Plötzlich begriff Yulin, warum der Farmer zu Beginn so erregt gewesen war; er hatte geglaubt, ein junger Stier fordere ihn heraus.
»Was für eine Regierungsform haben Sie?«
»Klein und einfach. Alle Farmer in einem Bezirk wählen jemanden in einen Rat. Die Städte wählen für je zehn Männer einen. Es gibt eine kleine Bürokratie, um alles zusammenzuhalten, und für dringende Fälle treffen wir uns für ein paar Tage ein- oder zweimal im Jahr in einer kleinen Stadt namens Tahlur in der Mitte von Dasheen, wo die Ausbildungsstätten sind und sich das Zone-Tor befindet.«
»Da sollte ich also hingehen«, sagte Yulin.»Wenn ich es schaffe, ohne zu verhungern oder von jemandem durchbohrt zu werden, der nicht, wie Sie, bereit ist, mich anzuhören.«
Cilbar lachte dröhnend.
»Hören Sie, für nächste Woche ist eine Ratssitzung vorgesehen. Hocal, unser Vertreter, nimmt teil. Ich gebe Ihnen zu essen, bringe Sie für die Nacht unter und stelle Sie ihm vor. Damit sollte das Problem gelöst sein.«
Yulin bedankte sich. Das ist alles zu einfach, dachte er, zu schön. Es muß einen Haken geben, und er wartete darauf, ihm zu begegnen.
Hocal war der Haken nicht, aber er hatte damit zu tun. Er reagierte sehr überrascht, als Yulin ihm vorgestellt wurde.
»Darum geht also das Ganze«, sagte er.»Ihr habt ja allerhand verpfuscht. Hätte aber nie gedacht, daß einer von euch bei uns auftaucht. Da scheint jemand mit uns darüber reden zu wollen, daß Teile von dem Raumschiff geborgen werden. Es geht die Rede von Krieg. Krieg! Ich hoffe, wir können uns heraushalten. Geographisch sitzen wir hier ziemlich im Mittelpunkt.«
»Wie war das?«fragte Yulin interessiert.»Sie meinen das andere Schiff, das hier im Süden abgestürzt ist?«
Hocal nickte und breitete auf dem Tisch eine große Landkarte aus. Er zeigte auf ein Hexagon.
»Hier sind wir in Dasheen«, sagte er.
Yulin beugte sich über die Karte. Den Text konnte er nicht lesen, aber die Anordnung war klar. Sie befanden sich in der Nähe der Äquatorbarriere, was Hocal als Cotyl bezeichnete, das zwei halbe Sechsecke an der Barriere einnahm; dann im Nordwesten Voxmir — unfreundlich und unmenschlich, versicherte ihm Hocal; im Südosten Jaq — vulkanisch und heiß wie die Hölle, zu heiß, als daß ein Dasheen dort überleben konnte; im Süden Frick — dort gab es irre, dicke Flugscheiben mit Dampfdüsen; und Qasada im Südwesten — der Beschreibung nach eine hochentwickelte technologische Zivilisation von Riesenratten.
»Da ist das Problem«, sagte Hocal und zeigte auf die Karte. Unmittelbar unter Qasada und südwestlich von Frick lag Xoda, ein Land von riesigen, bösartigen Insekten — und eine Kapsel.»Eine andere ist in Palim, darunter, Olborn im Südwesten, und, das Wichtigste, nur vier Sechsecke südlich, Gedemondas, worüber man wenig weiß. Dort ist der Antrieb gelandet, und vor allem darum geht es, wie Ihnen klar sein wird. Ich nehme an, wir werden etwas mehr über Gedemondas erfahren, bis die Sache vorbei ist.«
»Ich würde meinen, daß andere — die Ratten etwa — bessere Aussichten hätten«, sagte Yulin.
»Eigentlich schon, aber das ist ein seltsames Gebiet. Die Rassen da sind nicht so freundlich, oder sie waren, wie die Palim und wir, zu lange friedlich, um an Konflikte zu denken. Nein, die Schwierigkeiten kommen von ganz da drüben.«Er zeigte wieder weit nach Westen, weit über die andere Küste des Meeres der Stürme hinaus.»Das ist Makiem, und hier oben ist Cebu, im Osten Agitar. Makiem wird von schlauen und rücksichtslosen Politikern beherrscht, und es handelt sich um ein nichttechnologisches Hexagon wie das unsere. Cebu ist teilweise technologisch, und die Leute dort können fliegen, was besonders nützlich ist. Agitar ist hochtechnologisch, und obwohl wir nicht viel darüber haben erfahren können, scheint es dort fliegende Tiere zu geben — was bedeutet, daß ihre Reichweite nicht durch ihre Maschinen begrenzt ist — und einige natürliche Fähigkeiten im Umgang mit der Elektrizität, die über die Beschränkungen des Schachtes hinausgehen. Sie haben ein Bündnis geschlossen, um an die Teile des Raumschiffes heranzukommen.«
»Aber sie könnten sie ohne einen qualifizierten Piloten nicht nutzen, selbst wenn es ihnen gelingt, sie zusammenzubauen«, wandte Yulin ein.»Das ist keine einfache Rakete, wissen Sie.«
»Das ist uns völlig klar«, sagte Hocal und sah ihn an.»Der Krieg sollte das eigentliche Thema sein, aber wenn Sie dabei sind, wird die Diskussion wohl noch lebhafter werden.«
Sie machten sich in einer bequemen Kutsche, gezogen von sechs Dasheen-Kühen aus Hocals Herde, auf den Weg und kamen schneller voran als sie dachten.
