»Wir werden etwas anderes, irgendein fremdes Wesen?«fragte Trelig unsicher.
»Richtig. Eine Chance von 1:80 besteht, daß Sie bleiben, was Sie menschlich nennen, aber das ist sehr unwahrscheinlich. Sie müssen es tun. Sie haben keine andere Wahl. Einen anderen Weg hinaus gibt es nicht.«
Sie dachten darüber nach.
»Diese anderen — diese Neuzugänge. Gibt es auch… nichtmenschliche darunter?«
»Sicher. Viele sogar. Die meisten. Sogar der Norden hat auch eine Anzahl davon, so viele wie wir. Wir haben hier eine Sammlung von Raumanzügen in Aufbewahrung, in Größen und Formen, die Sie nicht für möglich halten würden. Wir verwenden sie gelegentlich, wenn jemand nach Norden muß. Es gibt etwas Handel, wissen Sie. Wir haben zum Beispiel sehr kleine Übersetzungsgeräte, die dort oben in einer Kristallwelt gezüchtet werden, die aus Gründen, die man nur da oben kennt, Eisen braucht. Die Apparate funktionieren. Jeder, der eines trägt, versteht jede andere Rasse und wird von ihr verstanden, gleichgültig, wie fremdartig sie sein mag.«
»Sie meinen, es gibt hier keine gemeinsame Sprache?«sagte Yulin betroffen.
Ortega lachte leise.
»O nein! Fünfzehnhundertsechzig Rassen, und jede mit einer eigenen Sprache. Wenn das Leben und die Umwelt verschieden sind, muß man auch verschiedenartig denken. Wenn man durch den Schacht geht, kommt man heraus und denkt in der Sprache seiner neuen Rasse. Selbst jetzt muß ich aber übersetzen, indem ich mit anderen Neuzugängen übe. Ich bin da ziemlich geschickt.«
»Dann werden wir die Konföderationssprache also im Gedächtnis behalten«, meinte Trelig.
»Ja, und sie benützen, wenn Ihre Anatomie das zuläßt. Ein Übersetzungsgerät verursacht jedoch Probleme. Man wird automatisch übersetzt, so daß es fast unmöglich ist, eine dritte Sprache zu bewältigen. Aber mit einem Dolmetschgerät braucht man sie kaum. Wenn Ihre neue Rasse sie benützt, versuchen Sie eines zu bekommen. Sie sind sehr praktisch.«Er sah das Pflanzenwesen und den Ambreza an.»Ich glaube, es ist Zeit.«
Sie nickte, ein zweiter Ambreza kam herein, und die beiden Riesenbiber legten Yulin vorsichtig auf eine Bahre.
»Aber ich —«, begann Trelig.
»Sie können ewig Fragen stellen, doch Sie leiden unter dem Schwamm, und das Mädchen hat noch größere Probleme. Wenn Sie je zu einem Zone-Tor kommen, besuchen Sie uns hier. Aber jetzt müssen Sie gehen.«
Sie wurden zu einem Raum gebracht, der dem Zone-Tor von Norden nach Süden glich. Yulin kam als erster hinein; er hatte keine Wahl. Er dankte ihnen allen und gab der Hoffnung Ausdruck, sie wiederzusehen. Dann kippten die Bahrenträger Mavra Tschangs Körper, so daß er in die schwarze Wand hineinfiel. Zinder zögerte und mußte gedrängt werden, entschloß sich aber endlich. Trelig sah die fremden Wesen resigniert an und folgte den beiden anderen in die Schwärze.
Ortega seufzte und sah Vardia an.
»Irgendeine Nachricht von dem anderen Schiff?«fragte er.
»Keine«, erwiderte das Czill-Wesen.»Sind sie jetzt noch so wichtig wie zuvor?«
»Gewiß. Wenn zutrifft, was diese Leute uns gesagt haben, laufen da oben ganz gewaltige Schurken herum. Und zwei davon wissen verdammt viel über die markovische Mathematik. Gefährliche Leute. Wenn sie in die falschen Hände geraten und das Schiff wieder zusammengebaut wird, so daß sie nach diesem Neu-Pompeii und dem Computer zurückfliegen können, wären sie vielleicht in der Lage, den Schacht zu kontrollieren.«
»Das ist reichlich weit hergeholt.«
»Ja, aber das gilt für einen komischen kleinen Juden namens Nathan Brazil auch, und Sie erinnern sich, als was der sich entpuppte.«
Das Pflanzenwesen verbeugte sich, was einem Nicken entsprach.
