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Vor der Zudringlichkeit der Touristen — mit Ausnahme der hartnäckigsten — war er durch eine Erweiterung des Wassergrabens abgeschirmt und vor ihren Blicken durch eine dichte Wand mutierter Aschoka-Bäume, die das ganze Jahr über in Blüte standen. Die Bäume waren außerdem die Heimstatt mehrerer Affenfamilien, die lustig anzuschauen waren, aber manchmal die Villa überfielen und alles davontrugen, was nicht niet- und nagelfest war. Von Zeit zu Zeit gab es einen kurzen Krieg zwischen den Gattungen, mit Feuerwerkskörpern und von Band gespielten Gefahrenschreien, die die Menschen mindestens ebenso nervös machten wie die Affen, die übrigens unverzüglich zurückkehrten, da sie schon lange begriffen hatten, dass niemand ihnen wirklich etwas antun würde.

Einer von Taprobanes farbenprächtigeren Sonnenuntergängen färbte den westlichen Horizont, als das kleine elektrische Dreirad geräuschlos durch die Mauer der Bäume kam. Bei den Granitsäulen des Vorhofs hielt es an.

Aus langer und bitterer Erfahrung hatte Radschasinghe gelernt, niemals dem ersten Eindruck zu trauen, ihn aber auch nicht zu ignorieren. Er hatte halb und halb erwartet, in Vannevar Morgan einen Mann zu sehen, dessen Äußeres seinen Leistungen entsprach: groß und imposant. Stattdessen war der Ingenieur von weniger als Durchschnittsgröße und hätte auf den ersten Blick sogar als zierlich bezeichnet werden können. Aber der schlanke Körper bestand aus nichts als Sehnen, und rabenschwarzes Haar umrahmte ein Gesicht, das wesentlich jünger wirkte als einundfünfzig Jahre. Die Bilddarstellung aus Aris BIOG-Datei war ihm nicht gerecht geworden. Er hätte ein romantischer Dichter sein sollen, ein Konzertpianist — oder vielleicht ein großer Schauspieler, der Tausende mit seinem Talent in Atem hielt. Radschasinghe erkannte Kraft, wenn sie ihm vor Augen kam; und es war Kraft, der er jetzt gegenüberstand. Hüte dich vor kleinen Männern, hatte er oft zu sich gesagt — denn sie sind die Macher und Beweger dieser Welt.

Mit diesem Gedanken kam ein Gefühl leisen Unbehagens. Fast wöchentlich kamen alte Freunde und Feinde an diesen abgelegenen Ort, um Neuigkeiten mit ihm auszutauschen oder über die Vergangenheit zu reden. Er wusste solche Besuche zu schätzen, denn sie verliehen seinem Leben ein Muster der Kontinuität. Gewöhnlich kannte er bereits im Voraus den Grund für das Zusammentreffen und das Gesprächsthema. In diesem Fall jedoch gab es, soweit er das zu beurteilen vermochte, zwischen ihm und Morgan kein gemeinsames Interesse. Sie waren einander niemals zuvor begegnet, hatten niemals miteinander gesprochen. Um genau zu sein: Er hatte Mühe gehabt, Morgans Namen einzuordnen. Noch ungewöhnlicher war der Umstand, dass der Ingenieur ihn gebeten hatte, diese Zusammenkunft als vertraulich zu betrachten.

Radschasinghe hatte ihm dies zugestanden — aber nur mit einem Gefühl des Widerwillens. In seinem friedlichen Leben war kein Raum für Geheimniskrämerei mehr. Das Allerletzte, was er sich in diesem Augenblick wünschte, war, dass sein wohlgeordnetes Leben durch irgendein wichtiges Geheimnis durcheinandergebracht würde. Er hatte mit den Geheimdiensten für immer gebrochen; vor zehn Jahren — oder war es noch länger her? — hatte man auf sein eigenes Ersuchen die Leibwächter abgezogen. Aber was ihn am meisten ärgerte, war nicht die Heimlichtuerei, sondern seine eigene Verwirrung. Der Chefingenieur (Land) der Terran Construction Company war nicht Tausende von Kilometern weit gekommen, um sein Autogramm zu erbitten oder nach Touristenart Plattitüden daherzureden. Er verfolgte eine bestimmte Absicht; aber sosehr Radschasinghe auch den Verstand anstrengte, er kam nicht dahinter, welche das sein könnte.

