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„Hurra! Hurra! Preußen hoch!“

So ertönte es auch vom Schloß her. Durch das geöffnete Portal drangen die Husaren. Mit hochgeschwungenem Säbel stürzten sie sich von dieser Seite auf die Franzosen.

„Herr, mein Heiland“, stöhnte Mama Melac. „Das kann ich nicht ersehen.“

„Herrlich, herrlich!“

Dieser Ruf entfuhr dem Mund des Generals. Er konnte nichts dafür, er mußte dem Feind Bewunderung zollen.

Die Anführer der Franzosen hatten sich bisher ziemlich ferngehalten, so daß ihre Gesichtszüge nicht zu unterscheiden gewesen waren. Und da Rittmeister von Hohenthal nichts über die Unterredung des Parlamentärs mit dem Obersten Rallion geäußert hatte, so wußte Marion gar nicht, wer diejenigen eigentlich waren, die in das Schloß dringen wollten.

Sie hatte wohl bemerkt, daß sich ein Zivilist bei den Offizieren befand und dieser ein alter Herr sein müsse. Jetzt, als die Ulanen herangestürmt kamen, und die Franzosen diesen unerwarteten Feind bemerkten, gab der Alte seinem Pferd die Sporen und riß es plötzlich zur Seite. Es stieg in die Höhe und galoppierte dem entgegengesetzten Teil des Waldes zu. Hierbei sah der Alte voller Angst zurück, so daß Marion sein Gesicht erkennen konnte.

„Himmel! Der Kapitän!“ rief sie aus.

„Welcher?“ fragte Ella.

„Richemonte!“

„Der Peiniger? Wo?“

„Dort – der Alte, welcher eben im Wald verschwindet!“

„So ist es auf dich abgesehen gewesen!“

„Jedenfalls! Allen Heiligen sei Dank! Er ist fort!“

Die Attacke war auf das glänzendste gelungen; aber die Übermacht war doch zu groß. Die Franzosen wehrten sich wie die Teufel. Zuerst waren sie einfach überritten worden, wobei die Lanzen entsetzlich gewirkt hatten. Nun aber stellten sie sich zur Wehr. Sie ergriffen die ihnen entfallenen Karabiner, oder sie zogen blank. Es gelang ihnen zwar nicht, zu ihren Pferden zu kommen, aber sie kämpften zu Fuß. Das Gefecht löste sich in Einzelkämpfe auf.

„Dort, der Oberst!“ rief der alte General begeistert. „Er verteidigt sich gegen zwei Husaren. Ein tüchtiger Fechter. Ah, wirklich, den kenne ich! Das ist Rallion!“

„Rallion?“ fragte Marion. „Ja, ja gewiß! Jetzt erkenne ich ihn auch! Es war also wirklich auf mich abgesehen. Wie wird das enden!“

„Welcher mag denn wohl Königsau sein?“ flüsterte ihr Ella zu.

„Der Anführer, welcher voranritt!“ antwortete sie.

„Wo ist er?“

„Der Anführer?“ fragte der General. „Da ist er, mitten im Knäuel drin. Er trägt die Abzeichen eines Majors. Mille tonnerres, ist das ein Kerl. Seht, wie er mit dem Säbel umzugehen versteht! In der Rechten den Degen, und in der Linken den Revolver!“

Marion faltete die Hände. Sie sah ihn; sie stieß einen lauten Angstschrei aus.

„Herrgott!“ rief sie. „Er ist verloren!“

Ein Dragoner hatte sich von hinten an das Pferd Königsaus gedrängt und holte mit dem Säbel aus. Der Major aber bemerkte es, drehte sich um und schoß ihm eine Kugel durch den Kopf.

„Gerettet“, stöhnte Marion.

„Er läßt sein Pferd steigen!“ rief der General. „Da, da bekommt er Hilfe! Ein Lieutenant, ein riesiger Kerl, mit noch mehreren! Alle Teufel, hauen die zu!“

„Rallion ist seine beiden Husaren noch nicht los“, bemerkte Ella jetzt, indem sie auf den Genannten deutete. „Paß auf, Marion! Der feindliche Ulanenmajor hat ihn erblickt. Er fegt auf ihn zu. Sieh, er ruft den Husaren etwas zu. Sie lassen von dem Obersten ab. Der Major will ihn für sich allein haben! Die Anführer im Kampf miteinander.“

„Ich brenne vor Begierde!“ rief Latreau.

Sie hatten die Worte Königsaus nicht hören können. Diesem war es bis jetzt noch nicht gelungen, an Rallion zu kommen. Er hatte sich mitten im Kampfgewühl befunden. Jetzt aber, da er mit Fritzens Hilfe, den der General als den ‚riesigen Kerl‘ bezeichnet hatte, seine Dränger losgeworden war, spornte er sein Pferd auf ihn zu.

