Midshipman Carlyon stand — sich seiner Würde als Verantwortlicher für den Signalverkehr bewußt — mit seinen Signalgasten an den Leinen, während ein erfahrener Unteroffizier mit einem Fernglas im Besanwant hing, die Beine um die Webeleinen geschlungen und so die heftigen Bewegungen des Schiffes ausgleichend.
Bolitho nahm das Glas noch einmal vors Auge und musterte die sich schnell nähernde Fregatte, die gischtübersprüht Anstalten zum In-den-Wind-Schießen machte, während an ihrer Rah schon die Signalflaggen emporstiegen.
Ruhig sagte er:»Kapitän Farquhar ist also zum Geschwader zurückgekehrt.»
Inch wollte gerade etwas dazu äußern, als Carlyon rief: «Spartan an Telamon: Habe dringende Nachrichten für den Kommodore.»
Er sprang förmlich herum, als Inch bellte:»Passen Sie gefälligst auf das Flaggschiff auf, verdammt noch mal!»
«P-Pardon, Sir!«Carlyon schwenkte sein Glas herum auf die Te-lamon, von der ebenfalls Flaggen im blendenden Sonnenlicht auswehten. Er stotterte:»Befehl an alle: Beidrehen!»
Bolitho nickte nur kurz.»Machen Sie das, Mr. Inch, oder die Hermes kommt uns zuvor.»
Er ging durch die auseinanderspritzenden Reihen der Matrosen und Seesoldaten zur Reling, um das Manöver der Spartan zu beobachten. Farquhar halste, bevor noch das >Verstanden<-Signal auf der Telamon niedergeholt war.
Während die Hyperion heftig stampfend in den Wind drehte und die Bramsegel — von Drohungen und Flüchen an Deck begleitet — aufgeholt und festgemacht wurden, überlegte Bolitho, welche Art Nachrichten Farquhar wohl überbrachte. Es bedurfte sicher mehr als dieser Darbietung ausgezeichneter Seemannschaft, um den Kommodore zufriedenzustellen.
Das Deck schaukelte heftig im Wind und Wellengang, und alle Wanten und Fallen vibrierten, als die Männer auf den schwankenden Rahen mit der wild um sich schlagenden Leinwand kämpften und sie schließlich bändigten.
Inch sagte verächtlich:»Die Spartan wird nicht gerade Dank ernten, daß sie beim Angriff auf Las Mercedes nicht dabei war.»
Bolitho wischte sich das Spritzwasser aus den Augen, als weitere Signalflaggen über dem stampfenden Rumpf der Telamon erschienen. Weil die Korvette ihn zum Glück nicht gefunden hatte, lag Farquhar jetzt nicht mit seinem Schiff neben der Abdiel auf dem Meeresgrund.
Der Signalmaat rief:»Ein Boot setzt von der Spartan ab, Sir.»
Bolitho hielt sich an den Finknetzen fest und beobachtete die kleine Jolle, die im lebhaften Seegang auf- und niedertanzte, wobei ihre Riemen wie Möwenflügel nach oben und unten schlugen. Er erkannte die kerzengerade im Heck sitzende Gestalt Farquhars und seinen goldbestickten Dreispitz, der als zusätzlicher Ansporn über den Köpfen der sich mächtig ins Zeug legenden Ruderer schimmerte.
Er hörte, wie Leutnant Roth sagte:»Der bringt sicher schlechte Nachrichten.»
Inch maßregelte ihn.»Behalten Sie Ihre Meinung für sich!»
Bolitho beobachtete, wie die Jolle an den Rüsteisen des Holländers einhakte, wobei der leichte Bootskörper gegen die mächtige Bordwand geschleudert wurde und die Männer alle Hände voll zu tun hatten, es vorm Kentern zu bewahren. Er hatte trotzdem die Bitterkeit in Inchs Stimme bemerkt. Es war der gleiche Ton wie kürzlich, als er erklärt hatte, warum Pelham-Martin zum Angriff auf Las Mercedes zu spät gekommen war. Der Kommodore hatte offenbar nicht geglaubt, daß Bolithos Landungskorps imstande wäre, den Sumpf zu durchqueren und die versteckte Batterie zu zerstören. Bolitho hatte Entschuldigungsgründe für Pelham-Martins Bedenken, aber gleichzeitig konnte er sich auch die Enttäuschung und den Ärger auf den Schiffen vorstellen, als sie darauf warteten, was die Korvette Dasher über den Ursprung des Geschützfeuers meldete.
Über eines war sich Bolitho klar: Wenn er diese Geschütze lediglich zerstört hätte, ohne sie vorher gegen die vor Anker liegenden französischen Schiffe abzufeuern, hätte Pelham-Martin niemals diesen letzten und entscheidenden Angriff gewagt. Dann wären er und seine Leute elend umgekommen. Und außerdem: die Verantwortung für diesen Fehlschlag wäre dann, wie Fitzmaurice schon vorher geäußert hatte, in jede m Bericht nach Hause auf seine, Bo-lithos Schultern, abgewälzt worden.
