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»Macht? Ja, vielleicht. Aber die wahre Probe ungeheurer Macht ist die Fähigkeit, sie nicht anzuwenden«, sagte er rätselhaft. Er sah zu Mavra hinüber und deutete mit dem Finger auf sie.»Was auch geschehen mag, Mavra Tschang, denken Sie daran!«

Sie sah ihn verwirrt an.

»Sie glauben, ich werde große Macht bekommen?«antwortete sie skeptisch und ein wenig spöttisch.

»Zuerst müssen Sie in die Hölle hinabsteigen. Erst dann, wenn die Hoffnung zunichte ist, werden Sie erhoben und auf den Gipfel erreichbarer Macht gesetzt, aber ob Sie weise genug sein werden oder nicht, zu wissen, was Sie damit tun und nicht tun sollen, ist uns verborgen.«

»Woher wissen Sie das alles?«fragte Vistaru scharf.»Ist das nur mystisches Geraune oder kennen Sie die Zukunft wirklich?«

Der Gedemondas lachte wieder leise.

»Nein, wir lesen Wahrscheinlichkeiten. Wissen Sie, wir sehen — erkennen ist ein besseres Wort — die Mathematik des Schachts der Seelen. Wir fühlen den Energiefluß, die Bindungen und Zusammenhänge in jedem Partikel von Materie und Energie. Alle Wirklichkeit ist mathematisch, alle Existenz in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft besteht aus Gleichungen.«

»Dann können Sie also voraussagen, was geschehen wird«, warf Renard ein.»Wenn Sie die Mathematik sehen, können Sie die Gleichungen lösen.«

Der Gedemondas seufzte.

»Was ist die Quadratwurzel von minus zwei?«fragte er.»Das ist etwas, das Sie sehen können. Lösen Sie die Aufgabe!«

Das Argument wurde so einfach wie möglich dargestellt.

»Aber das erklärt nicht, warum Sie so tun, als wären Sie primitive Schneeaffen«, sagte Tael beharrlich.

Der Gedemondas sah sie an.

»Uns in die materiellen Gleichungen zu verstricken, hieße, das zu verlieren, was wir für den größeren Wert halten. Es ist eigentlich zu spät dafür, daß irgendeine Ihrer Kulturen das begreift; ihr seid auf dem Weg der Markovier zu weit fortgeschritten.«

»Aber Sie haben uns gegenüber Ihre Rolle abgelegt«, erklärte Hosuru.»Warum?«

»Der Krieg und die Antriebskapsel, versteht sich«, erwiderte Vistaru.

Doch der Gedemondas schüttelte den Kopf.

»Nein. Es geschah, um einer Person unter ihnen zu begegnen und mit ihr zu sprechen, zu versuchen, die Kompliziertheit ihrer Gleichung zu verstehen und ihren Sinn und die mögliche Lösung zu erkennen.«

»Mavra?«fragte Renard verwundert.

Der andere nickte.

»Und das ist jetzt geschehen, auch wenn ich nicht weiß, was noch hinzukommen kann. Was euren albernen, dummen, kleinlichen Krieg und euer Raumschiff angeht, nun, wenn ihr zu einem kurzen Marsch fähig seid, können wir das gleich klären.«

Er stand auf. Sie folgten seinem Beispiel und gingen hinaus. Ein anderer Gedemondas ging ihnen mit ihrer Kleidung nach; in den warmen Höhlen brauchten sie sie nicht, aber es war klar, daß sie nicht in diesen Raum zurückkehren würden.

Sie mußten eine Weile an einer Wegkreuzung warten, und ihr Führer verließ sie. Kurz danach kam ein anderer Gedemondas — oder war es derselbe? —, und sie gingen weiter. Es wurde nichts gesprochen.

Später, nach einem Marsch von mehreren Stunden, wie ihnen schien, standen sie wieder vor einer Steinmauer, und man half ihnen in ihre Schutzkleidung. Ein freundlicher Gedemondas hatte einen genau passenden Pelzmantel für Mavra angefertigt, samt Beinen. Sie war verblüfft und fragte sich, wie das in einer einzigen Nacht möglich gewesen war.

Die mächtige Tür öffnete sich knarrend und gab den Blick auf eine seltsame Szene frei.

Es war ein großes Becken, darüber hing ein U-förmiges Tal, hoch angefüllt mit Schnee.

Und auf einem Sims, selbst aus dieser Entfernung unverkennbar, lag die Antriebskapsel.

