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Er bewegte sich wie eine Schlange, immer an der Erde über die Straße hinüber. Es war, als ob er sich zeitlebens in dieser Fortbewegungsart geübt habe.

Drüben kam er wieder unter die Bäume und schwenkte links ab, in der Richtung des Schlosses. Bald erkannte er einen mattglänzenden Punkt vor sich.

„Schau! Da steht so ein Bärlappsamenhändler!“ flüsterte er vor sich hin. „Der will Vorposten sein?!“

Er kroch weiter, kaum einige Schritte an dem Weißen vorüber. Sein Auge hatte sich an die Dunkelheit gewöhnt, und so sah er nach einiger Zeit eine andere Gestalt, aber dunkel gekleidet, an einem Baum lehnen.

„Das ist ein Deutscher“, dachte er. „Will doch sehen, ob er mich bemerken will!“

Er gab sich so außerordentliche Mühe, daß er auch hier nicht entdeckt wurde. Nun glaubte er, die Postenkette vollständig passiert zu haben. Darum erhob er sich und verfolgte seine Richtung gehend weiter. Er kam aus dem Wald hinaus. Da lag Reisig und Scheitholz. Noch war er nicht weit gekommen, so erklang es vor ihm:

„Halt! Wer da!“

„Gut Freund!“

„Die Parole!“

„Unsinn! Ich kann doch gar nicht wissen, was ihr hier für eine habt!“

„Also stehenbleiben, sonst schieße ich!“

„Schrei nicht so, Dummkopf! Die Franzmänner brauchen nicht zu wissen, daß ich da bin.“

„Schweigen, sonst schieße ich!“

„Verdammt! Ich habe es eilig. Wann wirst du abgelöst, Gevatter?“

„In fünf Minuten. Nun aber still, sonst schieße ich wirklich! Ich mache keinen Spaß.“

Der Dicke sah ein, daß er sich darein ergeben müsse. Er stand fünf Minuten lang auf derselben Stelle, während der andere den Karabiner auf ihn gerichtet hielt. Endlich kam die Ablösung.

„Herr Sergeant, hier ist ein Spion!“ meldete der Posten.

„Donnerwetter! Ist's wahr?“

„Ja. Er hat sich da vorn wirklich hereingeschlichen.“

„Schön, mein Bursche. Mit solchem Volk macht man kein Federlesens. Vorwärts, Anton!“

Mit diesem ‚Anton‘ war der Dicke gemeint. Er mußte in Reih und Glied treten und mitgehen. Er tat dies, ohne nur eine Silbe dagegen zu sagen.

Im Schloß angekommen, wurde er dem Ulanenwachtmeister abgeliefert.

„Ein Spion, Herr Wachtmeister. Herr Major von Königsau wird sich freuen.“

Als der Gefangene diesen Namen hörte, zuckte es lustig über sein fettes Gesicht.

„Mensch, wie heißen Sie?“ fragte der Wachtmeiser.

„Pudding!“ lautete die Antwort.

„Hübscher Name! Was sind Sie?“

„Pudding.“

„Donnerwetter! Dick und fett genug sind Sie dazu. Aber Pudding heißen und Pudding sein! Wo sind Sie her?“

„Pudding.“

„Kerl, glauben Sie etwa, daß Sie sich im Kasperletheater befinden? Hier handelt es sich um Leben oder Tod! Also, woher sind Sie?“

„Pudding.“

Kurz und gut die Frage konnte lauten, wie sie wollte, der Gefangene antwortete stets mit dem Wort Pudding. Der Wachtmeister geriet in fürchterlichen Grimm und ging endlich, die Meldung zu machen. Zwei Mann mußten den Gefangenen nachführen.

Die Herren Offiziere befanden sich mit den Bewohnern des Schlosses im Salon.

„Herr Oberstwachtmeister, es ist ein Spion eingefangen!“ lautete die Meldung.

„Ein Spion? Ah! Wann?“

„Vor fünf Minuten.“

„Wo?“

„Der Ulan Schellman hat ihn festgehalten. Da hat er ganz gut Deutsch gesprochen. Auf meine Fragen antwortete er aber nur mit dem einen Wort: Pudding.“

„Herein mit ihm!“

Die Tür öffnete sich, und die beiden Soldaten traten mit dem Gefangenen ein. Dieser marschierte in strammer Haltung auf Königsau zu, salutierte und sagte:

„Herr Major, melde mich als Spion, durch die französischen Linien glücklich gekommen, von unseren Leuten aber festgenommen.“

„Schneffke!“ sagte der Major erstaunt.

