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Der hochgelehrte Doktor Budach. Ein großer Mediziner, mit Leib und Seele Irukaner, der Herzog hätte ihn beinahe geadelt, hat es sich dann aber anders überlegt und ihn einsperren lassen. Der größte Spezialist für Heilung durch Giftdrogen im ganzen Imperium. Der Autor des weithin berühmten Traktats Von denen Graesern und anderen Gewaechsen, selbige auf geheymnisvolle Weyse zu Anlaß und Ursach der Traurygkeit, Freude oder Beruhigung dienen koennen, item ueber Speychel und Saefte derer Kriechthiere, Spinnen und der nacketen Wildsau Y, welche selbige ueber besagte und so mannige andere Eygenschaften verfueget. Ein bemerkenswerter Mensch, zweifelsohne, und eine wahre Geistesgröße, dabei ein überzeugter Humanist und Sonderling, der nie Geld in der Tasche hatte. Sein ganzes Vermögen bestand aus einem Sack voll Bücher. Wer konnte dich also brauchen, Doktor Budach, in einem Land finsterster Unwissenheit, das sich in einem blutigen Sumpf von Verschwörung und Habsucht suhlt?

Nehmen wir an, du lebst und du bist in Arkanar. Es ist natürlich auch nicht ausgeschlossen, daß dich die Barbaren erwischt haben, die in Abständen vom Gebirge her Überfälle unternehmen. In diesem Fall beabsichtigt Don Kondor, sich mit unserem Freund Schumtuletidowodus in Verbindung zu setzen, einem Spezialisten für die Geschichte altertümlicher Kulturen, der zur Zeit als epileptischer Schamane bei dem Häuptling mit dem fünfundvierzigsilbigen Vornamen arbeitet. Wenn du aber trotzdem in Arkanar bist, dann könnten dich zuallererst die Nachtarmeen des Räuberhauptmanns Waga Koleso fangen. Und nicht einmal fangen, sondern einfach nur mitnehmen, denn für sie wäre die größere Beute dein Begleiter, der edle Don, der sein ganzes Vermögen verspielt hat. Aber so oder anders, sie werden dich nicht töten: Waga Koleso ist viel zu geizig dazu.

Genausogut könnte dich auch irgendein Dummkopf von einem Baron ergreifen. Ohne böse Absicht, bloß aus Langeweile und übertriebener Gastfreundschaft. Er will einfach einmal mit einem edlen Gesprächspartner zechen, schickt seine Rotten aus und läßt dich auf das Schloß deines Begleiters schleppen. Und du wirst in der stinkenden Stube sitzen, bis die Dons sich stumpfsinnig getrunken haben und endlich auseinandergehen. In diesem Fall droht dir gar nichts Übles.

Aber da gibt es noch die Überreste der kürzlich zerschlagenen Bauernarmee des Don Ksi und des Pert Poswonotschnik, die sich in der Ortschaft »Faulnest« festgesetzt haben und die jetzt unser lichter Adler, Don Reba selbst, im geheimen ernährt – für den Fall einer allenfalls möglichen Komplikation der Beziehungen zu den Baronen. Diese aber kennen keine Gnade, an sie sollte man lieber gar nicht denken. Dann ist da noch Don Satarina, ein verbissener kaiserlicher Aristokrat, hundertzwei Jahre alt und bereits völlig senil. Er lebt in Familienfehde mit den Herzögen von Irukan und schnappt sich, wenn er gerade wieder einmal lebendig ist, alles, was die irukanische Grenze überquert. Er ist sehr gefährlich, denn unter dem Einfluß der Wirkung von Cholezistit ist er dazu fähig, Befehle auszugeben, daß die Kirchen nicht nachkommen, die Leichen aus seinen Kerkern abzuholen.

Und, schließlich und endlich, die Hauptsache. Nicht weil es das Gefährlichste, sondern weil es das Allerwahrscheinlichste ist. Die graue Patrouille Don Rebas. Die Sturmowiki auf den Hauptwegen. Du konntest ganz zufällig in ihre Hände gefallen sein, Budach, dann aber kannst du nur mehr auf die Schlagfertigkeit und Kaltblütigkeit deines Begleiters hoffen. Was aber, wenn Don Reba höchstpersönlich an dir interessiert ist? Denn Don Reba zeigt manchmal solch unerwartetes Interesse … Seine Spione könnten melden, daß du durch Akanar reist, es wird dir eine Abteilung unter dem Kommando eines dienstbeflissenen Grauen Offiziers entgegengesandt, eines Hofkretins von niederem Rang, und dann sitzt du im steinernen Sack unter dem Turm der Fröhlichkeit … Rumata zog noch einmal ungeduldig an der Schnur. Die Tür des Schlafzimmers öffnete sich mit einem widerlichen Knarren, und herein kam ein magerer, düster blickender Knabe. Sein Name war Uno, und sein Schicksal hätte als Thema für eine Ballade dienen können. Er verneigte sich an der Schwelle und scharrte dabei mit seinen zerfetzten Schuhen, trat an das Bett und setzte auf das Tischchen ein Tablett mit Briefen, Kaffee und einem Stück Rinde zum Kauen, zur Kräftigung der Zähne und zur Reinigung. Rumata warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.