Die müden Kühe taten außerdem alles für sie, kochten wunderbaren Eintopf, massierten sie, alles. Es gefiel Yulin sehr, bedient zu werden; er sah, wie leicht man hier verwöhnt werden konnte.
Am zweiten Tag gegen Mittag kamen sie in Tahlur an, wo die meisten Ratsmitglieder sich schon eingefunden hatten. Auch hier machten die Frauen die ganze Arbeit — Kochen, Saubermachen, Bedienen. Yulin konnte nichts selbst tun. Stets war eine Kuh da, um Essen oder Trinken zu bringen, um alles vorzubereiten und sauberzuhalten. Sie öffneten den Männern sogar die Türen.
Dabei waren sie durchaus keine Automaten; sie unterhielten sich miteinander, lachten manchmal, schmollten manchmal und benahmen sich ganz wie andere Leute.
Und die Ringe und Halsbänder. Alle Kühe trugen sie — große Ringe, eingeschweißt in ihre großen Nasen, und Messinghalsbänder mit kleinen Haken, an denen zu erkennen war, von welcher Herde die Frauen stammten. Es gab sogar Brandzeichen.
Bekamen sie ihr Dasein jemals satt, und liefen sie davon? fragte er sich. Gab es deshalb so viele Hinweise darauf, woher sie stammten?
Die Städte hatten Gilden-Herden. Es gab Gilden für die verschiedenen Arbeiterklassen, und sie lebten in Schlafhäusern.
Er machte sich Sorgen, als er dahinterkam, daß die großen Mengen Milch von den Kühen, die die Männer tranken, mehr als nur eine Beigabe waren. Die Männer konnten, wie er selbst auch, kein Kalzium hervorbringen. Sie brauchten am Tag fast vier Liter der kalziumreichen Milch, um gesund zu bleiben und Arthritis, Knochenerkrankungen, Zahnfäule und dergleichen mehr abzuwehren.
Ohne Kühe würden die Männer sterben, langsam und unter großen Qualen.
Deshalb waren sie und ihr System in anderen Sechsecken so gut bekannt. Junge Stiere, die auf eine Gelegenheit warteten, kamen oft viel herum. Sie konnten von fast jedem Gras auf Kohlenstoffbasis leben, und ihr eigenes System reinigte natürliches Wasser, so daß sie wenige Vorräte brauchten. Aber die Männer waren so sehr daran gewöhnt, bedient zu werden, und sie hingen in solchem Maß von der Milch ab, daß sie mindestens vier Kühe mitnehmen mußten.
Er wurde überall herumgereicht, Politikern vorgestellt und mußte mit über die Krise diskutieren.
Der Rat versammelte sich am nächsten Tag, man wählte einen Vorsitzenden und wandte sich der Arbeit zu.
Mit Landkarten, Diagrammen und Tabellen erläuterten die Bürokraten die Sachlage. Man neigte dazu, sich aus der Sache herauszuhalten; Dasheen ging das alles nichts an. Zu Yulins Betroffenheit wurde sogar darüber gesprochen, ob man ihn nicht verstecken, für die Dauer des Krieges einsperren oder ihn sogar töten sollte. Im Ernst dachte aber niemand daran, so zu verfahren, obwohl er sich der drohenden Gefahr völlig bewußt war.
Am dritten Tag der Konferenz war wenig entschieden, und Ben hatte das Gefühl, daß sie einfach gern diskutierten und nur unter Zwang zu einem Entschluß finden würden.
Am dritten Tag erschien jedoch jemand, der eine Wende herbeiführte. Die Leute auf den Straßen gerieten bei seinem Erscheinen in Panik, und das Wesen unternahm wenig, sie zu beruhigen, als es landete. In der Luft war es prachtvoll und schön, ein riesiger Falter mit einer Spannweite von zwei Metern. Leuchtendorangerot und braun waren die Flügel an einem schwarzen Körper, der eineinhalb Meter lang war und auf den hinteren vier seiner acht langen Fühler stand. Das Gesicht war ein großer, schwarzer Totenkopf mit riesigen, unheimlichen Augen.