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«Im vierten starte ich nicht, das können wir uns zusammen ansehen«, sagte ich.

«Ja. Geh dich umziehen. Du bist spät dran.«

Ich hatte das Dokumentenpaket mit auf den Platz genommen — das war mir lieber, als es im Wagen zu lassen —, und im Umkleideraum gab ich es meinem Jockeydiener zur Aufbewahrung. Was man ihm anvertraute, war so sicher aufgehoben, daß es die Tresorräume der Bank von England beschämt hätte. Er verstaute alles (etwa Geld oder Papiere) in der geräumigen Brusttasche einer schwarzen Vinylschürze. Die Schürze hatte er sich wohl eigens zu diesem Zweck zugelegt; es gab keine Spinde in den Umkleideräumen, jeder hängte seine Sachen an einen Haken, Aus reiterischer Sicht war es kein anstrengender Tag. Ich gewann mein erstes Rennen (das zweite im Programm) mit zwanzig Längen Vorsprung, was Dusty zuviel fand, und verlor das nächste mit dem gleichen Abstand, was ihm auch wieder nicht paßte. Danach kam das vierte Rennen, das ich mit Danielle von der Tribüne aus erlebte. Davor hatte ich sie zwischen Waageraum und Führring schon ein paarmal gesehen. Ich erzählte ihr, daß Joe, der in Sandown verletzte Jockey, wieder bei Bewußtsein war und auf dem Weg zur Besserung, und sie sagte, sie habe mit Betsy, der

Frau des Lambourner Trainers, Kaffee getrunken. Alles sei prima, meinte sie, einfach prima.

Es war der dritte Tag im März, stürmisch und kalt, und das Cheltenham National Hunt Festival war plötzlich nur noch eine Woche entfernt.

«Betsy findet es schade um den Gold Cup«, sagte Danielle.»Sie sagt, du nimmst nicht daran teil, jetzt wo Col tot ist.«

«Da müßte sich schon irgendein armer Tropf das Schlüsselbein brechen.«

«Kit!«

«So geht das nun mal.«

Sie sah aus, als brauchte man sie daran nicht zu erinnern, und meine Bemerkung tat mir leid. Ich fragte mich, als ich zum fünften Rennen hinausging, ob dieser Tag eine Art Probe war. Wollte sie endgültig herausfinden, ob sie ein Leben mit mir in Zukunft auf sich nehmen könnte? Ich fröstelte ein wenig im Wind und fand die Gefahr, sie zu verlieren, die schlimmste von allen.

Ich wurde Dritter und als ich zum Absattelring zurückkam, wartete Danielle dort, blaß und sichtlich zitternd.

«Was ist?«fragte ich scharf und stieg vom Pferd.»Was hast du?«

«Er ist hier«, sagte sie erschrocken.»Henri Nanterre. Ich bin sicher… er ist es.«

«Hör zu«, sagte ich.»Ich muß mich zurückwiegen — nur grad auf die Waage setzen. Ich komme gleich wieder raus. Du stellst dich direkt vor die Waageraumtür… rühr dich da nicht weg.«

«Nein.«

Sie ging, wohin ich zeigte, und ich sattelte das Pferd ab und machte den mäßig erfreuten Besitzern vage Hoffnungen für später. Ich passierte die Waage, gab Sattel, Peitsche und Helm meinem Jockeydiener und ging raus zu Danielle, die zwar nicht mehr zitterte, aber noch immer aufgeregt aussah.

«Wo hast du ihn gesehen?«fragte ich.

«Auf der Tribüne, während des Rennens. Er schien irgendwie auf mich zuzukommen, von unten rauf, von der Seite, sagte >Entschuldigung< zu den Leuten und sah zwischendurch herüber, wie um zu kontrollieren, wo ich war.«

«Du bist sicher, daß er es gewesen ist?«

«Er sah genau wie auf dem Foto aus. Wie du ihn beschrieben hast. Erst war mir das nicht klar… dann hab ich ihn erkannt. Ich war…«:, sie schluckte,». entsetzt. Er ist so um die Leute rumgeschlängelt, geglitten wie ein Aal.«

«Das war er«, sagte ich grimmig.

«Ich bin vor ihm geflohen«, sagte Danielle.»Das war schon… Panik. Ich kam nicht schnell voran… so viele Leute, die das Rennen sehen wollten und sich von mir gestört fühlten. bis ich von der Tribüne kam, war das Rennen vorbei… und ich bin gerannt… Was soll ich machen? Du startest im nächsten Lauf.«

«Tja, was du tun wirst, ist zwar sterbenslangweilig, aber dafür sicher. «Ich lächelte entschuldigend.»Geh in die Damentoilette und bleib da. Such dir einen Stuhl und warte. Sag der Frau, dir sei schlecht, schwindlig, du seist müde oder sonst was. Bleib bis nach dem Rennen dort, und ich komme dich abholen. Eine halbe Stunde, viel länger nicht. Ich lasse dir Bescheid sagen… und komm nur raus, wenn die Nachricht von mir ist. Wir brauchen ein Kennwort.«

«Weihnachten«, sagte sie.