In wachsender Ungeduld knirschte er mit den Zähnen, bis Car-lyon schließlich rief:»Befehl an alle: Kommandanten sofort zu mir an Bord!»
Bolitho machte eine heftige Handbewegung.»Mein Boot, bitte!«Er sah sich nach Allday um, doch der stand schon mit seinem goldbetreßten Hut und Rock da.
Während er seinen verschossenen Bordrock beiseite warf, sah er einige seiner Matrosen das geschäftige Treiben an Bord der Tela-mon mustern und fragte sich kurz, was sie jetzt wohl dächten. Nur die wenigsten an Bord wußten überhaupt, wo ihr Schiff sich befand und wie das nächstgelegene Land hieß. Auf all solche Dinge hatten sie keinen Einfluß. Sie hatten zu gehorchen und ihren Dienst zu verrichten, und viele seiner Kollegen sagten, das genüge völlig. Bolitho dachte anders darüber, und eines Tages…
Er blickte auf, als Inch meldete:»Boot liegt längsseit, Sir. «Er hatte nicht einmal bemerkt, wie es ausgeschwungen und zu Wasser gebracht worden war. Er war zu müde, zu erschöpft, und das begann sich zu zeigen.
Er nickte und eilte den Niedergang zur Fallreepspforte hinunter. Zwischen seinen Beinen konnte er die unteren Stückpforten sehen, und im nächsten Augenblick, als das Schiff zur anderen Seite überholte, die Kupferhaut des Unterwasserschiffs, die im Sonnenlicht aufleuchtete. Ein schnelles Atemholen und dann den richtigen Augenblick abgepaßt und gesprungen. Hände ergriffen seine Arme und Hüften, und als er zum Hecksitz taumelte, sah er die Hyperion schon zu- rückfallen, während die Riemen in die Wellenberge einschlugen und Allday auf die Telamon zuhielt.
Bolitho war kaum zu Atem gekommen, als es schon wieder Zeit war, an der Bordwand des Holländers zur schön verzierten Einlaßpforte hochzuklettern.
Als er einem dunkelhäutigen Leutnant zur Hütte folgte, bemerkte er, daß dort weitere Flaggen unter Aufsicht eines britischen Signalmaaten gehißt wurden. Er nahm an, daß dem Verband befohlen wurde, Kurs und Formation wieder aufzunehmen. Es würde also wieder eine lange Besprechung geben.
Plötzlich hörte er Kommandos und Rufe und sah, wie ein Bootsmannsstuhl, der von einem Takel über dem Fallreep herabhing, über die Laufbrücke eingeschwenkt wurde. Kapitän Fitzmaurice von der Hermes ging offenbar kein Risiko ein und zog es vor, sich wie ein Sack an Bord hieven zu lassen, statt sich der Gefahr auszusetzen, ins Wasser zu fallen und zu ertrinken oder zwischen Boot und Bordwand zerquetscht zu werden.
In der Admiralskajüte war es, im Vergleich zum blendenden Sonnenlicht draußen, ziemlich dunkel, und Bolitho brauchte einige Minuten, bevor er Pelham-Martins massive, in einen Stuhl gequetschte Gestalt erkannte. Die Stuhlbeine waren fest an zwei Ringbolzen an Deck gelascht, um zu verhindern, daß der Stuhl samt Insassen bei heftigen Schiffsbewegungen quer durch den Raum rutschte. Farquhar stand in entspannter Haltung am Tisch, während Mulder, der Kommandant der Telamon, vom Heckfenster umrahmt wurde. Er hielt den Kopf geneigt, als lausche er auf die Tätigkeiten seiner Leute oben an Deck.
«Ah, Bolitho!«Pelham-Martin nickte ihm kurz zu.»Wir wollen auf Fitzmaurice warten, bevor wir anfangen.»
Bolitho hatte sich schon gefragt, was er wohl empfinden würde, wenn er wieder mit dem Kommodore zusammentraf. Verachtung oder Zorn? Er war überrascht, daß er gar nichts empfand. Man hätte erwarten können, daß der Kommodore etwas wie Freude über die Vernichtung zweier feindlicher Schiffe äußern würde. Quince hatte Bolitho verraten, daß er mehr als nur Verwundete auf der zusammengeschossenen Indomitable mit nach Antigua genommen habe; nämlich einen glühenden Bericht für den Admiral und ganz England über ihren Sieg, aber nichts über die Schiffe, die entkommen konnten. In dem Bericht stand auch nichts über das Rätsel Lequil-ler, das noch immer ungelöst war.