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Er erreichte die schattenhaften Gestalten am Fuß des Abhangs und wunderte sich, wie sehr sie sich verändert hatten. Sogar in dem kümmerlichen Licht konnte er wahrnehmen, wie selbstsicher und geduldig sie mit ihren Musketen warteten. Ihre Gesichter hoben sich blaß von Gestrüpp und dichtem Laub ab, das jetzt den Sumpf verbarg.

Fox, der Feuerwerksmaat, berührte grüßend seine Stirn.»Alles geladen, Sir. Ich habe jede Muskete selbst überprüft.»

Bolitho hob die Stimme.»Alles herhören! Wir werden gleich in drei getrennten Gruppen diesen Abhang hinaufsteigen. Drängt euch nicht zusammen und vergewissert euch, daß keiner ausrutscht. Wenn auch nur eine Muskete aus Versehen losgeht, sind wir alle verloren. Wir müssen die Anhöhe ungesehen erreichen, ehe die Dämmerung einsetzt.»

Mit fester Stimme setzte er hinzu:»Hinter der Anhöhe erwartet uns die Bucht, und unter den Klippen liegen die Überreste der Abdiel und ihrer gesamten Besatzung. Erinnert euch an ihr Schicksal, wenn es soweit ist, und gebt euer Bestes.»

Er zog die Offiziere zur Seite.»Mr. Quince, Sie halten die Umgebung besetzt, während ich die Geschützstellung stürme. Mr. Lang wird die Straße zur Stadt sichern und verhindern, daß jemand kommt oder geht.»

Lang fragte:»Und die Midshipmen, Sir?»

«Sie halten die Verbindung zwischen uns. «Er sah alle der Reihe nach an.»Wenn ich falle, ist es Mr. Quinces Pflicht, die Aufgabe zu Ende zu führen. Wenn wir beide getötet werden, übernehmen Sie, Mr. Lang.»

Allday erschien aus dem Dunkel.»Alles bereit, Captain.»

«Gut, meine Herren. Wir haben genug Zeit mit Worten verschwendet.»

Quince überprüfte die Pistolen in seinem Gürtel und fragte:»Und was wird aus den Booten, Sir?»

«Wir lassen sie versteckt. Wenn wir die Batterie einnehmen, können wir sie vielleicht später bergen. «Er wendete sich ab.»Wenn nicht, werden sie wie wir verrotten.»

Ohne ein weiteres Wort begann er, den Abhang zu ersteigen, und während Quinces Kundschafter im Dunkel verschwanden, folgten die Matrosen im Gänsemarsch.

Bolitho fragte sich, was die feindlichen Posten denken würden, wenn sie die Matrosen auf sich losstürmen sahen. Wild, zerlumpt und schlammbedeckt, mußten sie auch die Tapfersten in Schrecken versetzen.

Es hatte fast der Gewalt bedurft, um die Leute davon abzuhalten, sich als erstes zu waschen, nachdem sie sich von den mörderischen Strapazen ihrer Fahrt durch den Sumpf etwas erholt hatten. Anders als manche Landbewohner, versuchten Matrosen immer, sich sauber zu halten, gleichgültig, wie spärlich ihre Wasservorräte oder wie primitiv die Bedingungen waren.

Er blickte nach rechts und sah Quinces dünne Marschkolonne den Abhang hinaufsteigen. Schon konnte er einzelne Gestalten ausmachen, geschulterte Musketen und das gefährliche Funkeln der aufgepflanzten Bajonette. Quince, der zu ihm herübersah, hob den Arm, um zu zeigen, daß auch er verstand, wie wichtig Eile war, da die Dämmerung so dicht bevorstand.

Einer der Kundschafter kam den Abhang herab. Die Muskete hoch über den Kopf gehoben, hüpfte er von Fels zu Fels, als ob er es sein Leben lang getan hätte.

«Alles klar, Sir«, meldete er. Er deutete auf die geschwungene Höhe, wo die ersten schwachen Sonnenstrahlen bereits die Schatten vertrieben und das rauhe Strauchwerk und den steinigen Boden mit Farbe überhauchten.

Bolitho erkannte in dem Kundschafter den Matrosen mit dem Narbengesicht, der ihm das Leben gerettet hatte.»Das haben Sie gut gemacht.»

Er winkte Lang und sah, wie der seine Gruppe nach rechts den Berg hinaufführte. Zu Allday sagte er:»Lassen Sie die Leute hier warten. Ich gehe vor, um mich umzusehen. «Mit dem hageren Seemann an seiner Seite eilte er das letzte Stück hinauf und ließ sich oben fallen. Er griff nach dem kleinen Teleskop und studierte die Bucht, die sich unten in atemberaubender Schönheit ausbreitete. Rechts ragte der spitze Berg auf, den Pascoe aus dem Sumpf gesichtet hatte. Der Steilhang und die Flanken schimmerten im blassen Sonnenlicht wie eine polierte Pfeilspitze. Die Stadt an seinem Fuß lag noch im Schatten, und Bolitho richtete das Glas auf die offene See und die Schiffe, die wie bisher vor der Einfahrt zur Bucht verankert lagen.

