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Mavra sah das Wesen wieder an. Es war von hellem Orangerot oder würde es sein, sobald es sich ganz öffnete. Aus der Mitte der geschlossenen Blume ragten zwei Stengel wie riesige Weizenhalme. Sie trat auf einen Wink der Lata auf das grüne Blatt, Nikki und Renard folgten ihr und ahmten sie nach, als sie sich auf dem Rand niederließ.

Das Wesen drehte sich langsam herum und fuhr auf den stillen See hinaus. Es schien sich durch diese Kreisbewegung in Gang zu halten, und es ging zwar nicht übermäßig schnell, aber man wurde doch rasch schwindlig. Nach einer Stunde wünschte Mavra sich abwechselnd, tot zu sein oder wieder an Land. Das Maß ihrer Übelkeit ließ sich nicht beschreiben.

Nach einer Ewigkeit brach der Tag an. Sie würgte immer wieder und sah die beiden Hypnotisierten, die sie inzwischen beneidete, sie nachahmen. Vistaru ging zu ihr hinüber.

»Immer noch krank?«fragte sie überflüssigerweise.

»Und ob!«stieß Mavra hervor.

»Wir sind fast da.«

Inzwischen war Mavra nahezu alles gleichgültig, aber zum erstenmal seit langer Zeit gelang es ihr, sich umzuschauen.

Sie waren nicht mehr allein.

Zu Tausenden drehten sich überall andere Blumen in einem großartigen Ballett auf dem Wasser. Sie brachten Myriaden Farben und Farbkombinationen hervor und öffneten sich den gleißenden Strahlen der Sonne. Unter anderen Umständen hätte Mavra sogar Gefallen daran gefunden.

Der Krommianer, auf dem sie saßen, wurde zu ihrer unbeschreiblichen Erleichterung langsamer. Auch er hatte sich über ihnen geöffnet und bildete einen Schleier aus leuchtenden Braun- und Orangetönen. Die langen Stengel waren Augen, entdeckte sie — lange, ovale, neugierige braune Augen mit schwarzen Pupillen, die so merkwürdig aussahen, als hätte ein Witzzeichner sie aufgemalt. Sie waren unabhängig voneinander und blickten manchmal in verschiedene Richtungen. Vom Kern, dem ›Kopf‹ des Wesens, konnte man nur wenig sehen. Er schien eine weiche, grellgelbe Masse zu sein und hatte eher Ähnlichkeit mit dichtem, glattem Haar als mit dem Zentrum einer Blume. Die Drehung war inzwischen so langsam geworden, daß Mavra sich sogar zu fragen vermochte, ob diese Wesen wirklich Pflanzen oder unglaublich exotische Tiere waren.

Das Wesen hörte endlich ganz auf, zu rotieren, und trieb langsam in einer Richtung. Damit hörte zwar nicht die ganze Welt auf, sich zu drehen, aber es war doch viel erträglicher. Sie waren weit gekommen, soviel stand fest. Mavra kroch ein wenig auf der Plattform herum, wobei sie darauf achtete, daß ihre Nachahmer nicht ins Wasser fielen, und blickte in die Richtung, in der sie trieben. Sie konnte eine Insel sehen — einen hohen, aber nicht sehr großen Felsen mitten im Meer. In der Wand schien sich eine künstliche Höhle zu befinden, kohlschwarz und ohne Perspektive.

Mavra begriff plötzlich, daß es ein schwarzes Hexagon war.

Vistaru flog heran.

»Wir legen in der Nähe des Zone-Tores an«, sagte sie.»Sie müssen den anderen sagen, daß sie hineingehen.«

Sie wies auf das sich rasch nähernde Loch.

»Ich nicht?«fragte Mavra.

Vistaru schüttelte den Kopf.

»Nein, nicht jetzt. Später. Der Botschafter von Kromm sagt, Sie jetzt noch nicht.«

»Das Ding dort wird meinen beiden Freunden helfen?«fragte Mavra.

Vistaru nickte.

»Es ist ein Tor. Es wird sie zu Zone bringen. Sie werden durch den Schacht der Seelen gehen. Sie werden Bewohner dieses Planeten werden, wie ich.«

»Sie meinen — sie werden in Lata verwandelt?«fragte Mavra.

»Vielleicht. Wenn nicht Lata, etwas anderes. Kein Schwamm mehr. Gedächtnis wieder da, alles.«

Mavra war nicht bereit, das alles zu akzeptieren, aber sie mußte so tun, als glaubte sie daran. Daß sie selbst den beiden nicht helfen konnte, stand fest.

Vistaru sah die Zweifel und begriff, daß sie von der Unkenntnis der Schacht-Welt herrührten.

