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«Dusty irrt sich«, sagte ich.»Sie war nicht böse. Sie hatte Scherereien mit, ehm… einem Besucher in ihrer Loge. Sie hat es mir hinterher erklärt… und mich zum Eaton Square eingeladen, wo ich jetzt noch bin.«

«Oh«, meinte er besänftigt.»Na schön. Kinleys Rennen wird morgen im Fernsehen übertragen«, sagte er,»da werde ich’s mir ansehen.«

«Großartig.«

«Nun also… gute Nacht, Paul.«

«Gute Nacht, Wykeham«, sagte ich.

Schmunzelnd fragte ich den Anrufbeantworter bei mir zuhause ab, doch es lag nichts Besonderes an, und kurz darauf brachte Dawson mir zum Abendessen Hühnerbrühe, Schinken und eine Banane (meine Wahl).

Später drehten wir gemeinsam noch eine Runde durch das Haus und begegneten John Grundy, einem sechzigjährigen Witwer, auf dem Weg zu seinem Zimmer. Beide Männer sagten, es würde sie nicht stören, wenn ich in den frühen Morgenstunden hin und wieder herumginge, und ich pirschte dann auch ein- oder zweimal durch die Flure, aber es blieb die ganze Nacht ruhig in dem großen Haus, nur die Uhren tickten leise. Ich schlief mit Unterbrechungen zwischen Leintüchern unter einem seidenen Bettbezug, in einem Pyjama, den Dawson aufmerksamerweise bereitgelegt hatte, und wurde am Morgen zu Roland de Brescou hineinkomplimentiert.

Er saß allein in seinem Wohnzimmer, angetan mit einem Straßenanzug, weißem Hemd und bunt bedruckter Krawatte. Schwarze Schuhe, blank poliert. Weißes Haar, glatt gebürstet. Keine Konzessionen an seinen Zustand, keine Konzession ans Wochenende.

Sein Rollstuhl hatte eine ungewöhnlich hohe Rückenlehne und ich fragte mich öfter, warum es nicht mehr dieser Art gab —, so, daß er, wenn ihm nach einem Nickerchen zumute war, den Kopf anlehnen konnte. An diesem Morgen lehnte er den Kopf an, obwohl er wach war.

«Bitte nehmen Sie Platz«, sagte er höflich und sah zu, wie ich mich wieder in den dunkelroten Ledersessel vom Abend zuvor setzte. Der alte Mann wirkte wenn möglich noch hinfälliger, mit grauen Schatten unter der Haut, und die schmalen Hände, die auf den gepolsterten Armlehnen ruhten, hatten etwas Durchscheinendes, die Haut war papierdünn über den Knochen.

Ich kam mir ihm gegenüber fast ungehörig stark und gesund vor und fragte, ob ich ihm irgend etwas bringen oder holen könne.

Er verneinte es mit einem Zucken um die Augen, das man als verstehendes Lächeln hätte deuten können, als wäre er solche schuldbewußten Reaktionen bei seinen Gästen gewohnt.

«Ich möchte Ihnen danken«, sagte er,»daß Sie uns beigestanden haben. Daß Sie Prinzessin Casilia geholfen haben.«

Er hatte in meinem Beisein noch nie von ihr als» meiner Frau «gesprochen, und ich hätte sie ihm gegenüber auch nie als solche bezeichnet. Seine steifen Sprachgewohnhei-ten waren merkwürdig ansteckend.

«Außerdem«, sagte er, als ich Einwendungen machen wollte,»haben Sie mir Zeit verschafft zu überlegen, was ich wegen Henri Nanterre unternehmen werde. «Er leckte seine trockenen Lippen mit der Spitze einer scheinbar ebenso trockenen Zunge.»Ich habe kein Auge zugetan… Ich kann nicht riskieren, daß Prinzessin Casilia oder irgend jemandem in unserer Umgebung etwas zustößt. Es ist an der Zeit, daß ich das Ruder aus der Hand gebe. Einen Nachfolger finde… aber ich habe keine Kinder, und es gibt nur noch wenige de Brescous. Es wird nicht leicht sein, ein Familienmitglied zu finden, das meinen Platz einnimmt.«

Schon der Gedanke an die Diskussionen und Entscheidungen, die ein solcher Schritt mit sich brachte, schien ihn zu erschöpfen.

«Mir fehlt Louis«, sagte er unerwartet.»Ohne ihn kann ich nicht weitermachen. Es wird Zeit, daß ich mich zur Ruhe setze. Das hätte ich einsehen sollen, als Louis starb… bereits damals war es Zeit. «Er schien ebensosehr mit sich selbst zu sprechen wie mit mir, seine Gedanken zu klären, während seine Augen wanderten.

