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Ein paarmal ging es knapp her, bevor er die Grenze erreichte. Hier und dort stieß er auf Djukasis und mußte kämpfen, aber er entkam meist ohne größere Schwierigkeiten.

Endlich sah er aus fünfhundert Metern Entfernung sein Ziel vor sich. Über den unfaßbaren Anblick einer Hex-Grenze kam er immer noch nicht hinweg. Sie schimmerte durch die Nachbarschaft der verschieden zusammengesetzten Atmosphären. An der Grenze hörten Leben und Gelände, meist auch das Wetter auf und wurden von einer radikal veränderten Szene ersetzt. Nur Landformen und Gewässer blieben; Flüsse strömten hindurch, Meere dehnten sich über solche Grenzen, und Vorberge wie diese hier setzten sich fort.

Djukasis war ein trockenes Hex; das Gewitter war um diese Jahreszeit eine Seltenheit, aber Unwetter dieser Art lieferten fast die einzigen Niederschläge dort. Das Gras war gelb und dürr.

An der Grenze von Lata begann plötzlich ein dunkelgrüner Grasteppich, und hohe, dicke Bäume mit dichtem Laub ragten himmelwärts. Hier und dort zeigten sich Teiche, Wiesen und Matten. Man sah aber keine Straßen und auch keine Bewohner.

Er hätte zu gern gewußt, was dort für Leute lebten.

Ungefähr tausend Meter im Inneren des Hexagons, als er noch immer die Auswirkungen der Luftfeuchtigkeit und einer Temperatursteigerung von mindestens zehn Grad spürte, erfuhr er es.

Vielfarbige Energiestöße hüllten Doma ein, die nervös reagierte, aber nur zurück konnte.

Sie schießen auf mich! dachte er in Panik, begriff aber, daß die Feuerstöße nur abschrecken, nicht töten sollten. Jedenfalls noch nicht.

Er wendete und kehrte zurück nach Djukasis. Die trockene Luft sorgte dafür, daß der Schweiß an seinem Oberkörper sofort verdunstete.

Er setzte Doma möglichst nah an der Grenze ab, sprang von ihr herunter, zog die Uniformjacke aus und warf sie weg, ergriff Domas Zügel und ging zu Fuß mit ihr über die Grenze.

Diesmal wurde er nach zehn oder fünfzehn Schritten gestellt. Das Dumme war, es klang wie eine Vielzahl zorniger Glöckchen; er konnte kein Wort verstehen.

Er blieb stehen und starrte in den Wald. Auch die Glocken verstummten. Er zeigte auf sich.

»Renard!«rief er.»Neuzugang!«Er machte eine Pause.

»Mavra Tschang! Mavra Tschang!«

Das löste weitere Diskussionen aus. Schließlich wirkten die universellen Regeln. Im Zweifelsfall die Verantwortung abschieben.

Er hob die Hände und hoffte, daß sie auch Hände besaßen und begriffen, was er damit meinte.

So war es. Plötzlich stürmte ein ganzer Haufen aus dem Wald, bewaffnet mit gefährlich aussehenden Energiegewehren. Als Veteran von Djukasis bemerkte er auch sofort die hübschen, aber auffälligen Stacheln.

Feen! dachte er verblüfft. Kleine, fliegende Mädchen. Ein hochtechnologisches Hex; die Gewehre schienen überaus wirkungsvoll zu sein.

Sie versammelten sich um ihn, staunten Doma an und gaben ihm mit Gesten zu verstehen, daß er mitkommen solle. Er sah, daß sie alle Schutzbrillen trugen und sich nicht wohl zu fühlen schienen. Sie führten ihn zu einer Lichtung, die ungefähr tausend Meter entfernt war. Dort verständigte sich eine mit Zeichensprache so, daß keine Zweifel blieben. Er sollte dort bleiben und nichts tun.

Das paßte ihm. Das Warten war er inzwischen gewöhnt. Doma weidete das saftige Gras ab, und er legte sich hin und schlief.

* * *

Vistaru eilte in Mavra Tschangs Unterkunft.

»Mavra?«

Sie hatte auf einem eigens für sie gebauten Bett gelegen und Karten und Geographiebücher studiert, meist für Kinder gedachte Werke. In wenigen Wochen konnte man eine komplizierte Sprache nicht lernen.

»Ja, Vistaru?«sagte sie müde.

»Mavra, eines von den Wesen, das am Krieg beteiligt ist, kam vor einigen Minuten über die Grenze von Djukasis. Wir haben gerade die Funknachricht erhalten.«

»Und?«

»Es kam mit einem riesigen fliegenden Pferd! Sie würden das nicht glauben. Gigantisch und hellgrün. Und, Mavra — es hat immer wieder nach Ihnen gerufen. Immer wieder.«

Sie sprang auf.

