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»Wieviel Luft haben wir?«fragte Trelig und starrte auf die nackte Felswüste, wo nirgends etwas Lebendiges zu sehen war.

»Im besten Fall für einen halben Tag, ohne das elektrische System der Anlagen.«

»Wir sind nicht weit vom nächsten Sechseck entfernt, wo es offenbar Wasser gegeben hat«, meinte Trelig hoffnungsvoll.»Versuchen wir es. Was haben wir zu verlieren?«

Sie machten sich auf den Weg und folgten den Spuren der ungeheuerlichen Rutschpartie, die sie mit dem Kurierschiff bei der Bauchlandung gemacht hatten.

Sie waren nicht weit gekommen, als die Dämmerung hereinbrach. Yulin spürte, daß etwas nicht in Ordnung war. Es schienen Umrisse in der Nähe zu sein, Figuren, die im Augenwinkel auftauchten, aber sofort verschwanden, wenn man sich umdrehte.

»Trelig!«rief er.

»Was ist?«

»Können Sie oder Zinder feststellen, daß hier etwas Seltsames vorgeht? Ich möchte schwören, daß wir Gesellschaft haben.«

Trelig und Zinder blieben stehen und schauten sich um. Yulin stellte fest, daß die Formen um so leichter zu sehen waren, je dunkler es wurde.

Sie schienen nur in zwei Dimensionen zu existieren — Länge und Breite —, und selbst die waren variabel. Von der Seite her gesehen, schienen sie zu verschwinden. Sie flogen oder schwebten — es war schwer zu sagen, was es war — überall in ihrer Umgebung herum. Yulin wurde an Farbe erinnert, die man auf einem durchsichtigen Plastiktuch verschüttet hatte. Es gab einen dicken vorderen Rand, und er floß dahin — nicht unbedingt abwärts, sondern auch nach oben und seitlich. Dabei schien der Rand sich auszubreiten, so daß er manchmal einen Meter breit und fast zwei Meter lang war. Das war die Grenze für sie wenn sie sich ganz ausgedehnt hatten, schien der hintere Rand langsam zum vorderen zurückzufließen, bis nur noch ein Farbklumpen von einem Meter Breite vorhanden war, bevor er sich wieder auszubreiten begann.

Auch verschiedene Farben waren zu erkennen, fast jede Farbe, die man sich vorstellen konnte, aber jeweils stets nur eine: Blau, Rot, Gelb, Grün — in allen Schattierungen und Abschattungen.

»Sind sie intelligent?«fragte Yulin laut.

Trelig hatte auch daran gedacht.

»Sie scheinen sich auf jeden Fall um uns zu versammeln, wie Neugierige an einer Unfallstelle«, meinte er.»Ich verstehe zwar nicht, wie, aber ich würde wetten, daß das die Bewohner hier sind.«

›Bewohner‹ ist fast ein zu starker Ausdruck, dachte Yulin. Diese Wesen scheinen fantastischen Künstlerträumen entsprungen zu sein.

»Ich will versuchen, einen zu berühren«, sagte Trelig.

»He! Warten Sie —«, begann Yulin, aber er hörte nur ein Lachen.

»Dann mache ich eben etwas Schlimmes«, sagte Trelig.»Wir sind ohnehin tot, wissen Sie.«Damit versuchte er eines der Wesen in seiner Nähe zu packen. Nichts, was er je gesehen, hatte so schnell reagiert. Den einen Augenblick war es da, ganz ausgestreckt, im nächsten schien es einfach woanders zu sein, einen oder zwei Meter außer Reichweite.

»Mensch!«rief Trelig.»Die können sich aber bewegen, wenn sie wollen!«

»Vielleicht können wir mit ihnen reden, wenn sie in irgendeiner Weise Intelligenz besitzen«, meinte Yulin.

»Was sagt man zu einem zwei Meter langen lebenden Farbenwisch und wie?«fragte Trelig spöttisch.

»Vielleicht können sie auf irgendeine Weise sehen. Versuchen wir es mit Gesten.«Er zeigte auf Zinders Sauerstoffflaschen, dann führte er die Hände an die Kehle, würgte sich und fiel zu Boden.

Den strömenden Streifen schien das zu gefallen. Es kamen immer mehr, und sie schienen erregter zu werden. Yulin führte die Pantomime mehrmals vor, und sie glitten wild durcheinander und berührten sich teilweise sogar.

Genug gespielt, dachte Yulin. Damit verbrauchte man zuviel Luft. Er stand auf und streckte ihnen mit einer, wie er hoffte, freundschaftlichen, hilfeflehenden Geste die Hände entgegen.