»Sag mir bitte, wirst du vielleicht irgendwann mal die Tür schmieren?«

Der Knabe blickte schweigend zu Boden. Rumata warf die Decke von sich, ließ seine nackten Füße auf den Boden gleiten und langte nach dem Tablett. »Gewaschen heute?« fragte er.

Der Knabe trat von einem Fuß auf den andern und ging dann, ohne zu antworten, durchs Zimmer, um die verstreuten Kleidungsstücke aufzuheben.

»Mir scheint, ich hab dich gefragt, hast du dich heute gewaschen oder nicht?« sagte Rumata, während er den ersten Brief öffnete. »Mit Wasser wäscht man seine Sünden nicht weg«, brummte der Knabe verhalten. »Wozu also, edler Don, wozu soll ich mich waschen?«

»Und was habe ich dir über die Mikroben erzählt?« sagte Rumata. Der Knabe legte die grüne Hose seines Herrn sorgfältig über die Sessellehne und fuhr mit dem Daumen durch die Luft, um die bösen Geister zu verjagen.

»Dreimal des Nachts habe ich gebetet«, sagte er. »Was soll ich denn noch tun?«

»Dummkopf«, sagte Rumata und begann den Brief zu lesen. Es schrieb Dona Okana, ein Hoffräulein, die neue Favoritin Don Rebas. Sie lud ihn ein, noch am selben Abend zu ihr, der »zärtlich Schmachtenden«, zu kommen. Im Postskriptum stand mit einfachen, aber deutlichen Worten geschrieben, was sie sich wirklich von dieser Begegnung erwartete. Rumata konnte sich nicht beherrschen, er lief rot an. Mit einem raschen Seitenblick auf den Knaben murmelte er: »Also, wirklich, das …« Das sollte man sich überlegen. Hinzugehen war widerlich; nicht hinzugehen aber dumm – Dona Okana wußte viel. Mit einem Zug trank er den Kaffee aus und steckte sich die Kaurinde in den Mund.

Das nächste Kuvert war aus festem Papier, das Siegel beschädigt. Es war offensichtlich, daß man den Brief geöffnet hatte. Er stammte von Don Ripat, einem skrupellosen Karrieristen, einem Leutnant der Grauen Rotte, der nach dem werten Wohlergehen fragte, seine Überzeugung vom Sieg der Grauen Sache zum Ausdruck brachte und bat, die Zahlung seiner Schuld aufzuschieben, indem er auf die widrigen Umstände hinwies. »Gut, schon gut …«, brummte Rumata vor sich hin und legte den Brief weg, faßte dann noch einmal das Kuvert und betrachtete es mit Interesse. Ja, sorgfältiger arbeiten sie jetzt. Merklich sorgfältiger.

Der dritte Brief enthielt eine Aufforderung zum Duell wegen einer Dona Pifa, man erklärte sich aber bereit, die Forderung zurückzuziehen, falls Don Rumata geneigt sei, Zeugnis abzulegen, daß er, der edle Don Rumata, auf Dona Pifa keine Ansprüche erhebe und niemals erhoben habe. Der Brief war von der üblichen Sorte: Den Grundtext hatte ein Kalligraph geschrieben, und in die freigelassenen Stellen waren – ungelenk und mit grammatischen Fehlern – die Namen und Fristen eingesetzt worden.

Rumata ließ den Brief fallen und kratzte seine linke Hand, die von den Mücken ganz zerbissen war. »Na, bring mir das Waschzeug!« befahl er.

Der Knabe verschwand hinter der Tür und kehrte gleich darauf mit einem hölzernen Waschgefäß zurück. Er schleifte den Zuber hinter sich her und wackelte dabei mit dem Hintern. Dann lief er noch einmal durch die Tür und zog einen leeren Kübel mit einer Schöpfkelle herein.

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