»Wie sah das Wesen aus?«

»Ein Agitar, heißt es. Größer als Lata, kleiner als Sie. Ganz dunkelblau und dicht behaart am Unterkörper.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Das ist mir neu. Glauben Sie, daß das ein Manöver ist?«

»Wenn ja, dann ist es schiefgegangen. Wenn es irgend etwas unternimmt, kommt es nicht lebend aus Lata heraus. Man möchte wissen, ob Sie mit ihm reden.«

»Wenn ich kann«, gab sie zurück und ging hinaus.

Es war kein Problem, sie schnell hinzuschaffen. Mavra Tschang und dreitausend Kisten Äpfel flogen mit einem Hubschrauber, der über einen Doppelrotor verfügte, nach Süden. Der Flug dauerte etwa drei Stunden, und die Sonne stand tief, als sie ankamen. Durch die senkrechte Achse bekamen alle Hexagons gleich viel Tageslicht, knapp über vierzehn Stunden lang.

Der Pegasus war wirklich so prächtig und eindrucksvoll, wie berichtet worden war, der Reiter klein, gedrungen und häßlich.

»Hübscher Kerl«, murmelte Mavra vor sich hin. Er sah aus wie ein Teufel, mit blauschwarzer Haut und schwarzen Haaren. Das Wesen war wach geworden, als es den Hubschrauber gehört hatte.

Wachen mit Energiepistolen umzingelten es. Renard fragte sich, was für ein hohes Tier eingetroffen sein mochte, aber dann sah er noch einmal hin und hatte keine Zweifel mehr.

»Mavra!«rief er und wollte auf sie zueilen. Die Bewacher waren blitzschnell, kein Zweifel. Er blieb stehen. Er deutete auf sich.»Renard, Mavra! Renard!«

Sie war mehr als überrascht. Obwohl sie das System der Sechseckwelt kannte, das man ihr ausführlich erklärt hatte, kam ihr die Wirklichkeit zum erstenmal voll zum Bewußtsein. Sie lachte.

»Renard!«rief sie.»Sind das wirklich Sie?«

Er strahlte sie an.

»Ich bin es wirklich! Ein bißchen verändert, aber innerlich derselbe. Ich habe Schwamm gegen Ziegenbock getauscht.«

Sie lachte. Wunderbar, dieser Übersetzungskristall, dachte sie.

»Sind Sie sicher, daß es wirklich Renard ist?«fragte eine der Bewacherinnen.»In der letzten Zeit behaupten viele, jemand ganz anderer zu sein.«

Sie nickte und dachte nach, dann rief sie:»Renard! Sie brauchen Beweise, daß wirklich Sie es sind. Und ich auch, wenn ich ehrlich sein soll. Und es gibt nur eine Frage, die mir einfällt, die nur unsere Seite wissen kann.«Er nickte.»Renard, wer war das letzte auch äußerlich menschliche Wesen, mit dem Sie Liebe gemacht haben?«

Er runzelte die Stirn über die peinliche Frage, sah aber die Logik ein. Nur Mavra, er und die betroffene Person konnten die Antwort wissen.

»Nikki Zinder«, sagte er.

Sie nickte.

»Es ist Renard. Nicht nur die Antwort überzeugt mich, sondern auch, wie er das gesagt hat.«

Sie ging auf ihn zu, obwohl die Wachen immer noch unsicher zu sein schienen.

Sie war jetzt größer als er — vielleicht zehn Zentimeter mit den dünnen Stiefeln, drei oder vier ohne sie. Er war häßlich wie die Sünde und stank, aber sie umarmte ihn und küßte ihn lachend auf die Stirn.

»Renard! Lassen Sie sich ansehen! Man hat mir gesagt, daß das passieren würde, aber ich konnte es nicht glauben!«

Er war ein wenig verlegen, weil er jetzt erst ganz begriff, wie sehr er sich verändert hatte.

Mavra wandte sich Doma zu.

»Er ist wunderschön!«sagte sie staunend.»Darf ich ihn berühren? Macht es ihm etwas aus?«

»Sie«, verbesserte Renard.»Sie heißt Doma. Lassen Sie sich erst von ihr ansehen, dann, wenn sie den Kopf senkt, reiben Sie die Stelle zwischen ihren Ohren. Das mag sie.«

Mavra tat es und fand den großen Pegasus freundlich, neugierig und zugänglich.

Sie ging um das Tier herum und betrachtete den Sattel mit Höhenmesser, Fahrtmesser und anderen Instrumenten.

»Sie müssen mich einmal mit ihr hinaufnehmen«, sagte sie zu Renard.»Ich möchte sie fliegen sehen. Aber zuerst müssen Sie mir alles erzählen.«