»Was hört man vom Krieg?«fragte Vardia.
Er seufzte.
»Die Djukasis waren ein Problem, sind aber besiegt worden. Klusid hat keine Kapsel, jedoch atmosphärische Probleme. Die Ultraviolettstrahlung dort ist sehr stark. Darum ist es dort auch so schön und unheimlich zugleich. Die Atmosphäre hat sie vor den Zhonzorp geschützt. Ich glaube aber, daß die Makiem durch ein Bündnis mit den Zhonzorp zu einer Einigung mit den Klusidiern gekommen sind. Die Notwendigkeit für starke Strahlungsabschirmung wird sie behindern, doch die Klusidier können der Allianz vom Westen und den zweibeinigen Krokodilen im Osten nicht widerstehen. Sie werden nachgeben, weil man ja nur freien Durchzug verlangt. Da Zhonzorp sowohl eine Kapsel als auch eine Schlüsselposition besitzt, sind das die natürlichen Verbündeten. Die Agitar mögen sie nicht, aber die Makiem und Cebu sind interessiert, weil die Krokos auch ein hochtechnologisches Hex haben und dafür sorgen können, daß die Ziegenböcke sie nicht im Stich lassen. Ich würde sagen, daß die ganze Streitmacht in höchstens zehn Tagen an der Grenze von Olborn sein wird und Zhonzorp den Nachschub übernimmt.«
Vardia blickte auf die Karte.
»Nur zwei Sechsecke von Gedemondas entfernt. Und was ist mit den Yaxa?«
»Während die Yaxa die Kapsel in Porigol an sich brachten, drangen die Lamotien in Qasada ein. Es erfordert nur sechs Lamotien, einen von diesen kleinen Nagern nachzubilden. Sabotage, Fehlinformationen — und das mit großer Wirkung, weil die Lamotien selbst hochtechnologisiert sind und genau wissen, wo sie eingreifen müssen. Die Kuharmee der Dasheen war keine große Hilfe, stiftete aber weitere Verwirrung, und die Yaxa-Berater hatten gute Arbeit geleistet. Es wird dort jedoch immer noch heftig gekämpft. Es kann eine Woche oder zwei dauern, bis sie durchkommen. Die Yaxa werden sich mit den Palim befassen — das verstehen sie. Weitere fünf oder sechs Tage, um durch Palim zu ziehen, vielleicht noch einen, um die dortige Kapsel zu bergen, und sie sind an der Grenze von Gedemondas.«
»Die Yaxa werden also als erste dort sein?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das hängt zum einen von der Stärke des Widerstandes in Qasada ab und zum anderen davon, ob die anderen auf die Zhonzorp hören. Ich würde Alestol überfliegen und alle mit einer Luftbrücke hinüberbefördern. Die Luft ist schlecht und stinkt, aber die Alestoli sind faßförmige, wandelnde Pflanzen, die eine Vielzahl übler, giftiger Gase ausströmen. Man kann nicht mit ihnen reden — doch sie haben keinerlei Luftverkehr. Wenn die Makiem-Agitar-Soundso-Allianz bis Olborn vorstößt, könnte es ein totes Rennen geben.«
»Was wissen Sie über Olborn?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nicht viel. Kein Botschafter hat sich bisher blicken lassen. Man hat sich von der Außenwelt abgesondert. Jeder, der hineingeht, bleibt verschollen. Sie sind Säugetiere dort, die Luft ist in Ordnung, und nach meinen Unterlagen sind sie ein halbtechnologisches Hex mit leichten magischen Fähigkeiten, was immer das bedeutet. Auf diese Magiertypen muß man aufpassen. Lauter Halunken oder Fanatiker — wenn das ein Unterschied ist. Selbst Zhonzorp umgeht sie lieber, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß das mächtigste Hex auf diesem Planeten sich gegen eine solche Kombination auf die Dauer halten kann. Ein magisches Hex verläßt sich zu sehr auf seine Magie; ein gutes Geschoß stoppt jeden Zauberspruch, wenn man eins zu vier im Nachteil ist und gutausgebildeten Truppen gegenübersteht.«
»Es haben also beide Seiten eine Chance, als erste Gedemondas zu erreichen. Und was ist dort? Wissen Sie irgend etwas?«
»Nichts«, erwiderte Ortega kopfschüttelnd.»Sehr hohe Berge, kalt, viel Schnee. Sie leben in großer Höhe. Sie sind groß — Dillianer haben sie gesehen, aber nur kurz. Große Kerle, drei Meter, ganz in schneeweißes Fell gehüllt, vor einem Schneefeld kaum zu erkennen. Große Klauenfüße mit vier Zehen. Sie meiden jeden Kontakt, aber wenn man sich zu weit hineinwagt, jagen sie einem eine Lawine auf den Schädel.«
Die Reliefkarte zeigte eine milde Ebene an der Grenze Alestol-Palim-Gedemondas, dann ungeheuer hohe Faltgebirge, viele vier- bis fünftausend Meter hoch. Rauhes, kaltes Land.
