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»Das ist meine Maschine«, sagte Don Kondor zänkisch. »Ich habe keine Zeit für Raufereien unterwegs.«

Don Hug zeigte ein freundliches Lächeln, setzte sich rittlings auf die Bank und sagte:

»Und so, edle Dons, sind wir also gezwungen zu konstatieren, daß der hochgelehrte Dr. Budach auf geheimnisvolle Weise irgendwo zwischen der irukanischen Grenze und dem Platz der Schweren Schwerter verschwunden ist …«

Vater Kabani drehte sich plötzlich um auf seinem Lager. »Don Reba …«, sagte er dumpf, ohne aber aufzuwachen. »Überlaßt Budach mir«, sagte Rumata mit Verzweiflung in der Stimme, »und versucht doch, trotz allem, mich zu verstehen …«

2

Rumata fuhr zusammen und schlug die Augen auf. Es war schon heller Tag. Unter den Fenstern auf der Straße gab es Radau. Irgendwer, offenbar ein Soldat, brüllte: »Halunke, elendiger! Du wirst diesen Dreck mit deiner Zunge auflecken! (Guten Morgen, dachte Rumata) Rrrruhe!… Ich schwöre dir beim Buckel des heiligen Micky, du bringst mich noch ganz aus der Fassung!« Eine andere Stimme, grob und heiser, murrte, man müsse in dieser Gasse genau aufpassen, wo man hinsteige. »In der Früh hat es geregnet, aber gekehrt hat man, na, ihr wißt schon, wann …« – »Er wird mir schon zeigen, wohin man schauen muß …« – »Ihr laßt mich besser los, edler Don, haltet mich nicht am Hemd!« – »Er wird mir schon noch zeigen …« Man hörte ein lautes Klatschen. Offenbar war das schon die zweite Ohrfeige, die erste hatte Rumata geweckt. »Ihr schlagt mich besser nicht mehr, edler Don …«, murrte es unten.

Eine bekannte Stimme. Wer konnte das nur sein? Wahrscheinlich Don Tameo. Ich werde ihn heute dieses chamacharische Ungeziefer zurückgewinnen lassen. Es wäre interessant zu sehen, ob ich es wohl jemals lernen werde, ein gutes Pferd von einem schlechten zu unterscheiden. Allerdings hat sich unsere Familie nie mit Pferden ausgekannt. Dafür sind wir Experten für Kampfkamele. Gut, daß es in Arkanar fast keine Kamele gibt. Rumata streckte sich, daß die Glieder knackten, er tastete am Kopfende nach einer gedrehten seidenen Schnur und zog einige Male daran. Im Innern des Hauses klirrten kleine Glöckchen. Der Bursche gafft natürlich zum Fenster hinunter und bestaunt den Radau. Man könnte ja aufstehen und sich selber ankleiden, aber dann gibt es nur wieder Redereien. Er horchte wieder auf das Geschimpfe unter dem Fenster. Wozu doch die menschliche Zunge fähig ist! Eine ganze unwahrscheinliche Entropie. Wenn Don Tameo sie ihnen bloß nicht abschneidet … In letzter Zeit, dachte Rumata weiter, sind in der Garde ein paar Besserwisser aufgetaucht, die erklären, daß für den edlen Kampf nur ein Schwert existiert, das andere aber verwenden sie nur für Straßenraufereien – und ihren Sorgen schenkt Don Reba wohl etwas zu viel Aufmerksamkeit im schönen Arkanar. Übrigens, Don Tameo zählt nicht zu ihnen. Er ist ein wenig feige, der gute Don Tameo, und ein unverbesserlicher Biertischpolitiker …

Abscheulich, wenn der Tag mit Don Tameo beginnt … Rumata setzte sich auf und umfaßte seine Knie unter der prächtigen, aber geflickten Decke. Es ergreift einen das Gefühl bleierner Hoffnungslosigkeit, man möchte endlos sinnieren und darüber nachdenken, wie wir doch kraftlos sind und klein angesichts der Umstände … Auf der Erde würde uns das nicht im Traum einfallen. Dort sind wir gesunde und selbstsichere Kerle, die eine psychologische Spezialschulung durchgemacht haben und zu allem bereit sind. Und wir haben ja auch prächtige Nerven: Wir bringen es zum Beispiel fertig, uns nicht abzuwenden, wenn man jemanden schlägt oder hinrichtet. Wir verfügen über eine unerhörte Beherrschung: Wir sind fähig, die Ergüsse der hoffnungslosesten Kretins über uns ergehen zu lassen. Wir haben es auch verlernt, uns zu ekeln: Es macht uns nichts aus, wenn man uns eine Schüssel vorsetzt, aus der gewöhnlich die Hunde fressen, und die man anschließend mit einem dreckigen Lappen auswischt. Wir sind auch großartige Schauspieler, sogar in unseren Träumen sprechen wir nicht die Sprachen der Erde. Und wir haben auch eine unüberwindliche Waffe: Die Basistheorie des Feudalismus, ausgearbeitet in stillen Beamtenkammern und Laboratorien, anhand von eifrigen Ausgrabungen und mittels solider Diskussionen …

