Es kamen immer mehr; sie flogen jetzt direkt in den Schwärm hinein, so daß die Djukasis ihre Maschinengewehre nicht einsetzen konnten, aber sie waren nah genug für den Kampf aus nächster Nähe.
Plötzlich zogen die Agitar ihre Taster und luden sie auf. Sie brauchten den Feind nicht zu durchbohren, ihn nur zu berühren; überall, wohin man sich wandte, schienen Djukasis zu sein.
Aber nicht genug Djukasis, nicht mehr.
Bei den früheren Angriffen während der letzten drei Tage war im letzten Augenblick stets ein neuer Schwarm aus dem Stock gefegt, und sie hatten ihn nie ganz erreichen können. Jetzt hatte sich die Lage verändert. Auf beiden Seiten des Sattels waren Kanister mit hochentzündlicher Flüssigkeit befestigt; zum erstenmal konnten sie sie auf den Stock werfen.
Sie griffen an und warfen ab, flogen hinauf in das Getümmel, setzten wieder zum Angriff an. Immer wieder stürzten Pferde, Männer und Pterodaktylen vom Himmel, aber für jeden der Angreifer traf es zehn Verteidiger, und im Gegensatz zu den Eindringlingen hatten sie keine Reserven mehr.
Die Agitar befestigten dünnen Kupferdraht an den Knäufen ihrer Taster und rückten gemeinsam vor.
Aus dem Stock schlugen Flammen, und die Arbeiterinnen, die nicht fliegen konnten, hatten sich ins Innere zurückgezogen.
Der Kupferdraht entrollte sich, zehn Meter, zwanzig Meter, als die führende zweite Welle angriff. Die Agitar luden den Draht mit ihren Händen auf.
Energie floß durch die Drähte, der Strom folgte in diesem halbtechnologischen Hexagon dem natürlichen Weg. Obwohl nur die Agitar hier eine Ladung speichern konnten, genügte das.
Wo die Taster im Stock steckengeblieben waren, fegte die elektrische Ladung hinein.
Es bedurfte nur dieser einen.
Die abgekippte Flüssigkeit auf dem Stock entzündete sich mit einem donnernden Knall; ein chemisches Feuer war entstanden, das selbst das herannahende Gewitter nicht würde löschen können.
Die Makiem am Boden jubelten, als die blauweißen Flammen und der Rauch Erfolg ankündigten, ergriffen ihre eigenen Waffen und machten sich zum Angriff fertig.
Mit plötzlicher, explosiver Gewalt schlug der Sturm zu und verwandelte das Feld vor dem Stock binnen Sekunden in einen Sumpf mit geringster Sichtweite. Die Makiem, die Regen und Schlamm liebten, sprangen vorwärts.
Als Renard seinen Pegasus herumriß, erstaunt darüber, noch immer am Leben zu sein, spürte er, wie das Unwetter losbrach. Zum erstenmal begann er nachzudenken, statt automatisch und instinktiv zu handeln. Er wußte, daß Doma zum Stützpunkt zurückfliegen würde, wenn er sich einfach zurücklehnte; das Pferd hatte einen untrüglichen Instinkt dafür. Im peitschenden Regen konnte er erkennen, wie die Djukasis versuchten, zum Stock zurückzugelangen, vom heftigen Regen aber hinuntergedrückt wurden. Ein Cebu versetzte ihn beinahe in Panik, als er unmittelbar vor ihm vorbeiflog. Die großen Flugreptilien waren aber im Regen den Djukasis gegenüber kaum im Vorteil und suchten schnell nach einer Landemöglichkeit.
Das Wasser sprühte von Domas Rücken. Es gab heftige Auf- und Abwinde, die das große Pferd nicht ausgleichen konnte, so daß der Flug ziemlich rauh vonstatten ging, gemildert nur durch die Fähigkeit des Pferdes, Veränderungen im Luftdruck rechtzeitig zu erkennen. Als Renard die Richtung sah, die Doma einschlug, befielen ihn tausend Zweifel. Wenn er desertierte, würde er mitten durch das Unwetter fliegen müssen und vielleicht vereinzelte, versprengte Djukasis gegen sich haben. Und in Lata würde er ein Ausgestoßener sein, ein Mann, der nie mehr nach Hause konnte.
Aber den Agitar brachte er wenig Loyalität entgegen, obwohl sie ihm als Individuen sympathisch waren. Er konnte sich nicht von der Erkenntnis befreien, daß hinter dem schrecklichen Blutbad, an dem er teilgenommen hatte, die grinsende, selbstzufriedene Egomanie Antor Treligs stand.