„Zu Befehl! Hieronymus Aurelius Schneffke, Tiermaler und Feldwebel der königlich-preußischen Landwehr.“

„Wie kommen Sie hierher?“

„Auf meinem Bauch.“

„Das müssen Sie erzählen.“

„Zu Befehl.“

Zu dem Wachtmeister sagte Königsau:

„Dieser Mann ist kein Spion. Abtreten.“

Die drei folgten diesem Befehl, indem sie sehr verdutzte Mienen zogen.

„Also, woher, lieber Schneffke?“ fragte der Major.

„Aus Trouville. Der Herr Rittmeister von Hohenthal hat Verstärkung verlangt. An hoher Stelle vermutet man wichtiges; daher wurden zwei Schwadronen Husaren und zwei Kompanien Infanterie abgesandt, die letztere natürlich per Wagen. Wir haben Etain besetzt, und ich bin mit einem Kameraden, welcher mich im Wald erwartet, vorgegangen, um dem Herrn Major unsere Auskunft zu melden und etwaige Befehle zu erbitten.“

„Welch eine Verwegenheit!“

„Oh, mir geschieht nichts. Höchstens falle ich einmal; weiter aber kann es nichts geben.“

„Es ist wirklich ein Wunder, daß Sie vom Feind nicht bemerkt wurden. Je zwanzig Schritt ein Posten.“

„Ich bin zu dick, um gesehen zu werden. Ich passe in die heutige dicke Finsternis.“

„Woher haben Sie denn diesen Anzug?“

„Ein dicker Lohgerber in Etain hat ihn borgen müssen. Er ist mir viel zu eng. Aber, ich habe gehorsamst sehr wichtiges zu melden.“

„Schießen Sie los!“

„Es ist ein Brief von Mac Mahon an Bazaine unterwegs, Herr Oberstwachtmeister.“

„Was Sie sagen.“

„Ja, oder vielmehr sogar zwei Briefe.“

„Woher wissen Sie das?“

„Ich habe es belauscht. Der eine der Briefe ist jetzt auf dem Weg nach Metz, und der andere befindet sich in dem Stiefelfutter des Obersten, der Sie belagert.“

„Ich hoffe nicht, daß Sie grad in diesem Augenblick sich in spaßhafter Stimmung befinden.“

„Herr Oberstwachtmeister, ich kenne meine Pflicht. Das ist so fest wie Pudding.“

„Erzählen Sie!“

Der dicke Tiermaler erstattete Bericht. Als er geendet hatte, fragte Königsau:

„Kapitän wurde der andere genannt?“

„Zu Befehl!“

„Und geflohen ist er bei unserem Angriff?“

„Ja.“

„Sollte er etwa gar der alte Richemonte sein?“

„Jedenfalls.“

„Sie kennen den doch auch.“

„Werde ihn nicht vergessen. Habe ihn vorhin trotz der Dunkelheit an der Stimme sogleich erkannt. Übrigens hat er sich von dem andern ausbedungen, daß dieser Fräulein de Sainte-Marie festnehmen und abliefern soll.“

„Wohin?“

„Das wurde nicht gesagt.“

„Hm! Eine neue Teufelei, die ihnen aber nicht gelingen soll! Wir kommandiert Ihr Detachement?“

„Der Herr Major von Posicki.“

„Hat er Ihnen irgend etwas anvertraut?“

„Nein. Ich habe mir Ihre Befehle zu erbitten.“

„Wann ist er disponibel?“

„In jedem Augenblick.“

„Getrauen Sie sich denn, wieder glücklich durchzuschlüpfen?“

„Ich denke, daß sie mich nicht bekommen werden.“

„Schön! Ich werde dafür sorgen, daß Ihr Mut Anerkennung findet. Sagen Sie dem Major, daß er noch während der Nacht den Feind umstellen soll. Mit Tagesanbruch werde ich angegriffen, dann befinden sich die Herren Spahis zwischen zwei Feuern. Haben Sie Hunger oder Durst?“

„Nein, danke! Aber eine Bitte habe ich.“

„Welche?“

„Darf ich, ehe ich aufbreche, zuvor erst einmal mit dem Beschließer Melac sprechen?“

„Hm! So, so! Ich habe nichts dagegen und gestatte Ihnen eine halbe Stunde. Sollte Herr Melac nicht zu finden sein, so wenden Sie sich an seine Tochter oder vielmehr Enkelin, Fräulein Marie Melac.“

„Zu Befehl, Herr Oberstwachtmeister.“