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„Sie sind Kommandant dieses Schlosses, niemand darf Ihnen den Zutritt versagen.“

„Und doch gehe ich sofort, wenn meine Gegenwart Ihnen weh tut.“

Und als sie nicht antwortete, trat er näher und fragte:

„Soll ich bleiben – oder gehen?“

„Bleiben Sie“, flüsterte sie errötend.

Da ließ er sich an ihrer Seite nieder und sagte:

„Marion, es ist mir schwer, sehr schwer geworden, aber ich durfte nicht anders. Wollen Sie mir Ihre Hand geben, zum Zeichen, daß Sie mir verzeihen?“

„Hier, Herr – – Doktor!“

Sie lächelte dabei, halb glücklich und halb wehmütig.

„Verzeihen macht Freude, Marion. Sie aber sind traurig. Und doch möchte ich in Ihren Augen ein freudiges Licht sehen, welches mich so glücklich machen würde.“

Da legte sie ihr Köpfchen an seine Brust und weinte. Er zog sie noch inniger an sich.

„Marion!“

„Richard!“

„Warum bist du so traurig?“

„Weil du mir kein Vertrauen geschenkt hast.“

„Ich war nicht als Privatperson in Ortry. Ich mußte mein Geheimnis wahren, selbst vor dir. Ich durfte dir nichts sagen, obgleich ich so unendlich glücklich war, dich gefunden zu haben.“

Da ging es wie heller Sonnenschein über ihr Gesicht.

„So hattest du mich gesucht?“ fragte sie.

„Ja. Ich hatte dich ja in Dresden gesehen, auf der Straße nach Blasewitz, im Vorüberreiten. Nur einen Augenblick lang erblickte ich dich, aber deine Züge waren mir doch unauslöschlich in das Herz geschrieben. Ich fühlte, daß ich dein sein müsse, dich lieben könne, und doch warst du mir so unbekannt wie ein Stern, den man am Himmel niederfallen sieht. Du freilich kanntest wenigstens meinen Namen.“

„Du vermutest das?“

Sie war tief errötet. Er drückte sie liebevoll an sich und sagte:

„Sollte dir der Fotograf nicht den Namen gesagt haben?“

Da barg sie ihr Angesicht noch tiefer an seiner Brust und antwortete leise:

„Ja, er sagte ihn.“

„Nun, Gott hat es gewollt, daß ich dich wieder fand – doch als Braut eines andern.“

„Dem ich niemals angehört haben würde. Du trugst mich aus dem Sturm und aus dem Wasser. Ich war dein.“

„Aber ich war Doktor Müller, als ich dich an das Land getragen hatte.“

„Ich liebte dennoch den Mann, der so kühn, so kenntnisreich und gemütvoll war.“

„O weh! Der arme Major Königsau.“

Da schlang sie die Arme um seinen Nacken und sagte:

„Gott sei Dank, daß es so gekommen ist! Ja, ich wäre Müllers Frau geworden, gern, von Herzen gern; aber jene Begegnung in Dresden hätte ich doch nie vergessen.“

„Ich danke dir. Also ich darf dir sagen, wie lieb, wie unendlich lieb ich dich habe?“

„Ja, Richard.“

„Und du willst mir gehören, willst bei mir sein und für immerdar mein, Marion?“

„Ich bin dein eigen; ich kann ohne dich nicht sein!“

„So segne dich der Herrgott tausend und abertausend Male. Dieses Wort gibt meinem Herzen eine Fülle unendlichen Glückes. Und nie hätte ich gedacht, in Ortry, dem Wohnsitz unseres Todfeindes, ein solches zu finden.“

„Todfeind?“

„Ja. Erinnerst du dich jener Familie, von welcher ich dir erzählte, als wir miteinander im Steinbruch saßen?“

„Ja; der Kapitän hat sie um all ihr Glück gebracht.“

„Es ist die Familie Königsau, die meinige.“

„O Himmel! Nie kann ich gutmachen, was er an euch verbrochen hat. Und heute wollte er mich zwingen, mit ihm von hier fortzugehen.“

„Ich wußte es, daher kam ich.“

„Du? Du wußtest es?“

„Ja. Ich war bei ihm in Ortry.“

„Wie ist es jetzt dort?“

„Das Schloß befindet sich in unseren Händen. Alle Verschwörer sind unsere Gefangenen und – doch das weißt du nicht, und ich werde es dir später erzählen. Jetzt denke ich daran, daß du den braven Pflanzensammler gar nicht nach den Grüßen gefragt hast, die er dir zu bringen hat.“

„Er ist – Nanons Verlobter?“

„Ja. Er ist Nanons Verlobter und Graf Lemarchs Bruder. Du kennst ja den Grafen.“

„Lemarchs Bruder? Wie ist das möglich?“

„Auch das werde ich dir später erklären, meine süße Marion. Jetzt möchte ich nichts erzählen und nichts sagen. Jetzt möchte ich nur dir in deine herrlichen, klaren Augen blicken und –“

Er hielt inne und blickte ihr mit herzlicher Innigkeit in das glücklich lächelnde Angesicht.