Der Matrose hob den Arm.»Dort sind die Kanonen, Sir.»

Bolitho senkte das Glas und stützte es auf einen Fels. Die schweren Geschütze, sieben im ganzen, standen dicht am Rand der Klippen. Ihre Rohre hoben sich scharf von den weit unten anrollenden Schaumköpfen der Wellen ab. Es war tatsächlich ein großer, natürlicher Sattel, und wo der nächste Berg sich vor dem Ende der Landzunge erhob, konnte er eine Reihe blasser Zelte erkennen, vor der ein einzelner Posten patrouillierte. Die Straße zur fernen Stadt war von dieser Stelle aus nicht zu sehen, aber Bolitho vermutete, daß der Posten für seinen Kameraden auf der anderen Seite gut sichtbar war.

Steine klapperten laut, und Midshipman Carlyon kletterte neben ihm herauf.»Mr. Langs Respekt, Sir, und seine Leute sind oberhalb der Straße in Stellung gegangen. «Er spähte zu den Kanonen hinunter und schauderte.»Auf seiner Seite befindet sich nur ein Wachtposten, Sir.»

Bolitho richtete das Glas auf den Posten hinter der Reihe Zelte. Was, um Himmel willen, hielt Quince auf?

Er blinzelte heftig und korrigierte die Einstellung seines Glases. Einen Augenblick glaubte er, Opfer einer optischen Täuschung zu sein. Eben noch schlenderte der Posten am Rand der Klippe entlang, die Hände tief in den Taschen, das Kinn nachdenklich auf der Brust. Dann verschwand er wie durch Zauber. Bolitho wartete noch ein paar Sekunden, dann sah er etwas Weißes über einem niedrigen Ginstergebüsch: das Signal. Der unglückliche Posten brauchte sich über den kommenden Tag und auch über spätere keine Gedanken mehr zu machen.

Bolitho sagte knapp:»Melden Sie Mr. Lang, daß wir sofort angreifen. »

Als der erschrockene Midshipman bergab rannte, drehte Bolitho sich nach Allday um und winkte:»Folgt, mir, Jungs. Keinen Laut und keinen Schuß, ehe ich's befehle.»

Als die Sonne dann über den fernen Bergen auftauchte, stürmte er zur Batterie hinunter, den Säbel in der Faust und den Blick fest auf die stillen Zelte gerichtet.

Auf dieser Seite war der Berg viel steiler als erwartet, und als Bo-litho immer schneller rannte, hatte er das Gefühl, vornüberzustürzen. Hinter ihm wurde es lauter. Ängste und Spannung wichen einer wilden Erregung, die nicht einmal durch Drohungen unterdrückt werden konnte; aus dem Augenwinkel bemerkte er einen Matrosen, der ihn bereits einholte und der das gesenkte Bajonett wie eine Pike vor sich hielt, während er in vollem Lauf an der Spitze seiner Kameraden vorstürmte.

Irgendwo in der Ferne knallte eine Pistole. Der Knall war über dem Stampfen und Keuchen nur schwach zu hören gewesen. Doch gerade, als Bolitho über ein paar gezackte Felsbrocken sprang, tauchte aus einem Zelt ein Mann auf und blieb stocksteif stehen, wie zu Stein erstarrt.

Dann machte er auf dem Absatz kehrt, riß die Zeltklappe auf und brüllte: «Aux armes! Aux armes!»

Aus den anderen Zelten drängten sich Gestalten, manche mit ihren Waffen, die meisten aber unbewaffnet, rannten hierhin und dorthin. Vermutlich hatten sie noch nicht begriffen, was geschah.

Weitere Schüsse knatterten in der frischen Morgenluft, und mehrere Franzosen brachen neben den Zelten zusammen. Als Quince mit seiner lockeren Reihe Matrosen auf dem Abhang erschien, feuerte ein Franzose, wahrscheinlich ein Offizier, eine Pistole ab und trieb die aufgeschreckten Soldaten an die Geschütze. Und erst jetzt sahen die Artilleristen Bolitho und seine anstürmenden Matrosen.

Hier und da knallte eine Muskete, und einmal spürte Bolitho, daß eine Kugel nur zollweit an ihm vorbeizischte. Doch der Widerstand war gebrochen, noch ehe er richtig einsetzen konnte. Einer nach dem anderen warfen die Soldaten ihre Waffen fort, und Bolitho hörte Quince die Schreie und Rufe übertönen:»Feuer einstellen! Ergebt euch!»