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Diesmal drang der heftige Stoß von ihren Hüften zu ihren Zehen und endete seltsamerweise in ihren Ohren. Wieder kreischte sie und versuchte sich loszureißen.

»Erneut!«befahl der Priester, aber in diesem Augenblick griffen Lata und Agitar an, und Renard stieß markerschütternde Schreie aus, die grauenhaft von den Steinwänden widerhallten.

Der Priester fuhr entsetzt herum. Wie viele Fanatiker hatte er es nicht für möglich gehalten, jemand könne in sein Allerheiligstes eindringen, und er stand wie erstarrt. Die beiden Wachen ließen Mavra los und fuhren herum. Sie hatten zum Glück keine Pistolen, trugen aber Stahlschwerter, die sie herausrissen.

»Lauf, Mavra!«schrien Renard und Vistaru.»Schau, daß du wegkommst! Wir machen das schon!«

Der erste Bewacher stürzte sich auf Renard, das Schwert erhoben.

Renard lächelte grimmig und stieß mit dem Taster zu. Funken flogen, der Bewacher schrie auf und stürzte zu Boden.

Vistaru, die noch etwas Gift in sich hatte, fegte auf den anderen zu und begann plötzlich zu leuchten, um ihn abzulenken. Der Bewacher ließ sich aber nicht beirren. Er stieß mit dem Schwert zu.

Und verfehlte.

Vistaru schwang sich in der Luft herum, stieß ihren Stachel in seinen Bauch und stemmte sich ab. Der Bewacher schrie auf, dann schien er zu erstarren und brach zusammen.

Mavra spürte den kalten Stein unter sich, als die Wachen sie losließen. Ihr ganzer Körper prickelte, und sie konnte nicht klar denken, hörte aber Renards Rufe und ergriff die Flucht. Eine nackte, halb betäubte Mavra Tschang würde im Kampf nicht viel ausrichten können.

Sie war schwindlig und schien nicht aufstehen zu können, so daß sie auf allen vieren davonkroch. Ihr Kopf wirkte schwer; sie konnte ihn nicht heben, sah jedoch genug, um den Ausgang zu erreichen.

Sie wollte schnell kriechen, konnte den Kopf aber nicht hoch genug heben; ein Nerv am Hinterkopf folterte sie, und ihr Haar hing vorne herunter. Indes, sie erreichte die Stufen und huschte hinunter, vorbei an den toten Wachen unter den noch brennenden Fackeln. Draußen war Dunkelheit, und dort wollte sie hin.

Sie kroch ins Gebüsch, bevor sie keuchend anhielt und den Kopf zu heben versuchte. Es ging nicht.

Als sie wieder Luft bekam, wurde ihr Kopf klarer. Es war dunkel, aber Obie hatte ihr Sehvermögen für die Nacht gegeben. Immer noch auf allen vieren, preßte sie das Kinn an ihre Brust und versuchte sich selbst in Augenschein zu nehmen. Ihr Haar fiel gerade hinab.

Ihr schmaler, biegsamer Körper war unverändert, ihre kleinen Brüste hingen herab und wirkten ein wenig schwer.

Meine Arme! dachte sie plötzlich in Panik. Was haben sie mit mir gemacht?

Sie hatte keine Arme mehr. Sie hatte Vorderbeine — dünn und mit einem Kniegelenk, das sich nur in einer Richtung beugen ließ. Das Bein führte hinab zu einem dicken Huf aus weißlichgrauem Material wie Fingernägel. Sie hatte keine Behaarung; die Beine waren von derselben Fleischfarbe wie ihr Körper, die Haut sah nach wie vor menschlich aus. Aber sie waren die Beine eines kleinen Maultieres.

Sie blickte seitlich an sich hinab, sah, was sie erwartet hatte, und seufzte. Jetzt begriff sie, warum sie nicht von allen vieren hochkonnte und warum sie den Kopf nicht richtig zu heben vermochte. Die Vorderbeine waren gute zwanzig Prozent kürzer als die Hinterbeine. Beim Maultier glich der lange Hals das aus, bei menschlichem Kopf und Hals war das nicht möglich.

Renard und die beiden Lata kamen aus der Höhle. Sie hörte sie mehr, als sie sie sah, und rief ihnen nach kurzem Zögern. Sie stürzten hin.

»Mavra, du hättest das Gesicht von dem Alten sehen sollen, als —«, begann Renard fröhlich, als sie aus dem Gebüsch in das Fackellicht kam. Sie hielten alle drei den Atem an und gafften mit offenen Mündern. Zum erstenmal konnten sie sehen, was die Olbornier aus Mavra Tschang gemacht hatten.