»Irgendeine Vorstellung, wo in Gedemondas die Antriebskapsel abgestürzt ist?«
Er schüttelte wieder den Kopf.
»Nein, eigentlich nicht, und die anderen wissen es auch nicht. Aber nicht in der Ebene.«Er zögerte.»Warten Sie! Vielleicht weiß ich es doch!«Er kramte fluchend in seinen Papieren, bis er auf einen zerfransten Zettel stieß.»Da! Die Agitar haben Masse und Form der Kapsel nach den schon geborgenen Teilen berechnet, klimatologische Details und dergleichen zu Rate gezogen und den mutmaßlichen Ort gefunden. Etwa sechzig bis hundert Kilometer nach der Nordostgrenze. Im Gebirge, aber trotzdem eine Stecknadel in einem kleineren Heuhaufen.«
»Wie, um alles in der Welt, haben Sie —«, begann Vardia, entschied aber, daß es sinnlos war, Ortega zu fragen, woher er diese Angaben hatte. Er würde ohnehin nur lügen.»Dann besteht nicht nur die Möglichkeit einer Suche, sondern wenn sie die Kapsel finden, auch die Aussicht von fünfzig zu fünfzig, daß die Gedemondas entweder sie damit abziehen lassen oder versuchen, sie zu vernichten, und letzteres wäre sicher nicht einfach.«
»Sie sind merkwürdige Leute, aber wir wissen einfach nicht genug. Das ist das Problem. Wir müssen es wissen. Wir müssen jemanden hinschicken, der versucht, mit den Gedemondas zu reden, vor dem Eintreffen der Armeen, wenn das geht. Vielleicht versuchen sie wegzulaufen, vielleicht versuchen sie, die anderen zu töten, aber wir müssen es versuchen. Wir müssen sie warnen. Ihnen anbieten —«
»Daß wir ihnen den Antrieb abnehmen, vielleicht?«
»Oder wenn das nicht gelingt, versuchen, ihn zu vernichten«, meinte Ortega achselzuckend.
Vardia hätte geseufzt, wenn ihr das möglich gewesen wäre. Statt dessen sagte sie:»Wen haben Sie dabei im Sinn? Auf mich brauchen Sie nicht zu zählen. Ich schlafe, wenn es kälter wird als zwei oder drei Grad über Null.«
Er lachte leise.
»Nein, Sie haben Ihren Spaß schon gehabt. Oder eine von Ihnen. Nein, mir gefällt nicht, woran ich denke, aber ich lande immer wieder bei derselben Antwort. Es gibt nur eine Person, die in der Lage ist, die Motoren zu untersuchen, zu entscheiden, ob man sie bergen kann, oder wie sie gegebenenfalls so zerstört werden können, daß niemand mehr etwas mit ihnen anfangen kann.«
Vardia nickte.
»Mavra Tschang. Aber Sie haben doch gesagt, sie sei zu wertvoll.«
»Das ist sie auch. Es handelt sich um ein kalkuliertes Risiko. Sie ist die einzige, die das Technische für uns übernehmen kann. Wir geben ihr andere Leute zu ihrem Schutz mit.«
»Hätten wir nur früher etwas unternommen«, sagte Vardia tonlos.
»Früher glaubte keiner von uns, daß beide Seiten es nicht schaffen würden. Jetzt wissen wir, daß es möglich ist. Jetzt oder nie.«
»Ich verständige meine Bevölkerung und unsere Freunde so diskret wie möglich. Sie werden die Leute zusammenbringen, nehme ich an?«
»Gewiß, das Einverständnis Ihrer Zentrale vorausgesetzt.«
»Gewiß.«
Ortega beugte sich wieder über seine Karten. Xoda fiel aus, die Yaxa würden hier sein, also blieb Olborn. Verdammt…!
Lata
Er hatte zwei Tage gebraucht, um die Grenze von Lata zu erreichen, obwohl Doma ihn an einem einzigen hätte hinbringen können. Das mächtige Pferd hätte es nie erkennen lassen, aber es war völlig erschöpft, und Renard war gelandet, als das Unwetter hinter ihnen geblieben war und er sich weit genug vom Schlachtfeld entfernt glaubte.
Er hatte keine Vorräte, und hier gab es nichts. Doma konnte das Laub von den Bäumen und die Spitzen hoher Gräser fressen, und es gab Wasser, so daß er sie versorgt glaubte. Er dachte nur an Lata und würde warten können, bis er dort etwas bekam.