«Okay. Komm nicht ohne das Kennwort raus, auch nicht wenn dir ausgerichtet wird, daß ich auf dem Weg ins Krankenhaus bin oder so etwas. Ich gebe meinem Jockeydiener das Kennwort und sage ihm, er soll dich abholen, falls ich nicht kann… aber ich kann«, sagte ich, denn die Furcht in ihrem Gesicht hatte sich verstärkt.»Ich werde vorsichtig reiten. Schau, daß Nanterre dich da nicht reingehen sieht, falls aber doch.«

«Komm ich nicht raus«, sagte sie.»Keine Sorge.«

«Danielle«.

«Ja?«

«Ich liebe dich«, sagte ich.

Sie blickte erstaunt, zog den Kopf ein und ging schnell weg, und ich dachte, daß Nanterre, um von meiner Teilnahme in Windsor zu wissen, nur in die Zeitung zu sehen brauchte, und daß ich und jeder einzelne aus der Familie der Prinzessin überall verwundbar waren, nicht nur in dunklen Gassen.

Ich ging hinter Danielle her und behielt sie im Auge, bis ihre Rückansicht an dem einzigen Ort verschwand, wohin Nanterre ihr nicht folgen konnte. Dann eilte ich zurück, um die Farben zu wechseln und auf die Waage zu steigen. Den Franzosen sah ich nirgends, was nicht bedeutete, daß es umkehrt auch so war. Der öffentliche Charakter meiner Arbeit auf Rennplätzen, dachte ich, kam uns vielleicht aber entgegen. Nanterre konnte mich nicht ohne weiteres bei den Rennen angreifen, da überall, wo ich hinging, Leute zuschauten. In Führringen, auf Pferden, auf der Tribüne… wo ein Jockey in Reithosen und Farben auftrat, drehten sich die Köpfe nach ihm. Die Anonymität begann erst an den Rennbahnausgängen.

Ich ritt das letzte Rennen in Windsor mit äußerster Konzentration, zumal es ein Sieglosen-Hindernisrennen war, immer gut für Überraschungen. Mein Pferd wurde nicht von Wykeham, sondern von Betsys Mann, dem Trainer aus Lambourn betreut, und man konnte mit Recht behaupten, daß es eher einen guten Übungslauf bekam als die volle Hatz.

Betsys Mann war dennoch mit dem vierten Rang zufrieden, da das Pferd sauber gesprungen war, und ich sagte, wie man das eben tut:»Nächstesmal siegt er«, um ihn und die Besitzer zu erfreuen.

Ich wog mich als Viertplazierter zurück, zog mich schnell um, ließ mir vom Jockeydiener meine Wertsachen geben und schrieb einen kleinen Zettel für Danielle:

«Weihnachten ist da. Zeit zu gehen.«

Es war Betsy, die schließlich den Zettel in die Damentoilette brachte und wenig später lächelnd mit Danielle herauskam.

Ich atmete auf; Danielle schien ebenso erleichtert. Betsy schüttelte den Kopf über unsere Kindereien, und Danielle und ich gingen auf den sich rasch leerenden Parkplatz.

«Hast du Nanterre gesehen?«fragte Danielle.

«Nein. Nirgends.«

«Er war es bestimmt.«

«Ja, ich denke auch.«

Mein Wagen stand fast allein am Ende einer Parkreihe, seine Nachbarn waren abgefahren. Ich blieb ein ganzes Stück vor ihm stehen und holte den Fernstarter aus meiner Tasche.

«Aber«, sagte Danielle überrascht,»das ist doch dein Frostschutzspielzeug.«

«Mm«, sagte ich und drückte auf die Taste.

Es gab keine Explosion. Der Wagen sprang sanft schnurrend an. Wir gingen zum Wagen, und ich nahm trotzdem noch die anderen Kontrollen vor, fand aber nichts Verdächtiges.

«Wenn er nun in die Luft geflogen wäre?«sagte Danielle.

«Besser das Auto als wir.«

«Glaubst du, dazu wäre er fähig!«

«Weiß ich wirklich nicht. Ich habe nichts gegen Vorsichtsmaßnahmen, die sich als unnötig erweisen. Ärgerlich ist, wenn man hinterher sagt, hätten wir doch nur.«

Ich fuhr auf die Autobahn, und an der ersten Kreuzung bog ich ab, wendete und nahm die entgegengesetzte Richtung.