Und er dachte an Mavra Tschang. Er wußte einfach, daß sie ihn gerettet hatte, daß ihre Entschlossenheit, nicht aufzugeben, ihn am Leben erhalten hatte. Wozu? Damit er bei der nächsten Schlacht im nächsten Hexagon für Trelig starb?
Nein! dachte er. Er war Mavra etwas schuldig, und auf eine ganz andere Art schuldete er auch Antor Trelig etwas.
So lenkte er den mächtigen grünen Pegasus nach rechts, weit nach rechts, und flog hinein in das Wüten der Natur.
Zone Süd
Vardia betrat Ortegas Büros, in denen von Tag zu Tag mehr Unordnung herrschte, stapelweise Computerausdrucke und Diagramme herumlagen und Ortega selbst in der Papierflut zu ertrinken drohte.
»Neue Daten?«fragte er resigniert.
»Ja. Wir haben die Projektionen im Zentrum durch die Computer laufen lassen. Es sieht nicht gut aus.«
Ortega wunderte sich nicht. Es gab nichts mehr, das gut aussah.
»Was haben Sie?«fragte er düster.
Das Wesen aus Czill breitete Karten und Diagramme aus. Ortega konnte die Originale nicht lesen, aber die Computer der großen Universität hatten Übersetzungen in die Ulik-Sprache angefertigt. Er studierte die Unterlagen grimmig.
»Die Schiffskonstruktion hat sich in den letzten dreihundert Jahren jedenfalls radikal verändert«, meinte er.
»Was haben Sie erwartet? Es hat schließlich in der frühen Geschichte vieler Rassen Perioden gegeben, in denen sie weniger Zeit brauchten, um von der Barbarei zur Raumfahrt zu gelangen.«
Ortega nickte.
»Aber es wäre nützlich, wenn ich mehr von der Konstruktionstheorie verstünde«, sagte er.
Darauf kam es aber im Grunde nicht an; wenn die Computer in Czill folgen konnten, würden es die Computer in Agitar, Lamotien und einem Dutzend anderer Sechsecke auch können.
»Die Querschnitte sind genau an den richtigen Stellen erfolgt«, stellte Vardia fest.»Die Stücke waren kaum klein genug für die Zone-Tore, aber sie paßten alle — und wir konnten sie von Rechts wegen nicht aufhalten.«
»Auch nicht mit Gewalt«, sagte er.»Keine Kriege in Zone, wie?«Er sah sich die Unterlagen noch einmal an.»Der Antrieb ist also das einzige, was wir hier nicht herstellen könnten? Warum?«
»Sie kennen die Antwort«, erwiderte Vardia.»Die Anlage ist versiegelt und arbeitet nach Prinzipien, die wir nicht kennen. Wir könnten natürlich einen Antrieb herstellen, aber fast mit Sicherheit nicht einen von solcher Schubkraft, daß die benachbarten nichttechnologischen Hexagons überflogen werden könnten, bevor sich alles abschaltet. Eine Masse von diesem Ausmaß zu bewegen, ist uns einfach nicht gegeben. Es ist in die Sechseckwelt eingebaut, uns hier festzuhalten. Aber die Größe dieses Antriebs deutet auf enorme Kraft. Sie könnten es schaffen, wenn der Start senkrecht erfolgt.«
Ortega räumte die Möglichkeit ein.
»Aber damit es funktioniert, braucht man die Programmierung«, wandte er ein.»Also die Yaxa oder nichts.«
»Das ist doch Unsinn! Gut, die Agitar mögen zwei Jahre brauchen, einen Ersatz herzustellen. Eher machen sie Geschäfte oder stehlen, was sie brauchen. Gerade Sie sollten wissen, was Politik und Spionage hier bedeuten. Sie haben Yaxa-Agenten, Dasheen-Agenten, Makiem-Agenten, Agitar-Agenten Agenten vermutlich bei der Hälfte aller Rassen.«
Ortega lächelte nur, aber es war kein zufriedenes Lächeln. Alle seine Freunde, alle, die ihm etwas schuldeten, hatten Informationen geliefert, aber ohne Ergebnis. Überdies war er sicher, daß die Yaxa ihre eigenen Eltern verraten würden, um bei der Sache mitzumischen, und die Lamotien waren so vertrauenswürdig wie Ratten in einer Käsefabrik. Er war überzeugt davon, daß derjenige, welcher den Antrieb in die Hand bekam, alles würde zusammenbauen können. Er war nicht der einzige tüchtige Marionettenspieler auf dieser Welt, nur der älteste und erfahrenste.
Aber die Resultate aus Czill bestätigten vom technischen Standpunkt aus das Schlimmste: Die Teile hatten sich intakt voneinander gelöst. Sie waren beim Absturz nicht wesentlich beschädigt worden. Die Demontage, wo nötig, war an den richtigen Stellen erfolgt.