„Halt! Zurück! Dieser gehört mir“, herrschte er den beiden Husaren zu.

Sie wendeten sich sofort von Rallion fort und suchten sich andere Arbeit. Der Oberst erblickte jetzt den neuen Feind.

„Heiliges Donnerwetter!“ rief er. „Wer ist denn das?“

„Ich hoffe, Sie kennen mich.“

„Doktor Müller.“

„Oder ein anderer.“

„Ah, ich weiß! Königsau! Verdammt! Fahre zum Teufel, verfluchter Halunke!“

Er drängte sein Pferd an dasjenige seines Feindes, holte zum fürchterlichen Hieb aus, gab aber eine Finte und modulierte zum tödlichen Stoß. Königsau aber war ihm überlegen; er parierte glücklich.

„Geh voran! Andere mögen dir folgen.“

Mit diesen Worten richtete er sich im Bügel auf. Ein Hieb aus hoher Luft – Rallion sank mit gespaltenem Kopf vom Pferd.

Droben im Dachzimmer ertönte ein lauter, mehrstimmiger Schrei.

„Ein fürchterlicher Mann“, stieß der General hervor.

„Rallion ist tot“, fügte Marion hinzu.

Sie atmete tief auf und ließ den Kopf ermattet auf die Schulter Ellas sinken, welche selbst an allen Gliedern zitterte, da sie im tiefsten Herzen für den Rittmeister Hohenthal bangte, welcher die Gefahr förmlich aufzusuchen schien.

„Ich kann nicht mehr“, stöhnte sie.

„Ja, es ist zuviel“, stimmte Marion bei. „Das werde ich nie, nie vergessen.“

Beide wendeten sich vom Fenster ab. Mama Melac war längst in einen Stuhl gesunken, der in einer Ecke stand. Auch der General fühlte sich angegriffen. Er wischte sich den rinnenden Schweiß von der Stirn und sagte:

„Gehen wir wieder in unsere Zimmer. Hier ist es zu fürchterlich, besonders für euch.“

Sie folgten seiner Aufforderung. –

Als Königsau den Obersten niedergeschlagen hatte, wendete er sein Pferd wieder zurück. Er sah den Rittmeister bedrängt und eilte ihm zu Hilfe. Er hatte bisher noch gar keine Gelegenheit gehabt, ihn näher zu sehen.

„Was!“ rief er nun. „Arthur, du?“

„Ja, ich! Komm! Hauen wir diese Kerls in Kochstücke! Sie sind wie die Wespen.“

Aber die schwerste Arbeit war bereits getan. Noch eine kurze Zeit, und der Sieg war errungen – zwei Schwadronen leichte Reiterei gegen diesen überlegenen Feind! Und glücklicherweise war der Sieg gar nicht teuer bezahlt worden.

Gleich anfangs hatte sich eine kleine Abteilung Ulanen auf diejenigen Franzosen geworfen, denen die Pferde anvertraut waren. Dieser Coup war gelungen.

Niedergeritten, niedergestochen und niedergesäbelt, hatten die Feinde es nicht vermocht, wieder zu ihren Tieren zu kommen. Wer nicht tot war, der war gefangen, und nur wenigen war es geglückt, zu entkommen.

Königsau und Hohenthal schüttelten einander die Hände.

„Das war Hilfe zur rechten Zeit!“ meinte der letztere. „Wie aber wußtest du, daß ich hier belagert wurde?“

„Kein Wort wußte ich davon.“

„Nicht? Und kommst doch nach Malineau! Jedenfalls aus reinem Zufall?“

„Nein. Ich komme von Ortry, wo ich erfuhr, daß der Kapitän nach hier wollte, um Marion zu holen. Ich glaubte Franctireurs zu treffen, nicht aber dich.“

„Oh, diese Kerls habe ich gezüchtigt. Ich habe eine tüchtige Zahl gefangengenommen.“

„Marion ist doch da?“

„Ja.“

„Ist sie wohl?“

„Gewiß. Ich erkannte dich, als du da drüben hinter dem Reisig stecktest. Sie stand bei mir, und ich sagte ihr, daß Herr von Königsau mich befreien werde.“

„Was sagte sie?“

„Nichts. Aber ich sah, daß sie erbleichte –“

„Ich muß zu ihr.“

„Bitte, nicht so stürmisch! Du kannst dir denken, daß ich dabeisein möchte. Übrigens haben wir zunächst hier unsere Pflicht zu tun. Wir müssen tabula rasa machen und dann die weiteren Schritte beraten. Doch, wo ist der Kapitän?“