„Und –“, fragte sie.

„Und das hier machen.“

Er legte seine Lippen auf ihren Mund. Sie schlang die Arme um ihn und zog ihn noch inniger an sich.

„Richard, mein Richard! Wie glücklich, wie selig bin ich. Ich habe nicht gedacht, daß das Menschenherz eine solche Wonne zu fassen vermöge.“

„Ja, es ist ein großes, großes Glück. Wir alle haben viel, sehr viel gelitten, und es ist eine Gnade von Gott, daß er das Herzeleid nun endlich in Freude kehrt. Wie lieb, wie herzlich lieb werde ich deine Mutter haben. Wo befindet sie sich? Ich sah sie noch nicht?“

„Sie war bei uns, bis du mit den deinen erschienst. Dann hat sie ihr Zimmer aufgesucht. Wenn du sie lieb hast, werde ich doppelt glücklich sein. Aber die deinen! Was werden sie sagen, wenn sie erfahren, daß gerade ich dein Herz besitze?“

„Sie werden sich freuen. Meine Schwester kennt dich bereits und hat dich tief in ihr Herz geschlossen.“

„Deine Schwester?“

„Ja.“

„Wie heißt sie?“

„Emma.“

„Und du sagst, daß sie mich kenne?“

„Gewiß. Sie hat dich oft gesehen.“

„Wo?“

„In Thionville und Ortry.“

„Unmöglich!“

„O doch! Du hast sogar mit ihr gesprochen, und sie hofft, daß du sie auch ein klein wenig liebhaben wirst.“

„Aber Richard, ich besinne mich nicht im mindesten.“

„Bedenke, daß ich inkognito bei euch war.“

„Ah, sie war also auch –?“

„Inkognito!“ nickte er lächelnd.

„Unter welchem Namen?“

„Miß de Lissa.“

„Mein Gott! Diese ist deine Schwester?“

„Ja. Ich hatte ihr voller Glück geschrieben, daß ich meine einzige, wahre Liebe gefunden habe. Das trieb sie herbei, sie wollte dich kennenlernen. Sie lernte dich nicht nur kennen, sondern auch lieben von ganzem Herzen.“

„Richard, wie wunderbar! Wie unendlich glücklich machst du mich! Ich habe sie so lieb!“

Da klopfte es leise, und die Tür wurde ein wenig geöffnet.

„Darf ich stören?“ fragte Ella.

„Ja. Komm, komm!“

Bei diesen Worten sprang Marion auf und eilte ihr entgegen.

„Verzeihung!“ sagte die schöne Komtesse. „Aber, Herr Major, Sie werden gesucht.“

„Wo?“

„Im vorderen Zimmer.“

Er begab sich vor und fand einen der Ulanen, welche er dem Kapitän nachgeschickt hatte.

„Zurück von der Verfolgung“, meldete er.

„Aber nicht gefangen?“

„Nein.“

„So ist er leider weg?“

„Zu Befehl, Herr Oberstwachtmeister, nein!“

„Wie? Nicht?“

„Er kommt wieder zurück.“

„Selbst? Freiwillig?“

„Ja.“

„Was? So kommt er nicht allein?“

„Mit einer Truppe afrikanischer Reiter.“

„Spahis?“

„Ja, so heißen sie.“

„Erzähle.“

„Wir konnten dem Alten nicht auf die Fersen kommen. Er hatte einen großen Vorsprung, und wir kannten ja die Gegend nicht, daß wir ihm den Weg hätten abschneiden können. Aber seine Spur fanden wir. Sein Pferd hatte im Galopp den Waldboden so sehr aufgerissen, daß wir gar nicht irren konnten. Wir folgten ihm durch verschiedene Waldwege, dann hinaus auf das Feld. Es ging, wie ich aus meiner kleinen Karte bemerkte, auf Samigneux zu. Wir kamen wieder in einen Wald, welcher sich über eine Höhe zog. Oben angekommen, so daß wir das Tal überblicken konnten, bemerkten wir einen Zug Spahis, der uns gerade entgegenkam. Auf ihn traf der Alte. Wir sahen deutlich, daß er mit dem Anführer sprach und dann mit ihnen umkehrte.“