Man nehme einem Frauenrumpf zuerst Arme und Bein weg und lege ihn dann waagrecht, die Hüften ungefähr einen Meter hoch, die Schultern achtzig Zentimeter. Anschließend bringe man an den Hüften zwei passende Maultier-Hinterbeine an, an den Schultern zwei kürzere Vorderbeine. Man verzichte auf Tierbehaarung oder tierische Haut — man belasse alles menschlich, den Rumpf genau angepaßt, mit Ausnahme von harten, nagelähnlichen Hufen an allen vier Füßen, man entferne schließlich die menschlichen Ohren und ersetze sie durch große, fast einen Meter lange Eselsohren, auch diese aus demselben menschlichen Körpergewebe. Dann lasse man das Haar der Frau über dem Rücken zu einer dichteren Mähne derselben Haarfarbe weiterverlaufen, am Rückgrat entlang bis etwa dorthin, wo an der Unterseite die Brüste hängen. Und da der Leib sonst nicht verändert worden ist, vergesse man nicht, Mavras Pferdeschweif am Ende der Wirbelsäule herauswachsen zu lassen, über den Hüften, knapp vor den Hinterbeinen, und ihn über das After zu legen.

In den anderen stiegen Tränen des Mitleids hoch.

»Guter Gott!«war alles, was Renard sagen konnte, und verfluchte sich sofort im stillen dafür.

Mavra drehte den Kopf zur Seite, um ihn anzusehen. Ihre Haare hingen weit über ihr Gesicht herunter. Ihre Stimme war die gleiche geblieben, aber ihre Augen sagten, daß etwas anderes in ihr war.

»Ich weiß«, sagte sie.»Ich habe begriffen. Die kleinen Maultiere, die sie haben — sie machen sie mit dem Stein, den sie haben, aus Leuten. Ich habe ihn zweimal berührt. Sagt — ist sonst noch etwas verändert?«

Renard unterdrückte die Tränen, setzte sich zu ihr und beschrieb ihr alles, einschließlich der Ohren und des Schweifs.

Das Seltsame war, sie sah fremdartig und exotisch aus, fanden sie alle, für Renard beinahe erotisch. Sie war ein sonderbares und nicht unattraktives kleines Wesen, das Mitleid und Zuneigung erregte. Aber es war doch ein unpraktisches, mißgestaltetes Wesen, einzigartig auf einer Welt mit 1560 Rassen.

»Vielleicht sollte ich noch einmal hineingehen und die Verwandlung ganz durchführen«, sagte sie und hoffte, daß die Heiserkeit und Schwere ihrer Stimme nicht verriet, was sie wirklich empfand.

»Das würde ich nicht tun«, widersprach Vistaru leise und mitfühlend.»Haben Sie gesehen, wie sie mit den Maultieren umgehen? Der Geist wird dann auch beeinflußt. Sie wären ein Tier, so gut wie tot.«

»Wartet!«stieß Renard plötzlich hervor.»Das ist nicht für immer!«

»Der Priester sagte, es sei nicht mehr ungeschehen zu machen«, erklärte Mavra hoffnungslos.»Er sagte es so begeistert, daß ich ihm glaubte.«

»Nein, nein! Sie sind noch nicht durch den Schacht gegangen!«

»Der Priester sagte, die Macht des Steines komme vom Schacht.«

»Das ist wahr«, warf Vistaru ein,»aber das gilt für alles auf der Sechseckwelt. Warum es den Stein gibt und er das bewirken kann, werden wir vermutlich nie wissen — er ist ein Ersatz für etwas, das sie auf ihrem eigenen Planeten bewältigen müßten, mehr nicht. Sie sind immer noch nicht klassifiziert und in den Schacht eingegeben, also werden die Veränderungen durch den Stein darauf keine Auswirkung haben.«

Mavra verspürte wieder Hoffnung.

»Nicht für immer«, murmelte sie leise und atmete tief ein.

»Nicht für immer«, bestätigte Renard.»Hören Sie, wollen Sie gleich zu einem Zone-Tor? Nicht zu dem von Olborn, natürlich, aber wir können sicher anderswo hinein. Wir können Sie genauso hindurchschicken, wie Sie mich hindurchgeschickt haben.«

Mavra schüttelte heftig den Kopf.

»Nein, nein, noch nicht. Später, ja. So schnell wie möglich. Aber die Sechsecke der Umgebung sind im Krieg. Dieses Sechseck ist im Krieg. Das ist etwas für normale Zeiten. Wir müssen nach Gedemondas.«

»Das kann ich machen«, sagte Vistaru.

Mavra schüttelte wieder den Kopf.

»Nein. Ihr wißt nicht, wie die Antriebskapsel aussieht oder wie man sie zerstören kann. Außerdem habe ich noch nie einen Auftrag zurückgegeben. Man wollte mich dabeihaben, und ich habe zugestimmt. Danach — ein Zone-Tor — vielleicht in Gedemondas, wenn man überhaupt mit uns spricht, oder in Dillia daneben.«