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Bolitho antwortete scharf:»Ich habe dich nicht hergerufen, um deine Meinung über meine Motive zu hören. «Er klopfte auf die Karte.»Also?»

«Hier ist ein geeigneter Platz. «Hughs Finger wies auf eine Stelle der Karte.»Die Pascua-Inseln, etwa fünfzig Meilen nordwestlich von St. Kruis. «Seine Augen bewiesen fachliches Interesse, als er sich über die Karte beugte.»Zwei Inseln, die durch eine Kette kleiner und kleinster Eilande und ausgedehnter Riffe miteinander verbunden sind. Ein gefährlicher Ankerplatz, eigentlich nur eine letzte Zuflucht. «Er nickte nachdenklich.»Der Hauptvorteil ist, daß es zwischen den Riffen Durchlässe gibt. Mit deinem kleinen Geschwader könntest du gar nicht alle überwachen. «Sein zerfurchtes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.»Ich selbst bin da Rodneys Fregatten mehrmals entwischst.»

Bolitho fragte ruhig:»Was würdest du an meiner Stelle tun?»

Sein Bruder sah ihn lange an, und sein Ausdruck wechselte dabei von Überraschung zu Mißtrauen. Schließlich antwortete er:»Eine Fregatte würde zwischen den Riffen durchkommen. Ein Überraschungsangriff auf diesem Wege würde die vor Anker liegenden Schiffe sicherlich veranlassen, durch die Hauptpassage auszulaufen; davor könntest dann du stehen und sie in Empfang nehmen.»

Bolitho betrachtete ihn ernst.»Nur ein sehr erfahrener Mann wäre imstande, ein Schiff durch die Riffe zu steuern, nicht wahr? Jemand, der die genaue Lage aller unter Wasser liegenden Hindernisse kennt.»

Hugh beobachtete ihn verständnisvoll.»So ist es. Ohne solch einen Mann wäre es Wahnsinn. Als ich die Durchfahrt das erste Mal benutzte, hatte ich einen alten Mulatten als Lotsen. Er kannte sich sehr gut aus und hat dann mir beigebracht, was er selber als Fischer in vielen Jahren mühsam gelernt hatte.»

Bolitho richtete sich straff auf.»Willst du's tun?«E sah das Mißtrauen in den Augen seines Bruders weichen und fügte hinzu:»Ich weiß, das Risiko ist groß. Der Kommandant unserer einzigen

Fregatte ist Charles Farquhar. Er könnte sich an dich als seinen alten Gegner, der ihn einst gefangennahm, erinnern.»

«Ich erinnere mich noch gut an ihn: ein frecher junger Laffe.»

«Aber wenn alles klappt, könnte es dir für eine spätere Begnadigung sehr viel nützen. Es ist die letzte Chance für dich.»

Sein Bruder zeigte nur ein resigniertes Lächeln.»Es ist genau, wie die Leute sagen: Du denkst nie zuerst an dich selber. «Er legte eine Hand auf den Tisch.»Ich habe keinen Augenblick daran gedacht, meine eigene Haut zu retten. Kommt es dir denn nicht in den Sinn, daß es schlecht für dich stünde, wenn Farquhar oder sonst wer über mich Bescheid wüßte? Du hast einen Flüchtling versteckt, dich mit einem Hochverräter verbündet. Sie würden dich kreuzigen.»

Als Bolitho nicht antwortete, setzte Hugh eindringlich hinzu:»Denk an dich selber! Und hör' auf, dir Sorgen zu machen, über deinen Kommodore, über mich und über den ganzen Rest. Sorge dich wenigstens dieses eine Mal um dich selber!»

Bolitho schaute beiseite.»Es ist also abgemacht. Wenn wir in St. Kruis ankommen, werde ich den Kommodore informieren. Mag sein, daß wir auf dem von dir genannten Ankerplatz nichts finden. Aber wir werden sehen.»

Sein Bruder ging zur Tür.»Es gab bisher nur einen einzigen Mann, der mir damals in der Karibik überlegen war. So hoffe ich, daß dir das Glück auch ein zweites Mal zur Seite steht.»

«Vielen Dank!«Aber als Bolitho den Kopf nach Hugh wandte, war der Kartenraum leer.