Auch in seinen Tagen als Botschafter hatte Radschasinghe nie mit der TCC zu tun gehabt. Ihre drei Abteilungen — Land, Wasser, Raum — waren trotz ihrer gewaltigen Größe als Quellen aufregender Neuigkeiten völlig unergiebig, wenn man sie mit anderen Körperschaften der Weltföderation verglich. Lediglich aus Anlass einer technischen Katastrophe oder eines Frontalzusammenstoßes mit Umweltschützern oder Geschichtsenthusiasten trat die TCC hin und wieder ans Tageslicht. Das jüngste Ereignis dieser Art hatte mit der antarktischen Pipeline zu tun gehabt — jenem Wunder der Ingenieurwissenschaften des einundzwanzigsten Jahrhunderts, durch das verflüssigte Kohle aus den unerschöpflichen Flözen der Südpolregion in die Kraftwerke und Fabriken der Welt gepumpt worden war. In einem Anfall ökologischer Euphorie hatte die TCC vorgeschlagen, die letzten noch verbleibenden Abschnitte der Pipeline zu demolieren und das Land endgültig den Pinguinen zurückzugeben. Sofort war Protestgeschrei zu hören gewesen — von den Industriearchäologen, die das Vorhaben als Vandalismus brandmarkten, und von den Naturschützern, die darauf hinwiesen, dass die Pinguine in die verlassene Pipeline reinweg vernarrt seien. Sie bot ihnen Nistmöglichkeiten von einer Qualität, die sie nie zuvor gekannt hatten, und trug somit zu einer Bevölkerungsexplosion bei, die die Wale kaum noch unter Kontrolle halten konnten. Die TCC hatte ihr Vorhaben widerstandslos aufgegeben.

Radschasinghe wusste nicht, ob Morgan in dieses kleinere Debakel verwickelt gewesen war. Es machte kaum einen Unterschied, denn seit jüngstem wurde sein Name in Verbindung mit dem größten Triumph der TCC genannt.

Die Brücke der Brücken hatte man sie genannt. Zusammen mit dem Rest der Welt war Radschasinghe Augenzeuge gewesen, als der GRAF ZEPPELIN, selbst eines der Wunder dieser Zeit, den abschließenden Brückenabschnitt sanft himmelwärts trug. Die luxuriöse Innenausstattung des Luftschiffs war entfernt worden, um Gewicht zu sparen; man hatte das berühmte Schwimmbecken geleert, und die Reaktoren pumpten überschüssige Hitze in Ballonhüllen, um zusätzlichen Auftrieb zu erzeugen. Es war das erste Mal, dass ein Bruttogewicht von mehr als eintausend Tonnen drei Kilometer weit senkrecht in den Himmel hinaufgehoben wurde. Das gigantische Unternehmen war, zur Enttäuschung der Millionen, fehler- und reibungslos abgelaufen.

Kein Schiff würde jemals wieder die Säulen des Herkules passieren, ohne die mächtigste Brücke zu grüßen, die der Mensch je gebaut hatte — und in aller Wahrscheinlichkeit je bauen würde. Die Zwillingstürme am Zusammenfluss zwischen Mittelmeer und Atlantik waren die höchsten Strukturen der Welt und standen einander auf eine Distanz von fünfzehn Kilometern gegenüber — mit nichts zwischen sich außer dem unglaublichen, zierlichen Bogen der Brücke von Gibraltar. Es müsse ein Privileg sein, mit dem Mann zusammenzutreffen, der sie entworfen hatte, dachte Radschasinghe, auch wenn er eine Stunde zu spät kam.

»Ich bitte um Entschuldigung, Botschafter«, sagte Morgan, während er aus dem Dreirad kletterte. »Ich hoffe, die Verzögerung hat Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereitet.«

»Keineswegs. Meine Zeit gehört mir. Sie haben gegessen, hoffe ich?«

»Ja. Man hat meinen Anschluss in Rom annulliert; aber wenigstens bekam ich als Ausgleich dafür ein vorzügliches Mittagessen.«

»Wahrscheinlich besser, als man es im Hotel Jakkagala serviert. Ich habe dort ein Zimmer für Sie reservieren lassen — es ist nur einen Kilometer von hier. Wir werden unser Gespräch bis zum Frühstück verschieben müssen.« Morgan wirkte enttäuscht, fügte sich jedoch mit einem Schulterzucken ins Unvermeidliche.

»Na schön, ich habe ohnehin eine Menge Arbeit zu erledigen. Ich hoffe, das Hotel hat ausreichende Kommunikationsmöglichkeiten — oder doch wenigstens eine Standarddatenstation.«

Radschasinghe lachte. »Um sicher zu sein, setzen Sie nichts Komplexeres als ein Telefon voraus! Aber da fällt mir ein — ich habe eine bessere Idee! In rund einer halben Stunde bringe ich ein paar Freunde zum Felsen. Es gibt dort eine Klang-und-Licht-Vorführung, die ich bestens empfehle. Wenn Sie sich uns anschließen wollen — Sie sind eingeladen.«