu steigen. Einer hob den anderen, aber – – – ein Schrei der Wut erscholl rings um das Gebäude; diejenigen, welche das Einsteigen gewagt hatten, fielen in die Arme derer, von denen sie gehoben worden waren, zurück, von den Säbelhieben der Husaren getroffen. Dem einen war sogar der Kopf mit einem Hieb vom Rumpf getrennt worden. Während der leblose Körper nach außen zurückstürzte, wurde ihm der abgehauene Kopf nachgeschleudert.
Lieutenant von Hornberg hatte dem Rittmeister von Hohenthal gemeldet, wie er empfangen worden war und welchen Bescheid er erhalten hatte.
„Gut!“ sagte der Rittmeister. „Wollen sehen, ob er es so weit bringt, in der angegebenen Zeit seinen Besuch zu machen.“
Er schickte nach dem General.
„Exzellenz“, sagte er, als dieser kam. „Eigentlich ist es meine Pflicht, mich aller Personen, welche das Schloß bewohnen, zu versichern. Ich glaube aber, überzeugt sein zu dürfen, daß dies nicht nötig ist. Ich bitte Sie um Ihr Ehrenwort, daß keiner von Ihren Leuten etwas unternimmt, was nicht mit meinen Absichten in Einklang zu bringen ist.“
„Ich gebe es für mich und für alle die Meinigen.“
„Ich danke! Darf ich Sie bitten, sich in das oberste Stockwerk zurückzuziehen?“
„Ich gehorche natürlich.“
„Aber Sie werden die Güte haben, mir Ihren Beschließer zu senden. Ich bedarf natürlich sämtlicher Schlüssel, welche vorhanden sind.“
„Er steht draußen schon bereit. Aber, Herr Rittmeister, in welcher Weise glauben Sie, daß der Angriff erfolgen wird?“
„Das werde ich erst nach näherer Beobachtung wissen. Auf alle Fälle wird man nur das Parterre angreifen. Natürlich werde ich Sorge tragen, daß Ihr Eigentum möglichst geschont wird. Bitte, kehren Sie zu den Damen zurück, um sie zu beruhigen!“
Melac mußte sämtliche untere Räumlichkeiten öffnen. Hohenthal ließ die Läden aufmachen und auch die Fenster aufwirbeln, um selbst die Glastafeln möglichst zu schonen. Dann gab er Befehl, im Fall eines Angriffes zuerst eine Salve zu geben, dann aber jeden Eindringling mit dem Säbel zurückzuweisen. Auf diese Weise wurde die Munition gespart. Auch durfte sich keiner am offenen Fenster sehen lassen. Hinter dem Fensterpfeiler stehend, war der Verteidiger gedeckt und konnte doch den Säbel nach Kräften gebrauchen.
Während der Rittmeister das Kommando der Front übernahm, übergab er den anderen Offizieren die übrigen Seiten in Verteidigung. So waren sie gerüstet, den Feind zu empfangen. –
Richard von Königsau war, nachdem er mit Fritz Schloß Ortry verlassen hatte, nach der Gegend von Metz geritten, wo die deutschen Heere im Begriff standen, den Marschall Bazaine einzuschließen.
Die beiden Ulanen kamen erst am Morgen nach Servigny, wo man sich zum Kampf vorbereitete. Um zu ihrer Truppe zu gelangen, mußten sie noch weiter nach Ars Laquenepy. Dort erfuhren sie, daß andere Dispositionen getroffen worden seien. Das Gardeulanenregiment war noch in der Gegend von Gorge zu suchen.
Dorthin gelangten sie erst am Nachmittag, während seit vormittag im Norden die Kanonen gedonnert hatten, ein Zeichen, daß da eine Schlacht geschlagen werde.
In Gorge erfuhren sie endlich, daß drei Schwadronen nach Chambley detachiert worden seien. Über den Aufenthalt der übrigen Schwadronen konnten sie nichts erfahren.
„Verteufelte Geschichte!“ meinte Fritz. „Wir wollen und wir müssen nach Schloß Malineau, um die Machinationen dieses alten Kapitäns zuschanden zu machen. Dazu bedürfen wir der Erlaubnis. Wo aber den Oberst finden?“
„Es bleibt uns nichts übrig, als eben nach Chambley zu reiten“, meinte Königsau mißmutig.
„Hm! Könnten wir denn nicht auf eigene Faust handeln?“
„Das ist zweifelhaft.“
„Warum? Es ist uns ja weder Zeit noch Ort bestimmt, wann und wo wir zu dem Regiment zu stoßen haben.“
„Aber unsere Instruktion lautet, sofort einzutreffen, nachdem wir unser Arrangement in Schloß Ortry getroffen haben.“
„Nun, mit diesem Arrangement sind wir ja noch nicht fertig!“
„Wieso?“
„Der alte Kapitän gehört doch auch dazu. Er ist entflohen. Wir müssen ihn suchen und finden!“
„Diese Art der Auslegung hat allerdings etwas für sich. Warten wir, wie es in Chambley aussieht. Dort können wir uns ja weiter entschließen.“
Wenn sie gewußt hätten, daß der alte Kapitän nicht so schnell fortgekommen war und noch in der Gegend von Ortry bei einem Bauern steckte, so hätten sie sich keine solche Sorge gemacht.
„Übrigens“, meinte Fritz, „scheint mir, als ob wir auf diese Weise nicht mehr sehr weit kommen würden. Mein Gaul ist so müde, daß ich ihn per Kutsche weitertransportieren lassen möchte.“
„Bis Chambley muß er wohl oder übel aushalten. Mein Pferd lahmt schon seit einer Viertelstunde. Müssen wir heute noch weiter, so wird es notwendig sein, uns nach anderen Pferden umzusehen.“
Sie waren noch nicht weit gekommen, so erkannten sie, daß es ihnen sehr schwierig sein werde, das angegebene Ziel zu erreichen. Straßen und Wege waren von Teilen des dritten und zehnten Armeekorps bedeckt, welche nach Trouville und Vionville dirigiert wurden. Es blieb ihnen nichts übrig, als von der Richtung abzuweichen und den Umweg über Saint Julien de Gorge einzuschlagen.
Als sie dort ankamen, war es Nacht geworden. Sie konnten unmöglich weiter. Sie fanden kein anderes Nachtquartier, als einen alten Schuppen, wo sie glücklicherweise etwas Stroh entdeckten.
Am anderen Morgen ging es weiter. Sie erreichten aber, weil es überall von Militär wimmelte, Chambley, welches so nahe lag, ziemlich spät.
Dort fand Königsau endlich Gardeulanan, aber auch nur eine einzige Schwadron. Die anderen beiden waren nach Troyon beordert worden, dem Heer des Kronprinzen entgegen.
Wie gern hätte der Major sich sofort an die Spitze dieser Leute gesetzt, um sie nach Malineau zu führen, aber das war unmöglich. Er hatte mit dem Etappenkommandanten sich ins Einvernehmen zu setzen, und dann waren noch andere Schritte zu tun, so daß es sehr spät wurde, als er endlich von Buxieres, wohin er gesandt hatte, die Erlaubnis bekam, die Schwadron zu dem angegebenen Zweck zu verwenden.