XIV Für die achtern die Ehre…

Als sein Boot an den Holzpfählen der Landungsbrücke festgemacht hatte, kletterte Bolitho vom Hecksitz hinauf und warf zunächst einen Blick zurück auf die Bucht. Erst vor zwei Stunden hatte Pelham-Martins Geschwader hier geankert, doch in dieser kurzen Zeit hatte sich das Wetter bereits erheblich verändert. Der Himmel war mit einem düsteren Schleier überzogen, der das nachmittägliche Sonnenlicht zu einem bösen Funkeln verzerrte und die unregelmäßig laufenden Wellenkämme bräunlich verfärbte. Als er seine Augen mit der Hand beschattete und die Schiffe musterte, bemerkte er, daß sie unruhig an ihren Ankertrossen zerrten, als hätten sie Angst vor der Nähe des Ufers.

Boote fuhren geschäftig zu den Schiffen hinaus und wieder zurück zu den an Land wartenden Seeleuten, die frisch gefüllte Wasserfässer und schnell eingekaufte Früchte in Körben zu ihnen hinunterreichten und sich dann wieder landeinwärts entfernten, um weitere Ladung zu beschaffen.

Inch und Gossett kletterten zu Bolitho hoch und standen in den vom Wind aufgewirbelten Staubwolken, die ihre Gesichter und Anzüge in Sekundenschnelle mit einer grauen Schicht bedeckten.

Der Master sagte mit rauher Stimme:»Der Wind kommt immer noch aus Nordost und nimmt weiter zu, Sir. «Er schüttelte den Kopf.»Ich werde mich wohler fühlen, wenn wir erst wieder in See sind.»

Bolitho folgte seinem Blick und sah, wie sich die Wellen an der schützenden Kette von Riffen östlich der Bucht brachen.»Ich stimme Ihnen zu.»

Er drehte sich um und marschierte über die staubige Straße in Richtung des undeutlich an ihrem Ende sichtbaren Gouverneurssitzes. Er ging schnell, obwohl er sich bewußt war, daß die anderen Mühe hatten, ihm zu folgen; die Dringlichkeit seiner Sache trieb ihn voran. Vierundzwanzig Stunden hatten die Schiffe trotz Einsatzes sämtlicher Segel für die Rückfahrt nach St. Kruis gebraucht, und während er fiebernd auf die endgültige Entscheidung des Kommodore gelauert hatte, war Pelham-Martin, nur von Kapitän Mulder von der Telamon begleitet, an Land gegangen, um sich mit de Block zu besprechen.

Während des Ankerns der Hyperion hatte Bolitho bemerkt, daß ihre vermißte Korvette schon unterhalb der Landzunge vor Anker lag. Als ihr Kommandant keinen Erfolg bei seiner Suche nach der Spartan gehabt hatte, traf er wohl die einzig mögliche Entscheidung, nach St. Kruis zurückzukehren. Aber inzwischen war einige Zeit verflossen, Zeit, die man hätte nutzen können, die Korvette eilends loszuschicken, um andere, stärkere Kräfte zu alarmieren und von Lequillers möglichen Absichten zu unterrichten.

Kleine Gruppen Eingeborener standen in den Eingängen ihrer Häuser und Hütten, als sie vorbeieilten. Nur wenige Leute lächelten ihnen zu oder grüßten, die meisten schienen die See hinter den

Riffen zu beobachten. In einem Monat würde die Hurrikansaison beginnen, und damit mußten diese Leute mehr zu schaffen haben als mit dem Krieg: einem Krieg, den andere angezettelt hatten und dessen Ziel sie nicht kannten, der ihnen aber nur weitere Ängste und Sorgen bringen würde.

Schließlich erreichte Bolithos Trupp das große Steintor, das ihnen Schutz vor den Staubwolken bot. Noch ganz außer Atem fragte Inch:»Soll Mr. Selby hier draußen warten, Sir?»

Bolitho wandte sich zu ihnen um. Als die Nachricht endlich an Bord eingegangen war, daß der Kommodore alle Kommandanten, Ersten Offiziere und Master zu sich befahl, hatte er sofort gewußt, daß eine Entscheidung gefallen sein mußte. Und er hatte vorausgesehen, daß Pelham-Martin den einzigen Mann zu sehen wünschte, den Bolitho als Lotsen für die Fregatte, die durch das Riff fahren sollte, empfohlen hatte. Trotzdem beunruhigte ihn dieser Befehl.

Jetzt stand Hugh hier, drei Schritte hinter Inch und Gossett, und wartete mit unbeweglichem Gesicht auf Bolithos Antwort.

«Ja, er kann hier warten. «Doch er setzte hinzu:»Er wird sicher noch nicht gebraucht.»