Nur schade, daß Don Reba keine Ahnung hat von dieser Theorie. Und schade auch, daß die psychologische Spezialschulung von uns abfällt wie sonnenverbrannte Haut, wir stürzen uns in Extreme, wir sind gezwungen, uns einem ständigen geistigen Konditionstraining zu unterwerfen: Beiß die Zähne zusammen und bedenk, daß du ein verkleideter Gott bist, daß sie nicht wissen, was sie tun, und daß fast keiner von ihnen schuldig ist. Und deshalb mußt du Geduld üben und nochmals Geduld … Es stellt sich heraus, daß die Quellen des Humanismus in uns, die uns auf der Erde geradezu unerschöpflich schienen, hier mit schreckenerregender Schnelligkeit austrocknen. Heiliger Micky! Wir waren doch echte Humanisten dort, auf der Erde, Menschenfreunde, und der Humanismus war das Skelett unserer Natur, in unserer Hochachtung vor den Menschen, in unserer Liebe zum Menschen steuerten wir sogar auf den Anthropozentrismus zu – und hier ertappen wir uns plötzlich mit Grauen bei dem Gedanken, daß wir ja nicht wirklich den Menschen liebten, sondern nur den Kommunarden, den Landsmann, der uns ähnlich war … Und immer öfter ertappen wir uns dabei, daß wir überlegen: Ja, sind denn das überhaupt Menschen? Sind sie denn überhaupt fähig, Menschen zu werden, wenigstens im Lauf der Zeit? – Und dann erinnern wir uns an Menschen wie Kyra, Budach, Arata, den Buckligen, oder den unübertrefflichen Baron Pampa, und wir schämen uns – aber das ist ja ebenso ungewohnt und unangenehm, und, was das Allerschlimmste ist, es hilft überhaupt nicht weiter …

Na also gut, dachte Rumata, nichts mehr von dem. Zumindest nicht am frühen Morgen. Und diesen Don Tameo soll der Teufel holen!… Da hat sich Verdruß um Verdruß in der Seele angesammelt, und nirgends kann man ihn loswerden in einer solchen Einsamkeit. Jawohl, die Einsamkeit, die Isolation, das ist es! Wir, so hieß es damals doch, gesunden und selbstsicheren Kerle … haben wir je bedacht, daß wir einmal hier in dieser Einsamkeit würden leben müssen? Aber es glaubt ja doch keiner. Anton, mein Freund, was ist mit dir los? Im Westen von dir befindet sich, nur drei Flugstunden entfernt, Alexander Wassilewitsch, ein guter Mensch und ein kluges Köpfchen; im Osten Paschka, sieben Jahre mit dir auf der Schulbank, ein lustiger und treuer Freund. Du hast bloß einen Augenblick lang den Mut verloren, Anton. Schade natürlich, wir dachten, daß du mehr aushältst, aber wem passiert das nicht? Eine höllische Schinderei das, wir verstehen. So fahr halt schön zur Erde zurück, erhol dich, befaß dich mit der Theorie, und dort wird man dann schon sehen …

Alexander Wassilewitsch ist übrigens ein Dogmatiker reinsten Wassers. Wenn also die Basistheorie die Grauen nicht vorsieht – »während meiner ganzen fünfzehn Jahre Arbeit, mein Teurer, habe ich solche Abweichungen von der Theorie nicht feststellen können …«–, so kann das nichts anders bedeuten, als daß mir von den Grauen träumt. Wenn mir also von ihnen träumt, so bedeutet das nichts anderes, als daß ich überspannt bin und daß man mich zur Erholung schicken muß. – »Nun gut, ich verspreche Ihnen, daß ich den Dingen selber nachgehe und meine Meinung darüber mitteilen werde. Aber inzwischen, Don Rumata, ich bitte Sie, keine Exzesse …« – Und dann ist da Pawel, den ich schon als kleiner Junge Paschka nannte, ein Gelehrter, ein Fachmann, ein Gehirn voll Information. Er stürzte sich Hals über Kopf in die Geschichte zweier Planeten und bewies mit Elan, daß die Bewegung der Grauen das allergewöhnlichste Auftreten des Bürgertums gegen die Barone darstellt. – »Übrigens, in ein paar Tagen werde ich dich kurz aufsuchen. Ehrlich gesagt ist mir nicht ganz wohl, wenn ich an die Geschichte mit Budach denke …« – Schönen Dank auch dafür! Und Schluß damit. Kümmere ich mich halt um Budach, wenn ich schon zu nichts anderem mehr nutz bin.