»Der letzte lebende Markovier«, murmelte es.
»Ich frage mich nur, warum diese Krise ihn nicht angelockt hat«, meinte Ortega.
»Weil es unsere Krise ist«, erwiderte Vardia.»Vergessen Sie nicht, für den Schacht ist das überhaupt kein Problem.«
In der Nähe der Grenze Teliagin-Kromm, Abenddämmerung
Eine winzige Gestalt huschte am Felsen entlang, gefolgt von einer zweiten und einer dritten. In der Nähe schwebten andere auf lautlosen Schwingen.
»Da sind sie«, flüsterte eine und deutete hinunter auf Hütte und Karren, wo Mavra Tschang, Renard und Nikki Zinder in der Falle saßen.
»Erstaunlich, daß sie so weit gekommen sind«, wisperte eine andere.
Die erste nickte zustimmend. Im Gegensatz zu den Zyklopen verfügten sie über eine sehr gute Sehfähigkeit bei Nacht. Sie konnten zwar auch bei Tag sehen, wenngleich nur schwach, waren aber im Grunde Nachtwesen.
Sie blickten hinüber zu der Stelle, wo die beiden Riesen schnarchten.
»Wir müssen sie stechen, und zwar schnell«, sagte die Anführerin.»Mindestens jeweils zwei von uns für einen Zyklopen, wenn nicht mehr.«
»Wird das Gift wirken?«fragte eine andere.
»Ja. Ich habe vorher noch einmal nachgeschlagen.«
»Wenn hier nur Strahler funktionieren würden«, meinte die Zweiflerin.»Riskant ist es immer noch.«
»Du weißt, daß das ein Nicht-Tech-Hex ist. Es könnte sein, daß Zünderwaffen wirken, aber wir hatten keine Zeit, in Museen und bei Sammlern nachzuforschen. Also, Jebbi, Tasala und Miry, ihr nehmt den größeren, Sadi, Nanigu und ich den anderen. Vistaru, du nimmst Bahage und Asmaro mit und siehst, was du für die Gefangenen tun kannst. Die anderen halten sich in Bereitschaft. Greift da ein, wo es nötig erscheint.«
Sie nickten einander zu. Die Wesen am Felsen schwangen sich hinaus in die Luft, und sie teilten sich zu ihren Einsätzen auf.
Mavra Tschang schlief. Sie war hundertmal zu dem Gitter hinaufgeklettert und war jedesmal fast heruntergestürzt, bevor sie das schwere Ding auch nur einen Zentimeter zu bewegen vermochte. Sie hatte die anderen in Schlaf versenkt, um ihrem Jammern ein Ende zu machen, und war selbst eingeschlafen.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch, so, als sei etwas ziemlich Schweres auf dem Gitter gelandet. Sie starrte hinauf. Dort stand wirklich etwas Größeres.
»Mehensch? Hörst du mich, Mehensch?«flüsterte eine fremde Stimme. Sie war auf sehr exotische Weise akzentuiert, hoch und hell, die sinnliche Stimme einer kleinen Frau.
»Ich höre dich«, sagte Mavra Tschang halblaut.
»Wir schläfern die Großwesen ein«, erklärte das Wesen.»Macht euch bereit, daß wir euch herausholen.«
Mavra versuchte zu erkennen, wie das Wesen aussah, aber es war zu dunkel.
Plötzlich zerriß ein Brüllen die Stille. Der große männliche Zyklop war aufgewacht, fluchte fürchterlich und stieß dann einen Schmerzensschrei aus. Mavra hörte ein gewaltiges Krachen, als er zu Boden stürzte, seine Begleiterin lärmte ebenfalls und brach kurz danach zusammen.
Mavra Tschang fragte sich, was für Ungeheuer derart riesige und gefährliche Wesen so mühelos niederwerfen konnten.
Sie hörte sie in einer fremden Sprache, die aus hellen und leisen Glockentönen zu bestehen schien, miteinander reden, eine sehr schöne, aber gänzlich unmenschliche Sprache.