Und nun begann der Führer zu sprechen. Es war eine andere Stimme, wie sie meinten, aber sie klang ebenso gütig und freundlich:»Ihr habt von Macht gesprochen. Dort drüben, gleich neben diesem kleinen Vorgebirge, stehen jetzt Ihr Ben Yulin und seine Genossen. Wir haben den Weg so verstohlen wie möglich markiert, und sie wären mehrmals beinahe davon abgekommen, aber sie haben es mit Mühe geschafft.«

Sie starrten hinüber, aber die Entfernung war zu groß.

Der Gedemondas deutete auf die andere Seite.

»Hier oben stehen Antor Trelig und seine Leute. Auch ihr Marsch ist dirigiert worden, damit sie innerhalb von Minuten zusammen mit den anderen eintrafen. Natürlich weiß keiner vom anderen.«

Das Schneewesen drehte sich herum und starrte zu der Antriebskapsel hinüber, die wie durch ein Wunder unversehrt war, noch verfangen in den Schnüren der großen Fallschirme.

»Das ist Macht«, sagte der Gedemondas und deutete auf die Kapsel.

Ein Grollen erschütterte das ganze Tal. Schnee stürzte überall herab, und die Antriebskapsel erzitterte, dann begann sie sich zu bewegen, zuerst langsam, dann schneller, vom Grat des hängenden Tals hinab.

Sie blieb einen Augenblick an der Kante hängen, dann stürzte sie unter Donnern hinunter. Aber sie stürzte nicht nur — sie schien auseinanderzubrechen, und es ertönte ein ungeheures Krachen und Brausen. Rauch und Flammen und weißglühend wirbelnde Wolken stiegen hoch. Das Ding explodierte im Fallen, und als es unten auf den Schnee prallte, setzten die Explosionen sich fort, so daß das Tal minutenlang einem kleinen Vulkan glich. Nachdem Rauch und Donner sich verzogen hatten, das letzte Echo verhallt war, sah man im Schnee nur ein zerschmolzenes, schwelendes Wrack.

Der Gedemondas nickte zufrieden.

»Und so geht der Krieg zu Ende«, sagte er mit einer Endgültigkeit, der kaum etwas entgegenzusetzen war.

»Aber wenn Sie das konnten — warum haben Sie gewartet?«fragte Vistaru staunend und erschrocken.

»Es war notwendig, daß alle Seiten Zeugen wurden«, erklärte das Wesen.»Sonst hätten sie die Wahrheit nie akzeptiert.«

»Alle die Toten…«, murmelte Renard und dachte an seine eigenen Erlebnisse.

Der Gedemondas nickte.

»Und Tausende liegen jetzt tot auf der Ebene. Vielleicht wird das in späteren Zeiten Tausenden das Leben erhalten. Der Krieg ist der größte aller Lehrer, und nicht alle seine Lektionen sind schlecht. Nur ist der Preis so entsetzlich hoch.«

»Wenn nun die Antriebskapsel nicht hier gelandet wäre, was dann?«fragte Mavra plötzlich.

»Sie mißverstehen das«, erwiderte der Gedemondas.»Sie ist hier gelandet, weil sie hier landen mußte. Sie konnte nirgendwo anders landen.«Er nickte vor sich hin.»Eine sehr einfache Gleichung«, murmelte er.

Sie standen eine Weile betäubt da, dann fragte Mavra:»Was geschieht nun? Mit uns? Mit den kriegführenden Parteien?«

»Die kriegführenden Parteien werden einpacken und heimgehen«, erwiderte der andere sachlich.

»Trelig? Yulin?«fragte Renard drängend.

»Sind zu schlau, um sich hier fangen zu lassen«, erwiderte das Wesen.»Sie werden tun, was sie immer getan haben, sich verhalten, wie sie sich immer verhalten haben, bis die Zeit kommt, ihre Gleichungen zu lösen. Sie sind sehr ineinander verwickelt, die beiden, und mit Ihnen, Renard, und Ihnen, Vistaru, und vor allem mit Ihnen, Mavra Tschang.«

Sie ging nicht darauf ein. Dieses ganze Gerede von ihrer Bedeutsamkeit war albern.

»Und wir?«fragte Mavra.»Was geschieht jetzt mit uns? Ich meine, Sie haben sich doch ziemlich bloßgestellt, nicht?«

»Macht wird am besten überlegt eingesetzt«, antwortete der Gedemondas.»Eine ganz einfache Anpassung, eigentlich. Sie sind nie von uns geholt worden. Sie sind einem alten Pfad gefolgt, der frisch benützt zu sein schien, und haben dieses Tal entdeckt. Dann sahen Sie, wie die Antriebskapsel sich selbst zerstörte, ausgelöst vielleicht durch zu viele laute Geräusche, die im Tal widerhallten. Dann gingen Sie nach Osten, hinein nach Dillia, um Bericht zu erstatten. Den geheimnisvollen Gedemondas sind Sie nie begegnet.«