»Jeder, der von einer anderen Welt kommt, geht durch den Schacht, alle werden verändert. Bei mir war es auch so. Ich war einmal wie ihr. Bin durch den Schacht gegangen, als Lata aufgewacht.«

Mavra glaubte ihr jetzt beinahe. Das erklärte, woher das Wesen ihre Sprache kannte. Aber es führte zu einer neuen Frage.

»Warum dann ich nicht auch?«

»Befehl«, sagte Vistaru achselzuckend.»Sie sagen, Sie sind nicht Mavra Tschang. Sie sagen, Sie sind eine böse Person.«

Mavra öffnete verblüfft den Mund und klappte ihn dann wieder zu.

»Das ist doch lächerlich«, erklärte sie.»Wie kommt man denn darauf?«

»Sie sagen, sie hätten Mavra Tschang, Renard und Nikki schon kennengelernt. Sie sagen, ihr seid Betrüger.«

Mavra wollte etwas erwidern, besann sich aber und setzte sich hin. Sie war so wütend wie noch nie. Es war der letzte Tropfen in einem übervollen Faß.

Dafür würde jemand bezahlen müssen.

Zone Süd

»Sie sehen aber ganz genau so aus«, sagte Vardia verblüfft.

Serge Ortega nickte und starrte die beiden Personen an, die halb bewußtlos vor ihm am Boden lagen.

Sie befanden sich in der Zone-Klinik, und Dr. Muhar, der Ambreza, der wie ein Riesenbiber aussah, untersuchte Renard und Nikki Zinder.

»Wenn ich nur wüßte, was für eine Droge sie bekommen haben«, meinte der Arzt.»Ich habe so etwas noch nie gesehen. Aber es ist im Gehirn lokalisiert, die andere Infektion nicht.«

Ortegas buschige Brauen stiegen hoch.

»Andere Infektion?«

»Ja. Sie scheint jede Zelle ihrer Körper befallen zu haben. Irgendeine Art Enzym, wie mir scheint, krasses Schmarotzertum. Überall Gewebezerfall, der sich ständig fortsetzt. Würden Sie diesen Schwamm erkennen, wenn Sie ihn sähen?«

Die beiden anderen schüttelten die Köpfe.

»Wir haben beide vor langer Zeit die Wirkung beobachtet, aber den Stoff selbst, unter dem Mikroskop, nein.«

An der Tür wurde es laut. Sie ging auf, und ein anderes Wesen stand vor ihnen.

Es war ungefähr einsfünfzig groß und stand auf zwei dicken Tentakeln ohne Gelenke. Davon besaß es mehr — noch drei Paare, entlang der Körpermitte. Jeder Fühler schien am Ende gespalten zu sein, so daß er etwas aufheben konnte, wie etwa mit einem Fäustling, oder sich um etwas zu schlingen vermochte. Das Wesen stand auf dem hinteren Paar, brauchte aber mindestens vier, um auf sie zuzugehen. Das Gesicht war breit, mit kurzer, flacher Nase, gewölbten Nasenflügeln und zwei runden Augen, die wie große Samtlappen aus leuchtendem Bernstein aussahen. Der Mund hatte einen verschiebbaren Kiefer, und im Inneren war, wie Ortega wußte, eine lange, strickartige Zunge zusammengerollt, die als neuntes Greiforgan verwendet werden konnte. Auf beiden Seiten des Kopfes besaß es untertassenartige Stellen, vom Kopf ein wenig abgehoben, die aber an Gelenken auf- und zuzugehen schienen.

Als das Wesen den Raum betrat, verblaßte jedoch alles vor den riesigen Flügeln. Sie liefen am ganzen Rücken entlang. Die Schwingen waren leuchtend orangerot und bedeckt mit konzentrischen braunen Ringen.

Vardia und der Ambreza traten einen Schritt zurück. Ortega blieb, wo er war, obwohl das grimmige Gesicht beinahe angsterregend wirkte. Keiner von den anderen hatte je zuvor einen Yaxa gesehen, Ortega schon. Er kannte dieses Wesen sogar. Er glitt auf den Neuankömmling zu.

»Wooley!«rief er.»Ich freue mich sehr, daß Sie kommen konnten!«

Das Wesen blieb kalt, distanziert, sagte aber:»Hallo, Ortega.«Es blickte auf die regungslosen Körper von Renard und Nikki.»Sind sie das?«

Ortega nickte sachlich.

»Dr. Muhar hat Zellgewebe unter dem Mikroskop. Können Sie hineinschauen, oder sollen wir es projizieren?«

Der Yaxa ging zum Mikroskop und betrachtete die Probe mit einem seiner sonderbaren Augen.

»Es ist Schwamm«, sagte das Wesen.»Kein Zweifel.«Er richtete den Blick auf die beiden Gestalten auf den Betten.»Wie weit schon fortgeschritten?«