Ich gab einen Laut von mir, der wenig mehr als Interesse bekundete. Im stillen fand ich aber auch, daß die Zeit, sich vom Geschäft zurückzuziehen, längst gekommen war, und es hatte fast den Anschein, als finge er etwas von diesem Gedanken auf, denn er sagte ruhig:»Mein Großvater regierte mit neunzig noch uneingeschränkt. Ich habe damit gerechnet, ebenfalls an der Spitze der Firma zu sterben, da ich ihr Präsident bin.«

«Ja, ich verstehe.«

Sein Blick umfing mein Gesicht.»Prinzessin Casilia möchte heute zum Pferderennen. Sie hofft, daß Sie sie in ihrem Wagen begleiten. «Er hielt inne.»Darf ich Sie bitten. sie zu beschützen?«

«Ja«, sagte ich nüchtern,»mit meinem Leben.«

Es klang nach den Ereignissen vom Abend zuvor nicht einmal melodramatisch, und er nahm es offenbar auch als normale Feststellung. Er nickte nur leicht, und ich dachte bei mir, daß ich rückblickend sicher über mich erröten würde. Andererseits war es mir wohl Ernst damit, und die Wahrheit bricht sich Bahn.

Es schien jedenfalls das zu sein, was er hören wollte. Er nickte noch einige Male bedächtig, wie um den Pakt zu besiegeln, und ich stand auf, um mich zu verabschieden. Auf dem Weg zur Tür sah ich eine Aktenmappe halb unter einem Sessel liegen. Ich hob sie auf und fragte ihn, wo ich sie hintun solle.

«Sie gehört nicht mir«, sagte er ohne sonderliches Interesse.»Sie muß von Gerald Greening sein. Er kommt ja heute morgen wieder.«

Ich hatte jedoch plötzlich den bedauernswerten Valery vor Augen, wie er den Schußwaffenlizenzvertrag aus dieser Mappe hervorzog und zum Schluß mit leeren Händen davonhastete. Als ich das Roland de Brescou erklärte, schlug er mir vor, die Mappe mit hinunter in die Halle zu nehmen, so daß ihr Eigentümer, wenn er sie abholen komme, sich nicht nach oben zu bemühen brauche.

Ich nahm die Mappe mit, aber da es mir an de Brescou uninteressierter Ehrlichkeit mangelte, ging ich hinauf ins Bambuszimmer, nicht nach unten.

Die schwarze Ledermappe, handlich, unauffällig, war weder verschlossen noch eine aufregende Fundgrube; sie enthielt lediglich etwas, das aussah wie ein Doppel des Formulars, das Roland de Brescou nicht unterzeichnet hatte.

Auf gängigem lederbraunem Papier, vorwiegend in kleiner, schlecht gedruckter Kursivschrift und natürlich in französisch, schien es den Aufruhr, den es verursachte, kaum wert zu sein. Soweit ich feststellen konnte, war es nicht speziell auf Waffen bezogen, sondern hatte punktierte Linien, die man ausfüllen mußte. Auf dem Doppel hatte niemand etwas eingetragen, aber das Exemplar, das Valery wieder mitgenommen hatte, war vermutlich zur Unterschrift fertig gewesen.

Ich legte das Formblatt in eine Nachttischschublade und brachte die Aktenmappe nach unten, wo mir Gerald Greening entgegenkam. Wir wünschten uns guten Morgen in der unausgesprochenen Erinnerung an den Gewalteinbruch vom Vorabend, und er sagte, er habe die Sandsäcke nicht nur neu geschrieben, sondern ordnungsgemäß tippen und mit Siegel versehen lassen. Wäre ich so nett, noch einmal als Zeuge zu fungieren?

Wir kehrten zu Roland de Brescou zurück und schrieben unseren Namenszug, und ich erinnerte daran, daß Danielle und Prinz Litsi informiert werden sollten. Ich mußte einfach an sie denken. Etwa um diese Zeit begann ihr Vortrag über» Die Meisterwerke Leonardos. «, verdammt noch mal.

«Ja, ja«, meinte Greening zu mir.»Soviel ich weiß, kommen sie morgen abend wieder. Vielleicht können Sie es ihnen ja selbst mitteilen.«

«Vielleicht.«

«Und jetzt«, sagte Greening» wollen wir die Polizei auf den neuesten Stand bringen.«

Er stürzte sich in ein Telefongespräch, erreichte den Mann von gestern und dessen Vorgesetzten, bekam die Zusage, daß ein Kriminalbeamter eingeschaltet würde, und räumte ein, daß er nicht wisse, wo Nanterre zu finden sei.»Sobald er wieder auf der Bildfläche erscheint, verständigen wir Sie«, sagte er, und ich fragte mich, wie bald» sobald «sein wurde, falls Nanterre mit geladener Waffe auftauchte.

Roland de Brescou zeigte jedoch Einverständnis, nicht Bestürzung, und als sie zu erörtern begannen, wie man am besten einen de-Brescou-Nachfolger fände, ließ ich sie allein. Ich traf verschiedene Vorbereitungen für den Renntag und wartete mit Dawson in der Halle, bis der telefonisch herbeigerufene Thomas elegant draußen vorfuhr und die Prinzessin nach unten kam. Sie trug einen cremefarbenen Mantel, nicht den Zobelpelz, dazu große goldene Ohrringe, aber keinen Hut, und obgleich sie vollkommen ruhig wirkte, konnte sie die ängstlichen Blicke nach beiden Straßenseiten nicht verbergen, als sie von ihren drei Aufpassern über den Gehsteig geleitet wurde.