Das schien sie noch stärker aufzuregen. Er hatte das seltsame Gefühl, Objekt einer heftigen Debatte zu sein, die außer diesen Wesen niemand hören konnte.

Aber diskutierten sie, ob sie helfen wollten? Wie sie helfen sollten? Oder was hatte ihr Verhalten zu bedeuten?

Zwei von den Wesen schwebten heran, schienen aus einer Entfernung von fünfzig Zentimetern sein Atemgerät zu betrachten, und er sah immer mehr ihrer Genossen herankommen. Er beobachtete, daß sie aus Spalten im Boden quollen, wie Gespenster, voll ausgestreckt, um sich dann einzurollen oder zu fließen.

Schließlich schienen sie zu einem gemeinsamen Entschluß zu gelangen. Sie drängten sich um die Menschen, so dicht, daß man hinter ihnen nichts mehr zu erkennen vermochte. Dann öffnete sich auf einer Seite ein schmaler Durchgang. Sie warteten.

»Ich glaube, wir werden irgendwo hingeleitet«, sagte Trelig.»Sollen wir gehen?«

»Immer noch besser, als in ein, zwei Stunden hier zusammenzubrechen und zu sterben«, erwiderte Yulin.

Trelig ging voraus, Zinder und Yulin folgten. Daß sie in eine bestimmte Richtung geführt wurden, war unübersehbar — die Öffnung vor ihnen blieb, aber hinter ihnen schlossen die Wesen sich sofort zusammen.

Yulin prüfte sein Atemgerät. Noch etwa zwei Stunden. Er hoffte, daß ihr Ziel nicht sehr weit entfernt war.

Gut eine Stunde später erreichten sie einen Felsvorsprung. Viele Wesen hielten sich dort auf — vielleicht Tausende..

»Yulin, da, sehen Sie!«rief Trelig aufgeregt.

Ben Yulin starrte in die sternenbeleuchtete Dunkelheit am Felsen und konnte schließlich eine schwärzere Stelle erkennen.

»Eine Höhle?«meinte er enttäuscht.»Verdammt, wir sind zu ihrem Anführer gebracht worden, oder was er sonst ist.«

»Nein, nein«, sagte Trelig.»Meine Renard-Augen müssen besser sein als Ihre Tschang-Augen. Sehen Sie sich die Form des Loches an.«

Yulin ging näher hin. Es war groß, vielleicht an allen sechs Seiten zwei Meter lang.

Sechs Seiten?

»Ein Hexagon!«stieß Yulin hervor.»Sie haben verstanden!«

»Wir werden sehen«, gab Trelig zurück.»Offenkundig wollen sie, daß wir hineingehen, und wir können es ruhig tun. Die Luft geht langsam zu Ende. Fertig?«

»Gut, gehen wir«, erwiderte Yulin und betete darum, daß sie nicht einfach eine Höhle betreten würden, wo die Regierung dieser Wesen hauste.

Trelig ging voran. Er schien nicht in eine Höhle oder ein Loch zu treten — er trat einfach vor, schien kurz zu erstarren und verschwand. Yulin stieß Zinder an, der genausogut wußte, wie wenig Luft sie noch hatten, und deshalb ebenfalls hineintrat und verschwand. Ben Yulin nahm einen letzten kostbartiefen Atemzug und folgte ihm.

Es war ein sonderbares Gefühl, so, als falle man in ein endloses, gigantisches Loch. Es war unangenehm und scheußlich, aber sie mußten es ertragen.

Das Gefühl hörte so plötzlich auf, wie es entstanden war, und sie fanden sich in einer sonderbaren Höhle, in der andere von den Wesen zu sehen waren.

»O nein«, sagte Yulin entsetzt.»Das ist nur ein Verkehrssystem.«

Trelig wollte antworten, als eine geisterhafte Gestalt, den Wesen so unähnlich wie den Menschen, herankam. Sie war riesengroß — mindestens drei Meter hoch und fast ebenso breit. Sie besaß gefährlich aussehende Krallen und Insektenbeine und trug eine Art Schutzpanzer.

»Was, zum Teufel —?«begann Trelig, aber dann winkte ihnen die Gestalt, drehte sich um und ging durch die Höhle.

»Unser neuer Führer«, sagte Yulin.»Ich glaube, die Farbflecken gefallen mir besser. Also, gehen wir. Die Luft ist bald verbraucht.«

Sie schritten durch einen Gang, dann glitt eine Tür zur Seite, und sie stellten fest, daß es sich um eine Art Luftschleuse handelte. Sie schloß sich hinter ihnen und öffnete sich kurze Zeit später auf der Vorderseite. Das Wesen war vorangegangen, aber sie sahen es draußen warten.